Jagdtourismus, Wilderei, die Massai und die königliche Familie der Emirate

21 Tage Elefantenjagd kosten an die 60.000 US-Dollar. Trophäenjagd ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Tansania.
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Giraffen sind ebenfalls Ziel bei gut zahlenden Jagdtouristen.Foto: iStock
Von 29. Juni 2022

Tansania ist ein beliebtes Touristenziel für Safaris. Dabei können Wildtiere wie Elefanten, Löwen und Zebras in freier Wildbahn beobachtet oder geschossen werden. Eine Reihe von Jagdveranstaltern wirbt mit Tansania als Jagdland, in dem sich „erstklassige Trophäen“ erbeuten lassen. Jagd findet vor allem in den Gebieten statt, in denen kein Fototourismus möglich ist.

Nach Angaben eines Jagdveranstalters kostet beispielsweise der Abschuss einer Python 350 US-Dollar (ca. 335 Euro), eines Zebras 1.600 USD, eines Krokodils 3.200 USD, eines Büffels 3.500 USD, eines Leoparden 7.900 USD, eines Löwen 12.000 USD oder der eines Elefanten zwischen 18.000 und 30.000 USD. 

Unumstritten ist der Jagdtourismus nicht. „Das Geld, welches dadurch hereinkommt, geht größtenteils in den Naturschutz. Löwen haben hier einen ökonomischen Wert, anders als in Kenia, wo sie von den Viehzüchtern mehr oder weniger als Ungeziefer angesehen und sogar im Nairobi-Nationalpark vergiftet werden.“ Volker Wollny, Jäger, Ingenieur, Dozent und Blogger, der sich umfangreich mit diesem Thema befasst hat, fügt hinzu, dass Löwen im Land keinen legalen ökonomischen Wert hätten, es gebe „keinerlei Schutzmaßnahmen außer formalen Gebarme über den Schwund vonseiten der Regierung.“

Wirtschaftsfaktor Jagdreise

Jagdtourismus ist in Tansania durchaus Regulierungen unterworfen. Offiziell dürfen nur alte Tiere gejagt werden. Bei der Jagd sind die Touristen durch einen von Wildhütern (wildlife ranger) unterstützten Berufsjäger zu begleiten.

Eine andere Regel lautet, dass „Touristen, die in Tansania Jagdtourismus betreiben wollen, über Jagdunternehmen eine Lizenz für den Erwerb von Trophäen beantragen“ müssen. Die Touristen dürften drei Gewehre unterschiedlichen Kalibers und 200 Stück Munition jedes Kalibers mitbringen, die sie benutzen. Gewehre und (Rest-) Munition müssen sie anschließend wieder mit nach Hause nehmen.  

Gleichzeitig ist die Jagdgenehmigung auf eine bestimmte Tierart sowie für maximal 21 Tage begrenzt. Weit verbreitet ist die Behauptung, dass Jäger nach der Trophäenjagd die Kadaver der erlegten Tiere einfach liegen lassen. Tatsächlich ist dies nicht erlaubt und entspricht eher der Praxis von Wilderern.

Zu den Abschusskosten kommen weitere Kosten hinzu, sodass 21 Jagdtage auf einen Elefanten bei einem Anbieter zusätzlich mit 57.200 Dollar zu Buche schlagen, 12 Jagdtage auf einen Leoparden mit immerhin noch 30.050 Dollar.

Wer sich auf Jagdreise nach Tansania begibt, muss neben den Kosten für den Flug, einer Auslandsreisekrankenversicherung, einer Jagdhaftpflichtversicherung mit weltweiter Geltung und Abschussgebühren für die angestrebte Trophäe noch diverse Zusatzkosten einkalkulieren. Dazu gehören die Kosten für die Jagdlizenz, eine Wildschutzabgabe, Kosten für eine Vorpräparation der erbeuteten Trophäen, die Trophäenexport-Steuer, die Gebühren für eine Waffeneinfuhrgenehmigung, Konzessionsgebühren sowie eine Jagdblockgebühr.

Canned Hunting von Löwen

Jagdtouristen würden üblicherweise gezielt so geführt, dass sie den Eindruck erlangen, die Tiere wirklich in freier Wildbahn aufzuspüren und dann zur Strecke zu bringen, sagt ein Jäger. Tatsächlich findet die Jagd jedoch oft innerhalb riesiger Umzäunungen („Canned Hunting“) statt, die von den Europäern und Amerikanern in der Regel nicht bemerkt werden. Die Mehrheit der Tiere würden gezielt für die Gatterjagd gezüchtet. Offizielle Äußerungen von Tansania hierzu finden sich nicht.

„Löwen werden in großem Stil auf Farmen, vor allem in Südafrika, gezüchtet, mit der Hand aufgezogen und in Gehegen eingesperrt“, bilanziert die SAVE Wildlife Conservation Fund Stiftung.

Als Jungtiere müssten sie als Streichelattraktion herhalten. Wenn sie eine entsprechende Größe erreicht hätten, würden sie zum Abschuss an Jagdtouristen aus reichen Ländern freigegeben. „Dem Argument der Jagdlobby, die Löwenzucht diene der Arterhaltung freilebender Löwen, widersprechen Artenschützer vehement. Das Gegenteil sei der Fall, da die Zahl der Canned-Hunting-Farmen stets zunimmt und für die wachsende Nachfrage immer wieder freilebende Löwen eingefangen werden, um weiteren Nachschub für die Gatterjagd sicherzustellen.“

Hinzu kommt, dass auch Arten gejagt werden, die dem Artenschutzabkommen unterliegen. Der Veranstalter „Profi-Jagdreisen“ erklärt: „In Tansania können Wildarten legal erlegt werden, die dem Anhang I des Washingtoner Artenschutzabkommens unterliegen und somit nicht nach Deutschland eingeführt werden dürfen.“

Wilderei und Neid auf die Nachbarn

Nicht immer findet die Jagd in Tansania auf legale Art und Weise statt. Viele Menschen in Tansania sind sehr arm. Wilderei kann ein willkommenes Zubrot sein. Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigte, dass ein Zusammenhang zwischen Armut und Wilderei besteht. Erkannt wurde, dass viele Dorfbewohner auf Buschfleisch setzen, um ihr Einkommen aufzubessern. Doch nicht alle würden zu den Ärmsten der Armen gehören. 

Die Studie kam zu dem Schluss, dass die „Art und Weise, wie Wilderer ihren finanziellen Status im Vergleich zu anderen Dorfbewohnern einschätzen, einen wesentlichen Einfluss auf die Wilderei-Gewohnheiten hat.“ Entscheidend war also nicht unbedingt die absolute Armut, sondern auch die vergleichsweise Armut zu den Nachbarn.

Befragte Wilderer gaben demnach zu, unter anderem Jagd auf Impalas, Giraffen und Warzenschweine zu machen. Als Jagdwaffen würden sie vor allem Gewehre, Drahtschlingen und Giftpfeile einsetzen. In einem früheren Bericht wurde erwähnt, dass man Löwen oft vergifte und mit langen Drahtschlingen (long-line snares) fange.

Kampf gegen Wilderei

Wilderei ist mittlerweile zu einem fundamentalen Problem in Tansania geworden. Ein Reiseveranstalter erklärt, dass es viele Jäger und Fototouristen Jahr für Jahr in den Selous Nationalpark, Afrikas größtes Wildreservat ziehe. Dort habe die Wilderei überhandgenommen. 

„Es ist nur eine Frage der Zeit, wann dort, ähnlich wie in Kenia, die Wildbestände nachhaltig geschädigt werden. Die staatliche Kontrolle versagt großflächig. Das Gros der Jagdreiseveranstalter tummelt sich im Selous.“ 

Tansania hätte von 1998 bis 2014 die höchste Tötungsrate von Elefanten gehabt, schreibt die Journalistin Fatima Majed. Die entsprechende Population sei um über 60 Prozent zurückgegangen. Mittlerweile setze die Regierung auf eine strenge „Null-Wilderei-Politik“.

Majed berichtet, wie innerhalb von nur fünf Jahren mehr als 2.300 Wilderer und Händler verhaftet worden seien, darunter auch 21 sogenannte „Kingpins“, die man als die Köpfe der organisierten Wilderei bezeichnen könnte.

