Japan untersucht Flugzeugkollision – Weitere Bebenopfer, Nachbeben dauern an
Einen Tag nach der spektakulären Kollision eines japanischen Passagierflugzeugs mit einer Maschine der Küstenwache auf dem Tokioter Flughafen Haneda haben die Verkehrsbehörden des Landes mit der Untersuchung des tödlichen Unfalls begonnen.
Das Japan Transport Safety Board, eine für schwere Unfälle mit Flugzeugen, Zügen und Schiffen zuständige Regierungsbehörde, nehme die ausgebrannten Wrackteile unter die Lupe, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo. Ein Passagierflugzeug der Japan Airlines (JAL) war am Vortag unmittelbar nach der Landung mit der Küstenwachenmaschine zusammen gestoßen. Beide gerieten in Brand.
Während alle 379 Personen an Bord des Passagierflugzeugs vom Typ Airbus A350 die brennende Maschine ohne lebensgefährliche Verletzungen verlassen konnten, kam für fünf Menschen an Bord des Flugzeugs der Küstenwache jede Hilfe zu spät. Nur der Pilot der Bombardier DHC8-300 kam raus, er erlitt laut Medien schwere Verletzungen. Das Flammeninferno an der JAL-Maschine konnte mehr als acht Stunden nach der Kollision unter Kontrolle gebracht werden.
Die Rettung erscheint fast wie ein Wunder
Das in Haneda stationierte Flugzeug der Küstenwache habe sich auf der Landebahn befunden, als es gegen 17:50 Uhr (9:50 Uhr MEZ) mit der JAL-Maschine zusammenstieß, berichteten japanische Medien am Abend. Die Bilder von dem in Flammen stehenden Passagierflugzeug wurden vom japanischen Fernsehen am Abend live übertragen.
Alles habe zu rütteln begonnen, die Lichter seien ausgegangen. „Das ist wie eine Horrorgeschichte“, sagte der Schwede Anton Deibe nach der Evakuierung dem schwedischen Rundfunksender SVT. Der 17-Jährige saß bei dem Vorfall neben seiner Schwester hinter dem brennenden Flügel. Alle an Bord hätten natürlich Panik bekommen.
Aus dem Fenster seien orangefarbene Flammen geschlagen, während sich die Kabine mit Rauch füllte, erzählte ein 33-jähriger Japaner der Zeitung „Asahi Shimbun“. Er befand sich wie viele andere Landsleute mit seiner Frau und zweijährigen Tochter auf dem Rückweg von den Neujahrsfeierlichkeiten bei seinen Schwiegereltern auf Hokkaido. Er habe gedacht „Oh nein“ und versucht, den Rauch nicht einzuatmen. „Bitte bleiben Sie ruhig. Bitte nehmen Sie nicht Ihr Gepäck“, habe es über die Borddurchsage geheißen, erzählte der Japaner weiter.
Während Feuerwehrleute neben einem der zerstörten Triebwerke das gewaltige Feuer löschen und aus den Fenstern des Flugzeuges hohe Flammen empor schlagen, verließen die Passagiere über eine Notrutsche das Flugzeug. Darunter waren auch acht kleine Kinder. 17 der Flugzeuginsassen erlitten Verletzungen.
Unterdessen strich die Fluggesellschaft JAL mehr als 40 Inlandsflüge von und nach Haneda. Die All Nippon Airways (ANA) sagte ebenfalls Dutzende Flüge ab. Der betroffene Flugzeughersteller Airbus hatte am Unglückstag laut Mitteilung aus Toulouse Mitgefühl für alle von dem Unfall Betroffenen ausgedrückt. Der A350-900 war demnach erst zwei Jahre alt. Alle Start- und Landebahnen des verkehrsreichsten Flughafens Japans waren am Unglückstag vorübergehend geschlossen worden, konnten aber bis auf die Rollbahn mit der Unfallstelle wieder geöffnet werden.
Nachbeben dauern an
Regierungschef Fumio Kishida trat Befürchtungen entgegen, der Unfall könne die rasche Lieferung von Hilfsgütern in die Erdbebenregion im Westen des Landes behindern. Die verunglückte Maschine der Küstenwache wollte Hilfsgüter für die Überlebenden der Erdbebenserie auf die schwer betroffene Noto-Halbinsel bringen.
Nach dem Beben vom Montag meldete die japanische Atomaufsichtsbehörde keine ungewöhnlichen Vorkommnisse in dem KKW Shika in der betroffenen Präfektur Ishikawa oder anderen Atomanlagen des Landes.
Trümmer, Schlammlawinen und aufgerissene Straßen behinderten dort auch heute noch die Suche nach Überlebenden. Seither ist die Region von mehr als 150 Nachbeben erschüttert worden, die weiter andauerten. Das ganze Ausmaß der Zerstörungen sei noch immer nicht erfasst, meldeten japanische Medien. Behörden in der Region lägen Informationen über mehrere Fälle vor, bei denen Menschen lebendig begraben oder unter eingestürzten Häusern eingeschlossen seien.
Die nationale Wetterbehörde warnte angesichts bis Donnerstag andauernder gelegentlicher Regenfälle vor möglichen weiteren Erdrutschen. Einige Dörfer sollen nach wie vor von der Außenwelt abgeschnitten sein. Die japanischen Streitkräfte wollten Hubschrauber einsetzen, um Hilfsgüter in die abgeschnittenen Gebiete zu bringen. Kishida kündigte eine Aufstockung der bisher 1.000 ins Katastrophengebiete entsandten Soldaten um weitere 1.000 an.
Mindestens 64 Erdbebenopfer
Die Zahl der Todesopfer ist auf mindestens 64 gestiegen. Mindestens 300 weitere Menschen seien verletzt worden, 20 davon schwer, erklärte ein Verantwortlicher der Regionalregierung der Präfektur Ishikawa für Katastrophenschutz am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. 31.800 Menschen sind nach Behördenangaben derzeit in Notunterkünften untergebracht.
Die Zahl der Opfer des Erdbebens dürfte weiter steigen. Ishikawa ist eine ländlich geprägte Region, nach dem Beben sind zahlreiche Straßen zerstört. Dem Fernsehsender NHK zufolge könnten zahlreiche weitere Menschen verschüttet sein.
Großfeuer in Suzu vernichtete historisches Marktviertel
Hunderte Häuser auf der in der Präfektur Ishikawa gelegenen Halbinsel Noto stürzten infolge der Erdstöße ein oder wurden beschädigt. Auf Satellitenaufnahmen waren massive Schäden insbesondere in den Küstenstädten Wajima und Suzu zu sehen. Straßen wurden unpassierbar, ein Großfeuer vernichtete in der Suzu ein historisches Marktviertel.
Nach Angaben von Masuhiro Izumiya, Bürgermeister von Suzu, sind in der Stadt „rund 90 Prozent der Häuser vollständig oder fast vollständig zerstört“. Die Lage sei „wirklich katastrophal“, sagte Izumiya im Fernsehsender TBS.
Fast 34.000 Häuser in der Präfektur Ishikawa waren örtlichen Versorgungsunternehmen zufolge am Mittwoch weiterhin von der Stromversorgung abgeschnitten. In mehreren Städten hatten die Bewohner in ihren Häusern kein fließendes Wasser.
Regierungschef Fumio Kishida sprach am Mittwoch nach einer Sitzung des nach dem Beben eingerichteten Krisenstabs von einem „Wettlauf gegen die Zeit“. Die Zahl der Rettungskräfte werde weiter erhöht, es gehe darum, das „Möglichste zu tun, um Leben zu retten“. (dpa/afp/red)
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