Israel wägt nach Irans Angriff Optionen ab – EU überdenkt Sanktionen
Israel will den Iran für dessen Drohnen- und Raketenangriff bestrafen, ohne internationalen Rückhalt zu verlieren. Man wäge die weiteren Schritte ab, sagte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi.
Auf einen Angriff mit so vielen Raketen auf Israel werde eine Reaktion folgen. Zugleich fügte Halevi hinzu: „Der Angriff des Irans hat neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit im Nahen Osten geschaffen. Wir bewerten die Lage und halten uns auf höchstem Niveau bereit.“
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte einem Bericht des israelischen Rundfunksenders Kan zufolge bei einem Treffen mit Ministern seiner Likud-Partei, auf den Angriff des Irans müsse eine kluge Reaktion folgen.
Der Iran solle nervös warten müssen, wann die Gegenreaktion erfolge, so wie es Israel vor dem Angriff am späten Samstagabend ergangen sei.
USA wollen sich zu möglichem Gegenschlag Israels nicht äußern
Am Montag war erneut das israelische Kriegskabinett zusammengetreten. Eine offizielle Stellungnahme zu Ergebnissen des Treffens gab es zunächst nicht.
Der Fernsehsender „Channel 12“ berichtete ohne Angabe von Quellen, es seien verschiedene Szenarien erörtert worden, wie auf den iranischen Großangriff reagiert werden könne. Israels Ziel sei demnach, dem Iran zu schaden, ohne einen umfassenden Krieg auszulösen.
Die US-Regierung wollte sich nicht öffentlich zu einem möglichen Gegenschlag Israels äußern. „Wir werden den Israelis das Wort überlassen“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Die USA seien nicht an dem Entscheidungsprozess beteiligt.
Sie gehen offenbar davon aus, dass eine mögliche israelische Reaktion auf den iranischen Angriff vom Wochenende einen begrenzten Umfang haben wird. Höchstwahrscheinlich werde es Schläge gegen iranische Streitkräfte und vom Iran unterstützte Proxys geben, sagte mehrere US-Beamte dem Sender „NBC News“.
Da der iranische Angriff keine israelischen Todesopfer oder weitreichende Zerstörungen zur Folge gehabt habe, seien auch Schläge außerhalb des Iran als Vergeltungsmaßnahme auf dem Tisch, so die US-Beamten. Zum Beispiel sei ein Angriff innerhalb Syriens möglich.
Israels Militär hatte bei der erfolgreichen Abwehr des iranischen Angriffs Unterstützung der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens bekommen. Die USA bekräftigten nach dem Angriff auch ihr „eisernes Bekenntnis“ zu Israels Sicherheit. Auch arabische Staaten beteiligten sich mehr oder weniger direkt.
Allerdings will sich Washington an einem möglichen Vergeltungsschlag nicht beteiligen und dringt wie andere Verbündete auf eine Deeskalation.
Auf die Frage, ob die USA besorgt seien, dass ein israelischer Vergeltungsschlag amerikanische Streitkräfte in der Region gefährden könne und die USA sich deshalb nicht beteiligen wollten, erklärte Pentagon-Sprecher Pat Ryder, es liege an Israel, zu entscheiden, ob es auf den Angriff reagieren werde oder nicht.
Israels Verteidigungsminister diskutiert Vorgehen in Rafah
Der iranische Angriff habe gezeigt, wie wichtig Israels Beziehungen zu den USA wie auch zu anderen Partnern seien, schrieb das „Wall Street Journal“. Analysten zufolge werde dies wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt sein, wenn Israel – das vorher zunehmend isoliert war – seinen nächsten Schritt abwäge.
Auch die Kriegsziele im Kampf gegen die mit dem Iran verbündete Hamas im Gazastreifen dürften demnach Teil der Kalkulationen Israels sein, einschließlich der geplanten Offensive gegen die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt Rafah im Süden des abgeriegelten Küstengebiets.
