Italien: Patt bei Regionalwahlen – Rechter Erdrutschsieg in Venezien, Linke kann Toskana halten
Am Montag (21.9.) fanden in sieben Regionen Italiens Regionalwahlen statt. Dazu kamen Kommunalwahlen in einzelnen Gemeinden des Piemont, der Lombardei und Latiums sowie ein landesweites Verfassungsreferendum.
Der Chef der rechtsgerichteten Lega, Matteo Salvini, hoffte auf einen Sieg, der so überzeugend ausfallen würde, dass in weiterer Folge das Zweckbündnis zwischen Sozialisten und linkspopulistischer „Fünf Sterne“-Bewegung, das seit einem Jahr in Rom regiert, zerbrechen würde. Bereits zuvor hatte das von ihm geführte Bündnis den Linksparteien mehrere Regionen abnehmen können – alleine neun Regionen waren in den vergangenen Jahren nach rechts gekippt.
Verfassungsreferendum als Trostpflaster für Fünf Sterne
Dieses Ziel hat das Rechtsbündnis verfehlt. Zwar gelang es, in der Region Marken mit dem Kandidaten der „Fratelli d’Italia“, Francesco Acquaroli, erstmals seit 25 Jahren die Rechte ans Ruder zu bringen.
Die Linke konnte allerdings ihre historische Hochburg Toskana sowie ihre Mehrheiten in Kampanien und Apulien halten. Dies wird das Kabinett in Rom unter Premierminister Giuseppe Conte so weit stabilisieren, dass mit einem vorzeitigen Auseinanderbrechen zumindest nach derzeitigem Stand nicht zu rechnen ist.
Auch die „Fünf Sterne“, die nur noch in Kampanien und Apulien noch annähernd zehn Prozent der Stimmen erzielen konnten, hatten am Wahltag ihr Trostpflaster: Das von der Bewegung initiierte Verfassungsreferendum, das unter anderem auf eine Verringerung der zu vergebenden Parlamentssitze um ein Drittel abzielt, wurde mit einer deutlichen Mehrheit von fast 70 Prozent angenommen.
Rechte kommt auf fast 77 Prozent in Venezien
Die Stimmen im Aostatal, wo ein eigenes Parteiensystem herrscht, aber wo die Rechte regelmäßig über eine Mehrheit verfügt, sind noch nicht ausgezählt. Das erfreulichste Ergebnis aus ihrer Sicht dürfte jedoch der Erdrutschsieg sein, den das Bündnis für den Regionalpräsidenten Luca Zaia in Venezien erzielen konnte.
Insgesamt konnten Zaias Namensliste, die Lega, die Fratelli, Forza Italia und eine Autonomieliste zusammen 76,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Fast 45 Prozent davon entfielen auf die Liste „Zaia Presidente“. In einzelnen Gemeinden wie den Adria-Touristenhochburgen San Michele al Tagliamento (Bibione), Caorle und Jesolo, wo der Unmut über die Corona-Maßnahmen der Regierung in Rom besonders stark ausgeprägt war, kam der Rechtsblock sogar auf bis zu 87 Prozent.
In Ligurien konnte sich das Rechtsbündnis mit 56 Prozent eine klare Mehrheit sichern. Auch hier trug eine eigene Namensliste des Regionalpräsidenten Giovanni Toti mit 22,6 Prozent den Löwenanteil zum rechten Erfolg bei. Tendenziell war das Ergebnis des Bündnisses auch hier in den stark vom Tourismus gekennzeichneten Küstengebieten sowie in kleineren Gemeinden überdurchschnittlich hoch, während in den größeren Städten die Linke ihre verhältnismäßig besten Ergebnisse verzeichnete. „Fünf Sterne“ hatte dort als Teil des Linksbündnisses kandidiert.
Fratelli bei Regionalwahlen in Marken erfolgreich
In Marken kommt der Rechtskandidat Francesco Acquaroli auf etwas über 49 Prozent. Damit ist er nach Marco Marsilio, dem Regionalpräsidenten der Abruzzen, der zweite Provinzchef, den die rechtskonservativen Fratelli stellen. Die Partei war aus der postfaschistischen Alleanza Nazionale hervorgegangen, die wiederum ihre Wurzeln im neofaschistischen MSI hatte.
In den frühen 1990er Jahren wandelte deren damaliger Vorsitzender und spätere Außenminister Gianfranco Fini diesen in eine rechtskonservative Partei ohne Bezug zum historischen Faschismus um. Es war in Europa das erste Beispiel für die Umwandlung einer Partei der alten Rechten in eine Kraft der rechten Mitte nach Ende des Kalten Krieges. Der von den Traditionalisten beibehaltene Movimento Sociale Fiamma Tricolore trat am Montag nur in Apulien an und kam lediglich auf 0,14 Prozent.