Zu den Erfolgen der Anti-Wilderei-Kampagne sagt sie: „Neben den 14.000 Stück beschlagnahmten Elfenbeins fand die Taskforce in fünf Jahren auch 25 Nashorn-Hörner, 29 Nilpferd-Zähne, 29 Großkatzen-Felle, hunderte von lebenden Tieren und tausende Tonnen Holz.“

Langjährige Gefängnisstrafen für ertappte Wilderer

Wilderer müssen in Tansania mit harten Strafen rechnen. Die ersten großen Erfolge im Kampf gegen die Wilderei verzeichnete Tansania in den Jahren 2015 und 2016. Insgesamt wurden hier 1.563 Wilderer gestellt. In den Jahren 2016 bis 2021 seien insgesamt 33.386 Wilderer festgenommen worden. Gleichzeitig habe man in diesen fünf Jahren die Zahl der Wilderer um 90 Prozent reduziert. Wildeye-east-africa.oxpeckers.org führt eine detaillierte Aufschlüsselung zu Wilderei-Vorfällen.

So wurde etwa Tansanias berüchtigtster Wilderer, Boniface Matthew Maliango alias „Shetani“ (Kisuaheli: Teufel), im Jahre 2017 zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Auf sein Konto sei die Tötung von mehreren Tausend Elefanten gegangen, berichtete BBC.

2019 wurde der chinesische Wilderer Yang Fenglan zu 15 Jahren Haft verurteilt. Innerhalb von 14 Jahren habe dieser insgesamt 860 Stoßzähne aus dem Land geschmuggelt. Yang habe wohl in einer Verbindung auch zu Shetani gestanden. 2020 wurden drei andere Wilderer zu je 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Wie nachhaltig der Kampf gegen die Wilderei sein wird, bleibt abzuwarten. Konkrete Erfolge sind erkennbar, die Zahl der Elefanten stieg von 43.330 (2014) auf rund 60.000 im Jahr 2019 an.

Massai sollen weichen – für ein Jagdgebiet der königlichen Familie der Emirate

In Zusammenhang mit Jagdtourismus kam es am 8. Juni 2022 in einem Massai-Dorf in Loliondo zu einem Eklat, wie verschiedene Medien berichten. Das Dorf gehört zum Ngorongoro-Distrikt und wird von Touristen gern besucht.

Polizei- und Militärfahrzeuge waren vor Ort, um die Dorfbewohner aus ihrem legal angestammten Territorium zu vertreiben. Zunächst kam es zum Einsatz von Tränengas, dann zu Schüssen mit scharfer Munition. Es gab mindestens zehn Verwundete, zahlreiche Massai wurden verhaftet.

Der Grund für die Vertreibung ist, dass die tansanische Polizei und Wildhüter „ein 1.500 Quadratkilometer großes Dorfgebiet als Wildschutzgebiet für die Trophäenjagd ausweisen“ wollen. Man wolle ein Wildreservat für die königliche Familie der Vereinigten Arabischen Emirate schaffen.

Derartige Zwangsräumungen finden häufig statt. Die Opposition beschuldigt die Regierung, „einen gewalttätigen Krieg“ gegen die Maasai zu führen und mehr als 73.000 von 93.000 Hirten aus dem Wildreservat Ngorongoro vertreiben zu wollen. 

Loliondo ist ein wichtiges Weidegebiet für die halbnomadischen Maasai in der Trockenzeit, hier ist die einzige permanente Wasserstelle in der Region.

Künftig soll die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige „Otterlo Business Company“ die kommerzielle Jagd in dem Gebiet kontrollieren. Wie das Oakland Institute, eine Denkfabrik mit Sitz in den USA, berichtete, führt das Unternehmen die Jagdausflüge für die königliche Familie und ihre Gäste durch. Das Unternehmen war „in der Vergangenheit in mehrere gewaltsame Vertreibungen der Massai, das Niederbrennen von Häusern und die Tötung Tausender seltener Tiere in dem Gebiet verwickelt“.

„Redd-Monitor“, eine Website, die vom Umweltaktivisten Chris Lang betrieben wird, stellt zudem die Vertreibung der Massai in Zusammenhang mit der Agenda 2030 – und dem Ziel, 30 Prozent der Welt in Naturschutzgebiete zu verwandeln.



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