Israelischer Ex-Premierminister: „Im letzten Jahr war man einem Waffenstillstand näher als heute“

Der israelische Ex-Premierminister Naftali Bennet berichtet, dass ein Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland im März letzten Jahres erheblich näher war als heute. Auf die Nachfrage, ob der Westen den möglichen Waffenstillstand blockiert hätte, antwortet Bennett: „Grundsätzlich ja.“
Dieses Bild zeigt Unterhändler der Ukraine und Russlands vor Gesprächen nahe der polnisch-belarussischen Grenze am 03.03.2022. Für Montag sind weitere Verhandlungen angekündigt worden.
Elf Monate ist es her, dass Verhandlungen zwischen ukrainischen und russischen Vertretern in Istanbul stattfanden.Foto: Maxim Guchek/BelTA/AP/dpa
Von 20. Februar 2023

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Seit gut einem Jahr tobt der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Während auf der politischen Ebene immer wieder über Waffenlieferungen gesprochen wird, wünscht sich eine Mehrheit der Bürger eine diplomatische Lösung am Verhandlungstisch. Das ergab eine gerade erst veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA. Demnach sprachen sich 53 Prozent der Befragten für eine Lösung am Verhandlungstisch aus.

In der vergangenen Woche veröffentlichten die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und „Emma“-Gründerin Alice Schwarzer ein „Manifest für den Frieden“.  Zusammen mit 69 prominenten Persönlichkeiten positionieren sich beide Frauen klar gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für baldige Friedensverhandlungen.

Letztes Treffen Russland und Ukraine vor elf Monaten

Das letzte Treffen der Delegationen Russlands und der Ukraine liegen elf Monate zurück. Es fand Ende März in Istanbul statt. Nach diesem Treffen hat es keine direkten Verhandlungen mehr gegeben. Diese brachen ab, nachdem im ukrainischen Butscha schwere Kriegsverbrechen entdeckt worden waren.

Die Ukraine und westliche Länder beschuldigten Russland, Kriegsverbrechen in der Ukraine zu begehen. Russlands Präsident Wladimir Putin warf Kiew als Reaktion „plumpe und zynische Provokationen“ vor. Das Außenministerium beschuldigte die Ukraine, die Zivilisten selbst getötet oder die Leichen dorthin gelegt zu haben. Seitdem haben sich die Fronten zwischen beiden Ländern immer mehr verhärtet.

Russland mit Verhandlungsbereitschaft

Russlands Präsident Putin hatte bereits mehrmals Verhandlungen ins Gespräch gebracht, zuletzt im Dezember auf einer Pressekonferenz in Jekaterinburg. Putin deutete damals eine Verhandlungsbereitschaft unter bestimmten Bedingungen an. „Alle bewaffneten Konflikte enden mit Verhandlungen, und Russland hat sich nie gedrückt, im Gegensatz zur Ukraine“, sagte Putin. Die ukrainische Führung habe sich selbst von Gesprächen ausgeschlossen. „Je schneller in Kiew die Erkenntnis einkehrt, dass Gespräche notwendig sind, umso besser.“

Die ukrainische Seite hat bisher mehrmals betont, dass sie einen vollständigen Abzug der russischen Truppen von ihrem Territorium fordert, bevor sie zu Gesprächen bereit ist. Schon im September hat der ukrainische Präsident Selenskyj per Dekret eine direkte Verhandlung mit Kremlchef Putin verboten. Darüber hatte damals unter anderem der Fernsehsender „ntv“ berichtet.

Westen fehlt es an „Offenheit für Friedensinitiativen“

Russland wirft dem Westen schon seit einiger Zeit vor, dass diesem der Verhandlungswille fehle. Diesen Vorwurf wiederholte Kremlsprecher Dmitri Peskow am letzten Sonntag in einem TV-Interview, wie die Nachrichtenagentur „dpa“ berichtet. Die Agentur bezieht sich dabei auf die russische Nachrichtenagentur „Tass“. Dem Westen fehle es an Offenheit für Friedensinitiativen, sagte der Kremlsprecher. Aus diesem Grund werde er wohl auch kein Treffen von Russlands Präsident Wladimir Putin mit US-Präsident Joe Biden befürworten.

Der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko hat mehrfach schon ein Treffen der Präsidenten Russlands und der USA angeregt. Als Ort schlug er die belarussische Hauptstadt Minsk vor, wo 2015 unter deutsch-französischer Vermittlung ein inzwischen längst gescheiterter Friedensplan ausgehandelt worden war.

An diesem Dienstag will Putin in Moskau eine Rede an die Nation halten. Der Kremlchef werde über die „Militäroperation“ und deren Auswirkungen sprechen, kündigte Peskow an. Der Begriff Krieg wird in Russland nach wie vor vermieden. US-Präsident Biden wird am selben Tag zu einer Rede in Polens Hauptstadt Warschau erwartet, einem Nachbarland der Ukraine.

Beide Seiten zu Zugeständnissen bewegen

Die Positionen sind festgefahren. Der Schlüssel für den Frieden scheint beim Westen zu liegen. Zumindest ist es das, was aus Moskau immer wieder zu hören zu ist. Diese Erzählung scheint zumindest nicht ganz von der Hand zu weisen sein. Einer, der vor einem Jahr ganz nahe sowohl an Selenskyj als auch an Putin dran gewesen ist, berichtete gerade erst darüber, dass man im März letzten Jahres dem Frieden sehr viel näher gewesen sei als heute. Israels Ex-Premierminister Naftali Bennet berichtet in einem fast fünfstündigen Interview mit dem israelischen Journalisten Hanoch Daum über seine Bemühungen, Russland und die Ukraine zu Verhandlungen zu überzeugen. Kaum jemand habe damals so ein Vertrauensverhältnis auf beiden Seiten gehabt wie Bennet, der bis zum Juni 2022 israelischer Premierminister war.