In Kampanien konnte die Linke ihren größten Erfolg verbuchen: Deren Kandidat und Amtsinhaber Vincenzo de Luca wurde von einem Bündnis aus 15 Parteien der Linken und des Zentrums unterstützt und kam auf knapp 70 Prozent. Die Rechte kam hier nur auf 18 Prozent, „Fünf Sterne“ auf zehn. In Avellino kam das Bündnis für De Luca gar auf fast 77 Prozent.
Hoffnung auf Corona-Hilfsgelder half Linken in Toskana, Kampanien und Apulien
De Luca profitierte dabei vor allem davon, dass die Bevölkerung in Kampanien das Krisenmanagement des Regionalpräsidenten in der Corona-Krise als positiv bewertete. Die im Süden des Landes angesiedelte Region ist bereits auf innerstaatlicher Ebene auf Transferleistungen angewiesen.
Ebenso wie das benachbarte Apulien, wo ein 15-Parteien-Bündnis aus zentristischen, linken und linksextremen Kräften insgesamt 46,7 Prozent für Michele Emiliano sichern konnte, setzt Kampanien große Hoffnungen in das 290-Milliarden-Euro-Paket zum Wiederaufbau der italienischen Wirtschaft, das der „European Recovery Fund“ für Italien in Aussicht gestellt hat.
Die Großstädte und die dazugehörigen linken Speckgürtel gaben in der Toskana den Ausschlag für die Mehrheit für den Linkskandidaten Eugenio Giani, dem ein Bündnis aus sechs Parteien zu insgesamt 48,6 Prozent verhalf. Die Kandidatin der Rechten, Susanna Ceccardi, konnte mit 40,5 Prozent eines der besten Ergebnisse verbuchen, die bürgerliche Parteien in der Region im Laufe der Geschichte erzielen konnten.
Das von Lega-Chef Matteo Salvini gesteckte Ziel, der Linken die Region abzunehmen, konnte dieser jedoch nicht erreichen. Zu den besten Ergebnissen für die Rechte zählten Resultate von 54 bzw. 67 Prozent in den Gemeinden der Insel Elba und zum Teil deutliche Mehrheiten in den Bezirken Grosseto und Lucca.
Machtkampf im rechten Lager möglich
Perspektivisch steht die Rechte angesichts der Stabilisierungswirkung, die von den Wahlen hinsichtlich der Koalition in Rom ausgehen dürfte, vor der Herausforderung, ihre Strategie mit Blick auf die Parlamentswahlen auszurichten, die regulär 2023 wieder stattfinden sollen. Ein Problem könnte dabei die Frage des Führungsanspruchs werden.
Die Taktik Salvinis, ein vorzeitiges Ende der Koalition in Rom mit der Brechstange erzwingen zu wollen, hat sich nicht als erfolgreich erwiesen. Fratelli-Chefin Giorgia Meloni, die auf eine Langfriststrategie zur Erlangung einer rechten Mehrheit setzt, sieht sich gestärkt und könnte künftig selbst den Führungsanspruch innerhalb des konservativen Bündnisses erheben.
Die Linkskoalition in Rom wird hingegen auf Europa setzen und sich damit noch stärker als bisher vom Wohlwollen aus Brüssel abhängig machen. Davon erhofft man sich finanzielle Freiräume mit Blick auf Corona-Hilfsgelder.
Andererseits könnten sich zwischen Brüssel und Rom schon bald Sollbruchstellen auftun, sollte die Kommission unter Ursula von der Leyen tatsächlich darauf beharren, ihr Projekt des „Green New Deal“ ungeachtet der wirtschaftlichen Verwerfung infolge der Corona-Krise durchzuziehen.
Grüne Parteien bleiben in Italien ohne Bedeutung
Auffällig war nämlich, dass explizit grüne Parteien bei den Wahlen in Italien auch dort keine Rolle spielten, wo die Linke insgesamt vorn lag. In der Toskana traten zwei grüne Parteien im Rahmen des Linksbündnisses an und kamen nicht über 2,9 bzw. 1,6 Prozent der Stimmen hinaus.
Auch in keiner anderen Region konnte eine grüne Partei auch nur zwei Prozent auf sich vereinen. Dies legt den Schluss nahe, dass die Linkswähler in Italien zwar darauf vertrauen, dass die Sozialisten in Rom im Zusammenspiel mit Brüssel die wirtschaftlichen schwachen Regionen mit Transfermilliarden stabilisieren werden.
Eine Zustimmung zu Experimenten in Richtung eines „ökologischen Umbaus“ ist damit jedoch nicht automatisch verbunden.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion