Ein Russe erklärt Jemen: Was die Angriffe der Saudis mit USA, Iran und Russland zu tun haben

Titelbild
Demonstration im indischen Kashmir gegen die Bombardierung Jemens durch Saudi-Arabien und seine Partner.Foto: TAUSEEF MUSTAFA/AFP/Getty Images
Epoch Times3. April 2015

Endlich einer, der den Konflikt im Jemen verständlich erklärt: „Hier wurde ein kleiner Staat zum Spielball der amerikanischen und saudischen Eliten“, meint Shamil Sultanov, Mitglied des Izborsky Clubs und Leiter des Zentrums "Russland – Islamische Welt", über das Land, das durch ein Stammessystem organisiert ist und dessen amtierende Regierung nach Saudi-Arabien geflohen ist. In einem Interview mit dem Magazin "Business Online" setzt er den aktuellen Krieg im Jemen in den weltpolitischen Kontext mit Ukraine-Krise und Iran-Atomabkommen. Hier die Übersetzung eines Artikels, der schon von mehreren alternativen Portalen veröffentlicht wurde.

„Die Lage in Jemen kann, meiner Meinung nach, nicht als dynamisch beschrieben werden. Das Land hat seine eigenen Konstanten, seine eigenen Kräfte, von deren Verhältnis und Kollision die weitere Entwicklung des Konflikts abhängt. Diese vier Kräfte sind auf der einen Seite die Houthis aus der Bewegung Ansar Allah, denen sich Anhänger des ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh angeschlossen haben; und auf der anderen Seite die offizielle jemenitische Regierung von Präsident Abd Rabbuh Hadi, der nach Saudi-Arabien geflohen ist; hinzukommen lokale Jihadisten, die vom saudischen Geheimdienst bezahlt werden, um innerhalb des Landes Sabotageakte zu verüben. Auf der einen Seite [haben wir] die Sunniten, auf der anderen die Schiiten. Und diese Kräfte haben sich nicht erst gestern gebildet, deshalb spreche ich nicht über Dynamik, sondern über gewisse Konstanten in der politischen Welt des Jemen.

Im Jemen kämpfen US-Eliten gegeneinander“

Der Jemen ist eines der komplexesten Krisengebieten nicht nur im Nahen Osten, sondern auch der Welt. Sogar Syrien und der Irak sind weniger kompliziert, weil es im Jemen zu viele interne Probleme und Widersprüche gibt. Zum Beispiel ist eines der Ziele von Saudi-Arabien, den Iran zu zwingen, den Houthis zu Hilfe zu kommen und in diesen Krieg einzugreifen – um so Riyadh zu helfen, die bevorstehende Einigung über das iranische Atomprogramm zu torpedieren. Und was bedeutet das? Dass bestimmte amerikanische Gegeneliten auch im Spiel und auch gegen die Vereinbarung mit dem Iran sind. Hier sehen wir nicht nur eine Manifestation der US-Außenpolitik, sondern auch eine Auseinandersetzung von bestimmten amerikanischen Elite-Clans, Sicherheitsbehörden verschiedener Arten, Unternehmensgruppen und so weiter, die gerade im Jemen stattfindet.

Ein weiterer Aspekt dieses Krieges ist der Machtwechsel in Saudi-Arabien. Im Januar 2015 starb, wie wir wissen, König Abdullah. Dieser hatte mit seinem Gefolge einen Plan ausgearbeitet, mit dem durch eine Verletzung der Erbrechtsregel Abdullahs Sohn Miteb (Kommandant der Nationalgarde des Königreichs) sein Nachfolger werden könnte. Aber diese Option klappte nicht und der Thron wurde von Salman besetzt, so dass es nun in Saudi-Arabien zu einer starken Schwächung des Clans von Abdullah kam. Insbesondere ein Mann, den wir alle gut kennen – Bandar bin Sultan, Vorsitzender des Geheimdienstes Mukhabarat – wurde von all seinen Ämtern entlassen. Er war aber derjenige gewesen, über den alle Kontakte zu den amerikanischen Eliten liefen, denn 24 Jahre lang war er saudischer Botschafter in den USA gewesen (weshalb sein Spitzname in der amerikanischen Presse "Bandar Bush" war).

