Israels Armee übernimmt Philadelphi-Korridor an der Grenze zu Ägypten
Israels Armee hat im Gazastreifen nach eigenen Angaben die Kontrolle über den gesamten Abschnitt an der Grenze zu Ägypten übernommen und damit ein wichtiges Ziel ihrer Rafah-Offensive erreicht. Die islamistische Hamas habe den als Philadelphi-Korridor bekannten Bereich für den Schmuggel von Waffen genutzt, sagte Armeesprecher Daniel Hagari.
In dem etwa 14 Kilometer langen Abschnitt gebe es rund 20 Tunnel, die nach Ägypten führen. Einige der Tunnel seien Israel und Ägypten bereits zuvor bekannt gewesen, andere seien erst jetzt entdeckt worden, zitierte das „Wall Street Journal“ einen israelischen Militärbeamten.
Ägypten ließ früher derartige Tunnel fluten
Der jüngste Vorstoß der israelischen Armee könnte der Zeitung zufolge neue Spannungen zwischen Israel und Ägypten auslösen. Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender „Al-Kahira News“ berichtete unter Berufung auf eine ranghohe Quelle, die Berichte über die Tunnel an der ägyptischen Grenze seien nicht wahr.
Ägypten ließ in der Vergangenheit allerdings bereits selbst Tunnel fluten, da durch sie auch Waffen aus dem Gazastreifen zu Extremisten in den Nord-Sinai gelangt sein sollen.
Während der israelische Militärbeamte dem „Wall Street Journal“ sagte, Israel habe Ägypten über die nun entdeckten grenzüberschreitenden Tunnel informiert, wies ein ranghoher ägyptischer Beamte dies gegenüber der US-Zeitung zurück. Israel benutze diese Behauptungen, „um die Fortsetzung der Rafah-Operation zu rechtfertigen“.
82 Tunnelschächte und 1,5 Kilometer Tunnelsystem entdeckt
Im Großteil des Philadelphi-Korridors seien jetzt israelische Truppen stationiert, berichteten israelische Medien unter Berufung auf die Armee. Insgesamt sollen sich demnach 82 Tunnelschächte in der Gegend befinden.
Israels Armee zerstörte unterdessen nach eigener Darstellung nahe Rafah ein anderthalb Kilometer langes Tunnelsystem der Hamas. Der Eingang habe sich rund 100 Meter vom Grenzübergang zu Ägypten befunden und zu einer verzweigten unterirdischen Route geführt, teilte Hagari weiter mit.
Die Hamas habe das Tunnelsystem genutzt, um Soldaten anzugreifen und Waffen zu transportieren. In den Gängen in unterschiedlicher Tiefe habe man Raketen, Sprengsätze und weitere Waffen gefunden sowie mehrere Räume und Badezimmer.
„Die Hamas ist in Rafah“, sagte Hagari. Sie halte dort auch Geiseln fest. Daher werde man weiter in der Stadt vorrücken.
Was ist der Philadelphi-Korridor?
Die festungsähnliche Sicherheitszone, die Israel nun eingenommen hat, verläuft zwischen der ägyptischen Grenze und dem von Israel besetzten Gazastreifen. Sie diente ursprünglich als gesicherter Patrouillenweg.
Auf der Gaza-Seite bestand er aus einer mehrere Meter hohen Stahlmauer mit Beobachtungsposten und einer Fahrstraße dazwischen. Sein Hauptzweck war die Verhinderung des Schmuggels von Waffen, Munition etc. zwischen Ägypten und dem Gazastreifen.
Die Oslo-Abkommen gaben Israel das Recht zur militärischen Kontrolle des Korridors. Vor dem Rückzug Israels 2005 gab es Überlegungen, die Kontrolle an Ägypten zu übergeben. Israel wollte jedoch die Möglichkeit behalten, im Gazastreifen eingreifen zu können, um eine Wiederbewaffnung der Hamas zu verhindern.
USA: Israels Armee geht weiterhin gezielt und begrenzt vor
Die israelischen Streitkräfte hatten sich in Rafah bislang weitgehend darauf konzentriert, das Grenzgebiet zu Ägypten unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Gegend ist nicht so dicht besiedelt wie andere Teile Rafahs.
„Ich kann nicht bestätigen, ob sie den (Philadelphi-)Korridor eingenommen haben oder nicht, aber ich kann Ihnen sagen, dass ihre Bewegungen entlang des Korridors für uns nicht überraschend kamen und im Einklang mit ihrem Plan standen, die Hamas gezielt und begrenzt zu bekämpfen“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby.
Tunnel und Raketenwerfer
Israels Militär sei nun entlang dieses Gebiets nicht nur auf Tunnel, sondern auch auf Dutzende Raketenwerfer der Hamas gestoßen, teilte Hagari weiter mit. Erst vor wenigen Tagen waren nach Angaben des israelischen Militärs mehrere Raketen aus Rafah auf die israelische Küstenmetropole Tel Aviv abgefeuert worden.
Der Krieg wird nach Einschätzung von Israels Nationalem Sicherheitsberater mindestens bis Ende des Jahres andauern. „Auch in diesem Jahr erwarten uns noch mindestens sieben Monate der Kämpfe“, sagte Tzachi Hanegbi am Mittwoch dem israelischen Sender Kan.
Israels Armee hatte den Philadelphi-Korridor zuletzt im Jahr 2005 kontrolliert, bevor sie aus dem Gazastreifen abzog. Auf palästinensischer Seite übte dort zuletzt die Hamas die Kontrolle aus, die 2007 die Macht in Gaza übernahm.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte im März, der Korridor müsse auch nach dem Krieg wieder von Israel kontrolliert werden. Nur so könne man eine Entmilitarisierung des Gazastreifens gewährleisten.
Ägypten sieht Palästinenser als existenzielle Bedrohung an
Wie Israel sehen auch die arabischen Regierungen den Gazastreifen und die Palästinenser als existenzielle Bedrohung an. Arabische Regierungen versuchen, die Palästinenser in den an Israel angrenzenden Gebieten einzudämmen, damit sie Israels Problem bleiben.
Im Falle eines größeren Ansturms von Palästinensern aus Gaza würde Ägypten versuchen, die Zahl der Flüchtlinge im Idealfall auf etwa 50.000 bis 60.000 zu begrenzen. Das Land baut einem Medienbericht zufolge in der Wüste ein massives Auffanglager, umzäunt von hohen Betonmauern.
In dem nahe der Grenze zum Gazastreifen in der ägyptischen Wüste Sinai gelegenen Lager könnten mehr als 100.000 Menschen in Zelten untergebracht werden, berichtete im Februar das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf ägyptische Beamte und Sicherheitsanalysten.
Das geplante Lager sei weit von ägyptischen Siedlungen entfernt gelegen, hieß es. Eine große Anzahl von Zelten sei bereits dorthin gebracht worden, bislang aber nicht aufgebaut, zitierte die Zeitung ägyptische Beamte.
Ägypten riegelte seine Grenze nach der Machtübernahme durch die Hamas im Jahr 2007 ab. Um den Transport von Waffen und Terroristen über Tunnel zwischen Ägypten und Gaza zu unterbinden, schuf es eine kilometerbreite Pufferzone, indem es die Sinai-Stadt Rafah auf der ägyptischen Seite der Grenze zerstörte, wodurch etwa 70.000 Menschen vertrieben wurden.
Außerdem flutete Ägypten die Tunnel und errichtete eine sechs Meter hohe Stahlbetonmauer, die bis zu fünf Meter unter die Erde reicht. (dpa/red)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion