Italien: Von der Leyens Äußerung könnte Rechten zusätzliche Stimmen gebracht haben

Der Sieg der Rechten bei der Wahl in Italien wurde durch Äußerungen von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen begünstigt. Diese rudert nun zurück.
Titelbild
Bei einer Kundgebung der italienischen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) im Rahmen des Wahlkampfs für die Parlamentswahlen auf der Piazza Duomo in Mailand, Italien, am 11. September 2022.Foto: PIERO CRUCIATTI/AFP via Getty Images
Von 26. September 2022

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Die Parlamentswahl am Sonntag (25.9.) in Italien hat dem Mitte-rechts-Bündnis einen Erdrutschsieg gebracht. Die Vorsitzende der Fratelli d’Italia (FdI), Giorgia Meloni, wird sich als wahrscheinliche künftige Premierministerin auf solide Mehrheiten in beiden Kammern stützen können. In den Tagen unmittelbar vor der Wahl hatten Äußerungen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch für Irritationen gesorgt.

Fratelli übernehmen die Führung im rechten Bündnis

Mittlerweile sind fast alle Stimmen für Abgeordnetenkammer und Senat ausgezählt – und der Mitte-rechts-Pool aus FdI, Lega, Forza Italia und Moderaten kommt auf 43,8 Prozent beziehungsweise 44 Prozent in den jeweiligen Häusern. Nach aktuellem Stand wird von 116 Mitte-rechts-Sitzen im 200-köpfigen Senat und 233 von 400 in der Abgeordnetenkammer ausgegangen.

Der Auftrag an Giorgia Meloni, die Regierung anzuführen, leitet sich auch aus der Verteilung der Stimmenanteile innerhalb des Centrodestra-Bündnisses selbst ab. Mit mehr als 26 Prozent wurden die aus der postfaschistischen Alleanza Nazionale hervorgegangenen Fratelli mit deutlichem Abstand nicht nur insgesamt stimmenstärkste Kraft. Auch im Bündnis selbst kann die Partei von Meloni damit einen Führungsanspruch behaupten.

Im Jahr 2018 hatten die FdI nur knapp über vier Prozent der Stimmen für beide Kammern auf sich vereinigen können. Demgegenüber büßte die Lega unter Matteo Salvini deutlich an Zuspruch ein und kommt jeweils auf nur noch etwa 8,8 Prozent. Vor vier Jahren waren es noch mehr als 17 Prozent. Auffällig war in diesem Zusammenhang, dass die Lega selbst in ihren angestammten Hochburgen wie der Lombardei oder Piemont hinter die Fratelli zurückfiel.

Die in den 1990er- und 2000er-Jahren auf der Rechten dominante „Forza Italia“ von Silvio Berlusconi verlor ebenfalls im Vergleich zu 2018 – von jeweils um die 14 auf derzeit knapp über acht Prozent. Sein Ziel, innerhalb des Bündnisses vor Salvini zu landen, hat der Medienmogul damit jedoch verfehlt.

Ex-Außenminister Di Maio verliert sein Parlamentsmandat

Im Mitte-links-Bündnis gewinnt die „Demokratische Partei“ nur unwesentlich dazu und stabilisiert sich bei 19 Prozent. Das Bündnis aus Grünen und Linken kommt über 3,6 Prozent nicht hinaus. Die „Mehr Europa“-Liste unter Führung von Emma Bonino bleibt in beiden Kammern unter drei Prozent. Landesweit konnte die Linke lediglich in einigen wenigen Stimmbezirken wie der Toskana, Turin und Einzelbezirken von Mailand und Rom Mehrheiten erzielen.

Die „Fünf Sterne“-Bewegung, die vor vier Jahren noch landesweit stimmenstärkste Kraft war, stürzte auf jeweils um die 15,5 Prozent ab. In Kampanien, Apulien, Teilen von Kalabrien sowie einem Bezirk von Palermo konnte sie Mehrheiten halten. In Neapel blieb der frühere Außenminister Luigi di Maio, der sich mit einer eigenen Liste von „Fünf Sterne“ abgespalten hatte, deutlich hinter deren Kandidaten Sergio Costa.

Er wird künftig nicht mehr dem Parlament angehören. Die deutlich gesunkene Wahlbeteiligung ging vor allem auf Kosten dieser Bewegung, die der Blogger Beppe Grillo Ende der 2000er-Jahre ins Leben gerufen hatte.

Das Mitte-rechts-Bündnis erzielte seine besten Ergebnisse im Norden des Landes. In den früheren Lega-Stammprovinzen oder an der oberen Adria kam Centrodestra zum Teil auf Zweidrittelmehrheiten in einzelnen Stimmbezirken.

