Israelische Militäranalystin: Für Israel ist jetzt die Zeit anzugreifen, nicht für einen Waffenstillstand

Der Krieg, den Israel im Norden des Libanon gegen die Hisbollah führt, wird den Streitkräften einiges abverlangen, erklärt die israelische Militäranalystin Sarit Zahavi. Die Organisation ist die stärkste Kraft im Libanon und betreibt dort einen Schattenstaat. Von einem Waffenstillstand, den die internationale Gemeinschaft fordert, hält Zahavi nichts.
Israel greift immer wieder Hisbollah-Stellungen in Beirut an.
Israel greift immer wieder Hisbollah-Stellungen in der libanesischen Hauptstadt Beirut an.Foto: Bilal Hussein/AP/dpa
Von 3. Oktober 2024

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Es war nicht der Libanon, der im vergangenen Jahr mehr als 9.300 Raketen auf Israel abgefeuert hat. Das war die Hisbollah, die am 8. Oktober 2023 zur Unterstützung der Hamas-Invasion und des Massakers an Israelis am Vortag in den Krieg zog.

Die Hisbollah agiere wie ein Staat innerhalb des libanesischen Staates. Ihr Militär sei in mancher Hinsicht paramilitärisch, in anderen jedoch wie eine konventionelle Armee, beschreibt der amerikanische Geheimdienst CIA die Situation.

Israels weitverbreitete Angriffe mögen zwar einige Libanesen dazu bringen, sich gegen die Hisbollah zu wenden, doch gehörten dazu nicht ihre Basis, die muslimischen Schiiten, erklärte die israelische Militäranalystin Sarit Zahavi gegenüber der amerikanischen Epoch Times.

Sie ist eine ehemalige Offizierin des militärischen Nachrichtendienstes der IDF, deren Alma Security Institute sich auf die Nordgrenze spezialisiert hat.

Die Hisbollah kontrolliert Teile des Landes, in denen Schiiten vorherrschen. Dazu gehören das Bekaa-Tal im Nordosten, Teile des Großraums Beirut und der Südlibanon entlang der Grenze zu Israel.

Viele der dort lebenden Schiiten sind erst seit relativ kurzer Zeit im Land, erklärt Zahavi. Sie seien der Ersatz für die von der Hisbollah vertriebenen Christen, die Israel zu seinen Verbündeten zähle. „In diesen Gebieten hat die Hisbollah nach wie vor alles fest im Griff“, sagte die ehemalige Offizierin.

Laut Zahavi stelle die Hisbollah dort seit Jahren Lebensmittel, Gesundheitsversorgung und Bildung bereit. „Sie sind die Regierung in den Teilen des Libanon, die sie kontrollieren, natürlich nicht offiziell“, fährt sie fort. Die Menschen seien im Laufe der Jahre von ihnen abhängig geworden.

Im Parlament und auf bürokratischen Posten vertreten

Als „Gegenleistung“ indoktriniere die Hisbollah Jugendliche und rekrutiere Menschen, in deren Häusern sie Raketen versteckten. Das sei bei den Angriffen Israels in den vergangenen Tagen deutlich geworden. Videos zeigten sekundäre Explosionen in vielen Häusern, da die darin gelagerten Waffen überhitzten und detonierten.

„Die Hisbollah ist im libanesischen Parlament und in der Bundesbürokratie gut vertreten“, berichtet Zahavi. So sei der Minister für öffentliche Arbeiten mit der Hisbollah verbündet. Sein Ministerium kontrolliere die libanesischen Flughäfen sowie die Grenze zu Syrien und infolgedessen die Ein- und Ausreisenden. Über die Grenze würden Waffen ins Land geschmuggelt. Der Minister unterstütze dies, anstatt dem einen Riegel vorzuschieben, kritisiert Sarit Zahavi.

Die Hisbollah gründete sich laut CIA 1982 als Reaktion auf den israelischen Einmarsch im Libanon im selben Jahr. Ihre Mitglieder seien Anhänger des iranischen Ajatollah Chomeini (1902–1989) und folgten nun seinem Nachfolger Ayatollah Ali Chamenei. Zudem hätten sie enge Verbindungen zum Assad-Regime in Syrien.

Zunächst hätten sie den Südlibanon von den israelischen Besatzern befreien wollen. Die Besetzung endete im Jahr 2000. Inzwischen sei es das Ziel der Hisbollah, den jüdischen Staat zu zerstören.

Ihre Kämpfer hätten während der militärischen Auseinandersetzungen in Syrien viel Erfahrung gesammelt, so Zahavi. „Das macht sie zu einem ernst zu nehmenden Gegner für die IDF – mehr als es die Hamas in Gaza war.“ Denn sie seien besser bewaffnet und ausgebildet sowie erfahrener als die Hamas. Das hügelige Gelände im Libanon nennt Sarat Zahavi eine Herausforderung für Israel.

Bis zu 100.000 Kämpfer?

Bei der Zahl der kampfbereiten Mitglieder gehen die Schätzungen weit auseinander. Während der CIA von 7.000 bis 12.000 ausgeht, nennen anonyme Quellen eine Stärke von 100.000 Kämpfern, so Zahavi. „Das ist kein Spaziergang und die Israelis wissen das“, sagte die ehemalige israelische Offizierin.

Nach den Pager-Angriffen der vergangenen Wochen seien viele Libanesen geflüchtet. Die Straßen in Richtung Norden seien überfüllt gewesen, berichtet sie in einem Videointerview mit Epoch Times vom 26. September 2024. Zahavi sagte, dass den ganzen Tag Sirenen ertönten und Raketen auf das Gebiet abgefeuert wurden, in dem sie sich aufhielt.

Eine Verbesserung für die IDF im Vergleich zum Gaza-Krieg sei die größere Fläche des Libanon und die größere Menge an offenem Raum. Auf die Frage, ob sie Angst gehabt habe, antwortete sie: „Beängstigend ist die Haltung der internationalen Gemeinschaft.“ Zahavi bezog sich dabei auf ein Schreiben der internationalen Gemeinschaft vom 25. September, in dem ein Waffenstillstand von 21 Tagen gefordert wird. Unterzeichner sind neben den USA und der Europäischen Union, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Japan und führende europäische Nationen wie Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien.

Das ist es, was uns Angst macht. Wir sind seit einem Jahr unter Beschuss, aber sobald wir uns verteidigen, wollen sie einen Waffenstillstand, ohne etwas für unsere Sicherheit zu versprechen. Sie erwähnen die Hisbollah nicht.“

Die Hisbollah habe ihre Luftangriffe in den vergangenen Wochen ausgeweitet. Ab dem 7. Oktober sind 60.000 Israelis aufgefordert, die Grenzgemeinden zu evakuieren. Zum Teil, weil die Hisbollah ähnliche Angriffe auf israelische Zivilisten geplant habe, aber auch aus Angst vor ihrem Raketenbeschuss. Die Hisbollah verfüge über schätzungsweise 150.000 Geschosse. Zehntausende habe Israel jedoch bereits zerstört. Doch der jüngste Einsatz mit Raketen größerer Reichweite gefährde nun etwa 1,5 Millionen Israelis.

Hisbollah könnte sich während Waffenruhe neu formieren

Zahavi, die gewohnt ist, die Grenzsituation pragmatisch zu betrachten und die früher zur Vorsicht in der Frage eines Einmarsches in den Libanon zur Bekämpfung der Hisbollah aufgerufen hat, räumte ein, dass ihre eigenen Ansichten härter und kämpferischer geworden sind. Sie sei ermutigt durch die israelischen Erfolge der vergangenen Wochen. Sie nannte die Angriffe auf Pager und Funkgeräte, die Ausschaltung von Hisbollah-Führern wie Fuad Schukr und Ibrahim Aqil, die Luftangriffe auf Häuser, in denen Waffen gelagert wurden, und Ähnliches.

Für Israel sei es jetzt die Zeit, die Hisbollah anzugreifen, und nicht für einen 21-tägigen Waffenstillstand, so Zahavi. Würde Israel den akzeptieren, hätte die Hisbollah drei Wochen Zeit, sich neu zu formieren. Auch wäre die Wahrscheinlichkeit, dass die Hisbollah Zugeständnisse macht, geringer. Daher habe Israels Premierminister Benjamin Netanjahu den Vorschlag umgehend abgelehnt.

„Würden wir einer Waffenruhe zustimmen, wird es zu keiner realistischen Vereinbarung kommen“, glaubt die ehemalige Offizierin.

Nachdem sie von dem Brief erfahren hatte, in dem die internationale Gemeinschaft den Waffenstillstand forderte, sagte Zahavi:

Ich fühlte mich von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen. Es sind unsere Soldaten, unsere Söhne, unsere Väter, unsere Ehemänner. Sollen sie ihr Leben für einen Waffenstillstand von 21 Tagen opfern? Das ergibt keinen Sinn.“

Israel muss Hisbollah an den Verhandlungstisch zwingen

Israel müsse seinen Vorteil gegenüber der Hisbollah ausspielen und sie an den Verhandlungstisch zwingen. Es böte ihrem Heimatland eine bessere Ausgangsposition. Der Zugang der Hamas zu humanitärer Hilfe im Gazastreifen schwäche Israels Position, wenn es um die Rückgabe seiner Geiseln gehe, sagte sie.

Die Angebote der internationalen Gemeinschaft klingen hohl, kritisiert Zahavi. Es werde die Durchsetzung der UN-Resolution 1701 gefordert.

Diese wurde 2006 während des Libanonkrieges verabschiedet. Im Zentrum stand eine Lösung des militärischen Konfliktes. Die Hisbollah und Israel sollten sich zum Rückzug ihrer Streitkräfte über den Litani-Fluss hinaus, etwa zehn Meilen nördlich der israelischen Grenze, verpflichten. Die Resolution wurde jedoch nie durchgesetzt und von beiden Parteien ignoriert.

„Wir wollen keine weitere Fiktion wie 1701“, sagte Zahavi. „Es war eine Lüge.“ Für einen Angriff „ist jetzt die Zeit gekommen“.

Der Artikel ist im Original in der amerikanischen Epoch Times erschienen und wurde hier in einer angepassten Fassung wiedergegeben.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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