Die Saudis wollen ein gespaltenes Jemen

Es gibt ein weiteres ernstes Problem [für Saudi-Arabien]: Die Konsolidierung des Jemen angesichts seiner allgemeinen Bedrohung. Nicht nur, dass die Allianz der Erzfeinde – Ali Saleh und die Houthis – im Jemen regieren. Diese wissen genau, wer abgesehen von Saudi-Arabien ihr Feinde ist: Gruppen von Ländern des Persischen Golfs, gefolgt von Marokko, Ägypten, Jordanien und Pakistan (wobei letzteres bezweifelt werden darf). Wenn nun diese Streitkräfte vereint unter Saudi-Arabiens Führung im Jemen eindringen, kann dies zu einem starken nationalen und geistigen Aufstand der jemenitischen Volk führen. Schließlich hassen die Jemeniten niemand so sehr, wie die Saudis. Falls auf eine Invasion eine solche Konsolidierung folgen würde, denke ich, dass auch [im Jemen vorhandene] Unstimmigkeiten zwischen Sunniten und Schiiten den Marsch der jemenitischen Streitkräfte Richtung Riyadh nicht verhindern könnten.

Die Bombardierung des Jemen (die so genannte "Operation Entscheidungs-Sturm") begann in der Nacht vom 26. März. Aber diese Überfälle haben lediglich den Effekt, die jemenitische Bevölkerung zu irritieren. Sie stellen weder für Ali Saleh, noch die Houthis eine echte Bedrohung dar. Die Saudi-Chefs sprechen von 150.000 Saudi Expeditionskorps, die angeblich bereit stehen, um im Jemen einzumarschieren. Andere sprechen von 5000 und wieder andere von zwei Divisionen á 20.000 Soldaten (…). Das bedeutet vor allem eines: Sie haben noch keine konkreten Pläne. Es ist typisch für die arabische Mentalität, eine Entscheidung unter dem Einfluss von Emotionen zu treffen und dann erst über ihre praktische Umsetzung nachzudenken.

Nichts wäre sinnloser als ein Bodenkrieg

Sollte in den kommenden Tagen tatsächlich eine Bodeninvasion im Jemen beginnen, wäre es das schlimmste und dümmste Kriegs-Szenario. Ich hoffe weiterhin, dass weder Russland noch die USA oder Saudi-Arabien an einem globalen Konflikt interessiert sind. Und falls einige „Jungs" beider Seiten an die Front eilen sollten um, etwas in dieser Richtung zu unternehmen, werden sie sich hoffentlich nur die Finger verbrennen.

Für Saudi-Arabien geht es jetzt darum, im Jemen einen Konflikt zwischen den Sunniten und den Schiiten anzufachen, damit sich die Sunniten der arabischen Welt gemeinsam gegen Teheran, den schiitischen Leviathan, vereinen. Meiner Meinung nach ist die Situation im Jemen nicht mehr von äußeren Kräften abhängig, weder amerikanischen noch russischen. Komplexe Konflikte entwickeln in einem bestimmten Stadium eine Eigendynamik und Trägheit. Der Konflikt wird zu einem Lebewesen, das anfängt, Menschen zu manipulieren – auch wenn einige Politiker versuchen, unabhängige Bewegungen zu unternehmen und Entscheidungen zu treffen. Der Konflikt jedoch entwickelt sich von selbst. Nehmen Sie die Situation in Syrien. Wer ist der Hauptakteur? Der Konflikt an sich. Desgleichen im Irak und in Libyen.

Eine Falle für Russland?

Konflikte haben ihre Eigendynamik. Und für diesen Fall gibt es im Islam die Vorstellung von „sabr" – Geduld. Man muss zuerst abwarten und dann handeln.

Für Russland ist das eine Falle. Verschiedene jemenitischen Streitkräfte – die Houthis, Ali Saleh und andere – appellierten an unser Land, zu vermitteln. Nicht an den Westen, sondern an Russland. Der Sondergesandte des russischen Präsidenten im Nahen Osten, Mikhail Bogdanov, präsentierte auf einer Sitzung der Liga der arabischen Staaten die üblichen Vorschläge: Waffenstillstand, Verhandlungen … Die Saudis sind sehr dagegen, dass Russland im Jemen vermittelt. Sie haben nicht vergessen, dass Russland im Jemen einen guten Ruf hat – auf der Insel Sokotra hatte die UdSSR ihre größte Marinebasis. Die Saudis wollen nicht, dass der russische Einflusses in der Region gestärkt wird.

Quelle: Fortruss, deutsch von rf



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