Irritationen in Italien über Äußerungen von der Leyens

Offenbar haben die jüngsten Äußerungen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine zusätzliche Mobilisierung der Rechten gesorgt. In Onlineforen – beispielsweise mit Bezug zu beliebten Adria-Ferienorten – hatten diese für wahrnehmbare Irritationen gesorgt. Bereits zuvor hatte die Berichterstattung vor allem deutscher Medien im Vorfeld der Wahl unter vielen Italienern Unmut hervorgerufen. Die Worte der EU-Kommissionspräsidenten dürften eher Trotzreaktionen hervorgerufen als Menschen von der Wahl der Rechten abgehalten zu haben.

Von der Leyen hatte sich bei einer Veranstaltung an der renommierten Princeton-Universität in den USA zu der Frage geäußert, ob sie mit Sorge auf die Wahl in Italien blicke: „Wenn sich die Dinge in eine schwierige Richtung entwickeln, haben wir Instrumente zur Verfügung“, sagte sie. Von vielen Italienern wurde dies als unverhohlene Drohung aufgefasst.

Matteo Salvini sprach auf Twitter von „beschämender Arroganz“ aufseiten der Kommissionspräsidentin. Der Vizevorsitzende von Forza Italia und frühere EU-Kommissar sowie Europaparlamentspräsident, Antonio Tajani, kritisierte von der Leyens Äußerungen als „Einmischung“.

Lediglich auf Rolle als „Hüter der Verträge“ hingewiesen?

Von der Leyen bemüht sich derweil um Schadensbegrenzung. Ein Sprecher der Kommissionspräsidentin wies den Eindruck zurück, diese habe dem Rechtsbündnis drohen wollen. Sie habe in ihrer Rede auf Ungarn und Polen verwiesen. Mit beiden Mitgliedstaaten streitet Brüssel seit Jahren über die Rechtsstaatlichkeit. Zuletzt schlug die Kommission vor, Ungarn 7,5 Milliarden Euro an EU-Fördermitteln zu kürzen.

„Es ist absolut klar, dass sich die Präsidentin nicht in die italienischen Wahlen eingemischt hat“, sagte von der Leyens Sprecher Eric Mamer in Brüssel. Sie habe lediglich auf die Rolle der Kommission als Hüterin der Verträge verwiesen. Dies gelte insbesondere im Bereich der Rechtsstaatlichkeit. Von der Leyen habe zudem ausdrücklich klargestellt, dass die Kommission „mit jeder Regierung zusammenarbeiten wird, die aus den Wahlen hervorgeht und die mit der EU-Kommission zusammenarbeiten will“.

Linke wird Meloni keine 100 Tage Schonfrist geben

Bei den Rechten tragen diese Erläuterungen kaum zur Vertrauensbildung bei. Immerhin sieht man dort jetzt schon die behaupteten Rechtsstaatsbedenken als bloßen Vorwand für den Versuch, die missliebige Regierung zu stürzen.

Michał Wójcik, früherer stellvertretender Justizminister in Polen, erklärte auf Twitter:

Die Vertreterin der antidemokratischen Kräfte in der EU, Ursula von der Leyen, hat eine katastrophale Niederlage erlitten. Die Rechte hat die Wahl in Italien gewonnen! Dies ist das Ende der Abnormalität in der EU und der Herrschaft der Manipulatoren in der Europäischen Kommission.“

Ruben Pulido, ein politischer Analyst und Kolumnist für „La Gaceta de la Iberosfera“, wird im „European Conservative“ zum Wahlergebnis zitiert. Er rechnet nicht damit, dass die Linke in Italien und auf EU-Ebene das siegreiche Bündnis ungestört sein Programm durchsetzen lassen wird:

Es wird zweifelsohne einen politischen Wandel geben. Allerdings wird es für die neue Regierung zweifellos auch sehr schwierig sein, eine Politik gegen die Geschehnisse in Süditalien zu entwickeln. Ich beziehe mich auf den unaufhörlichen Zustrom illegaler Einwanderer, der inzwischen fast doppelt so hoch ist wie im letzten Jahr. Sowohl die linken Parteien als auch die humanitären Organisationen wissen bereits, dass ihre Aktionen ungestraft bleiben. Sie wissen, dass sie sogar einen Innenminister vor Gericht bringen können. Sie werden nicht zögern, jede Rechtssprechung für ihre Interessen zu nutzen. Ich hoffe, dass ich mich irre, aber ich denke, wer auch immer regiert, wird einen harten Herbst erleben.“

(Mit Material der dpa)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion