Italiens neue Einheitsregierung unter Draghi vereidigt – Welchen Kurs wird Draghi gehen?

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Italiens neuer Premierminister Mario Draghi kommt bei seiner Ankunft am 13. Februar 2021 an einer Ehrengarde vorbei, um eine formelle Übergabezeremonie mit dem scheidenden Premierminister im Palazzo Chigi in Rom abzuhalten.Foto: ALBERTO PIZZOLI / POOL / AFP über Getty Images
Epoch Times13. Februar 2021

Die Hoffnungen sind ebenso groß wie die Herausforderungen: Mit breiter parlamentarischer Unterstützung soll Italiens neue Einheitsregierung unter dem früheren Chef der italienischen Notenbank und der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, das Land aus politischer Instabilität, schwerer Wirtschaftsrezession und der Corona-Krise führen. Am Samstag legten Draghi und sein Kabinett im Präsidentenpalast in Rom den Amtseid ab.

„Ich schwöre, loyal zur Republik zu sein“, sagte Draghi vor Staatschef Sergio Mattarella. Die Vereidigungszeremonie wurde live im Fernsehen übertragen. Der 73-Jährige hatte das Amt am Freitag bei einem Treffen mit Mattarella offiziell angenommen und anschließend sein Kabinett aus Experten und Politikern aller großen Parteien im Parlament vorgestellt.

Erst am Donnerstag hatte als letzte große Partei auch die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) in einer Online-Abstimmung mehrheitlich für den Eintritt in das neue Koalitionsbündnis votiert und somit den Weg frei gemacht für eine Regierung der nationalen Einheit. Sie setzt sich aus Experten, Politikveteranen und einer Reihe von Ministern aus der Vorgängerregierung zusammen.

Generaldirektor der italienischen Zentralbank wird Wirtschaftsminister

Das wichtige Amt des Wirtschaftsministers geht an den Generaldirektor der italienischen Zentralbank, Daniele Franco. Der 67-Jährige gilt als einer der größten Experten für das Finanzwesen Italiens. Ein weiterer Experte, der Physiker Roberto Cingolani, steht an der Spitze eines neuen „Super-Ministeriums für den ökologischen Wandel“.

Bei einer Reihe weiterer Posten setzte Draghi auf Kontinuität: Der Fünf-Sterne-Politiker Luigi Di Maio soll weiterhin das Amt des Außenministers bekleiden und Roberto Speranza von der kleinen Linkspartei LEU bleibt inmitten der Corona-Pandemie Italiens Gesundheitsminister. Dem Kabinett gehören zudem Vertreter der rechts-konservativen Lega von Matteo Salvini sowie der Forza Italia von Silvio Berlusconi an. Unter den Ministern finden sich aber keine Parteivorsitzenden.

In der kommenden Woche muss Draghi sich Vertrauensabstimmungen in der Abgeordnetenkammer und im Senat stellen, eine breite Zustimmung gilt als sicher. Laut einer Ipsos-Umfrage für den „Corriere della Sera“ unterstützen auch 62 Prozent der Italiener den 73-Jährigen.

Auf den neuen Regierungschef warten große Herausforderungen: Er muss Lösungen für die Gesundheits- und Wirtschaftskrise im Land finden. Wie viele andere Länder der Europäischen Union ist Italiens Corona-Impfkampagne aufgrund von Lieferschwierigkeiten mit den Vakzinen in Verzug geraten.

„Längerfristig reicht es nicht aus, das Geld einfach nur auszugeben“

Die Wirtschaft ist in der schlimmsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg, 420.000 Menschen haben ihre Arbeit verloren. Allerdings ist sie dies nicht erst seit der Corona-Pandemie. Das Land bekommt nun Corona-Hilfszahlungen der Europäischen Union in Höhe von 220 Milliarden Euro. Die Mitte-links-Koalition von Ex-Ministerpräsident Giuseppe Conte war am Streit um die Verwendung dieser Mittel zerbrochen.

Längerfristig „reicht es nicht aus, das Geld einfach nur auszugeben“, warnt Luigi Scazzieri vom Zentrum für Europäische Reformen, gerichtet an Draghis Politik. Demnach erwartet Brüssel von Rom, „dass die Ausgaben mit seit langem notwendigen Reformen Hand in Hand gehen“.

Draghi: „Ein hoher Schuldenstand wird für lange Zeit unausweichlich sein“

Wohin es mit Draghi gehen könnte ist möglicherweise an Drahis Rede beim Rimini-Treffen aus dem August 2020 abzulesen. Zu dem Treffen „Meeting per l’amicizia fra i popoli“ (Treffen für die Völkerfreundschaft) lädt die einflussreiche katholische Bewegung „Comunione e Liberazione“ (Gemeinschaft und Befreiung). Es ist ein jährlich stattfindendes nationales und globales Brainstorming-Treffen.

Hier warb er für die Rückkehr zu einem Wachstum, „das die Umwelt respektiert und den Menschen nicht erniedrigt“, berichtet die „FAZ“. Nur eine Wirtschaftspolitik, die Einkommenssicherheit auch für die Ärmsten garantiere, könne den dringend notwendigen sozialen Zusammenhalt stärken.

Auch rief er zur Entwicklung neuer Fähigkeiten im Bereich Innovation, Forschung und die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft auf, die er als wesentliche Investitionsziele sah, berichtet die FAZ weiter.

Hier soll er sich dann auch zum britischen Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes (1883 bis 1946) bekannt haben indem er ihn als den „den einflussreichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete.

Zudem stellte Draghi für sich klar, dass „ein hoher Schuldenstand für lange Zeit unausweichlich“ sein werde. Dieser Schuldenzuwachs werde aber durch europäische Institutionen, durch Sparer und die Märkte getragen werden, wenn „Investitionen in menschliches Kapital, in Infrastruktur, in Forschung erfolgen“. (afp/er)



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