Israels Verteidigungsminister Joav Galant erörterte mit Vertretern seines Ministeriums und der für Kontakte mit den Palästinensern und humanitäre Hilfe zuständigen Cogat-Behörde das weitere Vorgehen in Rafah.
Nach Angaben der Regierungspressestelle ging es bei dem Treffen vor allem um die Evakuierung von Zivilisten aus der Stadt und die Ausweitung von Lebensmittel- und Medikamentenlieferungen. Vor dem iranischen Großangriff auf Israel hatte Regierungschef Netanjahu verkündet, es gebe schon einen Termin für eine Offensive. Galant widersprach dem jedoch kurz darauf.
EU könnte Iran mit neuen Sanktionen belegen
In der EU werden unterdessen mögliche neue Sanktionen gegen den Iran erwogen. Wie mehrere Diplomaten nach Gesprächen von Vertretern der Mitgliedstaaten in Brüssel sagten, dürfte das Thema an diesem Dienstag bei einer Videoschalte der Außenminister auf den Tisch kommen.
Neue Strafmaßnahmen könnten demnach über eine Sanktionsregelung verhängt werden, die nach dem Beginn der iranischen Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine durch Drohnenlieferungen eingerichtet wurde.
Über sie wurde bislang unter anderem die Ausfuhr von Bauteilen in den Iran verboten, die für den Bau und die Produktion von Drohnen verwendet werden. Zudem sind auch Personen und Organisationen von Strafmaßnahmen betroffen.
Gegen neue scharfe Sanktionen könnte laut Diplomaten allerdings das Risiko einer Eskalation sprechen. So will der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell weiter versuchen, den Iran dazu bewegen, wieder ein Abkommen zur Einschränkung seines Nuklearprogramms einzuhalten.
Es soll verhindern, dass der Iran eine Atombombe baut. Bei der wegen des iranischen Angriffs auf Israel einberufenen Videokonferenz am Dienstag soll grundsätzlich darüber gesprochen werden, wie die Europäische Union zu einer Deeskalation in der Region beitragen kann.
Strack-Zimmermann verlangt härteres Vorgehen gegen den Iran
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), fordert ein entschiedenes Vorgehen gegen das Regime in Teheran. „Es wird Zeit, dass diese Handlungen Folgen haben und die Mullahs, die das auslösen, um innenpolitisch abzulenken, eine Antwort bekommen“, sagte Strack-Zimmermann am Dienstag den Sendern RTL und ntv.
Deutschland und Europa müssten sich die Frage stellen, wie man in Zukunft mit dem Iran umgehe und dabei auch die engen Handelsbeziehungen hinterfragen. Auf europäischer Ebene müsse es jetzt um eine Aufnahme der Revolutionsgarden auf die europäische Terrorliste und weitere Sanktionen gehen.
„Das kann im Europäischen Parlament auf die Tagesordnung“, so die FDP-Politikerin. „Ich empfehle dringend, dass sich Kommissionspräsidentin von der Leyen dieser sicherheitspolitischen Sache annimmt. Gerade aus ihrer beruflichen Erfahrung wäre das dringend erforderlich.“
Erdogan spricht mit Emir von Katar über Gazakrieg
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan telefonierte nach Angaben seines Büros mit dem Emir von Katar und forderte angesichts des Gazakrieges eine verstärkte Zusammenarbeit islamischer Länder.
Diese müssten ihre Bemühungen verstärken, um Israels „brutale Angriffe“ im Gazastreifen zu stoppen und das Land für „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zur Rechenschaft zu ziehen, hieß es in einer Mitteilung des Präsidialamts.
Es sei entscheidend, zügelnd auf Israel einzuwirken und mit gesundem Menschenverstand zu handeln, um eine Ausbreitung der Spannungen in der Region zu verhindern. Der iranische Angriff auf Israel wurde nicht explizit erwähnt. (dpa/dts/afp/red)
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