Der ukrainische Präsident Selenskyj habe Anfang März bei Bennet angerufen und ihn gebeten, Kontakt zu Putin aufzunehmen. Selenskyj war damals in Bedrängnis gekommen, da Putin verkündet hatte, ihn töten zu wollen. Bennet habe dann bei Putin angerufen und versucht, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln. Dem israelischen Premier sei es darum gegangen, beide Seiten zu Zugeständnissen zu bewegen, um so den Weg für Waffenstillstandsverhandlungen frei zu machen. Das sei damals sowohl mit US-Präsident Joe Biden als auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz koordiniert gewesen.

Bennet konnte derzeit bei Putin „zwei große Zugeständnisse“ aushandeln. Zum einen soll der russische Präsident versprochen haben, auf die „Denazifizierung“ der Ukraine zu verzichten und auch darauf, Selenskyj zu töten. Zum anderen sei Putin bereit gewesen, auf eine vollständige Entmilitarisierung der Ukraine zu verzichten. Selenskyj wiederum habe Bennett zugesichert, auf einen NATO-Beitritt zu verzichten.

Bei den territorialen Fragen hätte der israelische Premier im letzten Jahr keine Klärung herbeiführen können. „Die komplizierteste Sache war die territoriale Frage – der Donbass, die Krim, der Korridor in Mariupol“, sagt Bennett. Hinzu käme, dass die Ukraine auf Sicherheitsgarantien von den USA und weiteren westlichen Staaten gepocht habe – im Fall eines russischen Verstoßes gegen die Waffenruhe. Für Russland wären solche Sicherheitsgarantien jedoch nichts anderes gewesen als ein Pakt mit der NATO. Zudem habe Bennett zu Selenskyj gesagt, dass die USA keine Garantien geben würden, Soldaten in die Ukraine zu entsenden, sollte Russland doch angreifen.

Waffenstillstandschancen damals bei 50 Prozent

Anstatt Sicherheitsgarantien hätte Naftali Bennet dem ukrainischen Präsidenten vorgeschlagen, sich auf den Aufbau einer starken, unabhängigen Armee zu konzentrieren. Daraufhin soll es einen „kognitiven Durchbruch“ der Verhandlungen gegeben haben. Bennet selbst sah damals die Waffenstillstandschancen zwischen der Ukraine und Russland bei etwa 50 Prozent.

Schwierig sei damals gewesen, dass der Westen sich nicht einig über den Umgang mit Putin gewesen sei. Während Bundeskanzler Scholz und der französische Präsident Macron „mehr pragmatisch“ gewesen seien und auf einen Waffenstillstand gedrängt hätten, sei der damalige großbritannische Premier Boris Johnson für einen harten Kurs gegen Putin gewesen. Biden habe damals beide Positionen vertreten. Am Ende habe sich der harte Kurs gegen Putin durchgesetzt. Auf die Nachfrage des Journalisten, ob der Westen den möglichen Waffenstillstand blockiert hätte, antwortet Bennett: „Grundsätzlich ja.“

„Ich kann nicht sagen, dass sie falschlagen“, sagt Bennett. Es sei noch zu früh, um diese Entscheidung abschließend zu bewerten. Aus seiner Sicht gab es sowohl negative Auswirkungen als auch positive. So sei der Krieg weitergegangen, was unter anderem negative Auswirkungen auf die globale Getreideversorgung und die Energiekosten gehabt habe. Andererseits habe Biden eine Allianz gegen einen Aggressor geformt und damit auch ein Zeichen gesetzt mit Blick auf andere Spannungen wie zwischen China und Taiwan.

Unterstützt China Russland demnächst mit Waffen?

China und Russland könnten nun noch enger zusammenrücken. Zumindest legen das Äußerungen von US-Außenminister Antony Blinken am Sonntag im US-Fernsehen nahe. Darüber hatte unter anderem das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ berichtet. Am Wochenende hatte Blinken am Rande der Sicherheitskonferenz in München Chinas obersten Außenpolitiker Wang Yi getroffen. Nach Angaben der USA erwäge China, Waffen und Munition nach Russland zu liefern. Welche konkreten Hinweise dieser Erkenntnis zugrunde liegen, sagte Blinken nicht. Er habe Yi klargemacht, dass derartige Unterstützung ein ernsthaftes Problem für die Beziehungen zwischen den USA und China darstellten.

China hat die Darstellung der USA inzwischen zurückgewiesen. Washington verbreite „Falschinformationen“, sagte der chinesische Außenamtssprecher Wang Wenbin nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP. Es seien „die USA und nicht China, die ständig Waffen auf das Schlachtfeld schicken“. China bemühe sich im Ukraine-Konflikt darum, „den Frieden zu fördern und den Dialog zu unterstützen“, sagte Wang.

Während US-Präsident Joe Biden am Montag überraschend Kiew besuchte und dort zusätzliche Waffenlieferungen an die Ukraine zusagte, ist Wang Yi zu Gesprächen über einen möglichen Friedensplan nach Moskau gereist. Der Hauptzweck seines Besuchs bestehe darin, die Rolle Chinas bei der Beilegung des Ukraine-Konflikts zu stärken, schrieb die russische Zeitung „Kommersant“. Der Kreml bestätigte, dass Wang auf dem Weg nach Moskau sei. Es gebe „viel zu besprechen“.



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