Israel verstärkt Angriffe auf Hisbollah-Ziele – Libanons Regierung meldet mehr als 270 Tote
Bei den israelischen Luftangriffen im Libanon ist die Zahl der Opfer nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums auf 274 Tote und 1.024 Verletzte gestiegen. Bei den Angriffen im Südlibanon seit Montagfrüh seien auch Kinder getötet und verletzt worden.
Israel weitet sein militärisches Vorgehen gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon massiv aus. Die Armee kündigte am Montag „umfangreichere und präzisere Angriffe gegen Terrorziele“ im gesamten Land an und rief erstmals auch die Bevölkerung auf, sich in Sicherheit zu bringen. Nach eigenen Angaben griff die israelische Armee am Montag mehr als 300 Hisbollah-Ziele an.
Armeesprecher Daniel Hagari sagte bei einer Pressekonferenz, Zivilisten in libanesischen Dörfern, „die sich in oder in der Nähe von Gebäuden und Gebieten befinden, die von der Hisbollah für militärische Zwecke genutzt werden“, sollten diese zu ihrer eigenen Sicherheit meiden.
„Mehr als 80 Luftangriffe“ innerhalb einer halben Stunde
Laut der libanesischen Nachrichtenagentur „National News Agency“ (NNA) erhielten Menschen in der Hauptstadt Beirut und anderen Gebieten des Libanon Nachrichten auf ihre Festnetztelefone, in denen sie aufgefordert wurden, sich in Sicherheit zu bringen.
NNA berichtete weiter, dass innerhalb einer halben Stunde „mehr als 80 Luftangriffe“ auf den Süden des Libanons geflogen worden seien. Auch die östliche Bekaa-Ebene sei angegriffen worden, hieß es. Es war demnach die höchste Opferzahl seit Beginn der grenzüberschreitenden Gefechte vor rund einem Jahr.
Am Nachmittag kündigte Hagari „einen groß angelegten und gezielten Angriff in der Bekaa-Ebene“ im Osten des Libanon an. „In den Häusern in der Bekaa-Ebene gibt es Raketen und Drohnen.“ Diese wolle die israelische Armee nun „angreifen, bevor sie eine Gefahr für die Bewohner Israels darstellen“.
Die libanesische Gesundheitsbehörde wies Krankenhäuser im Süden und Osten des Landes an, alle nicht-dringenden Operationen abzusagen, um Platz für die Behandlung von Verletzten zu machen. Das Bildungsministerium ordnete wegen der Gefahrenlage für Montag und Dienstag Schulschließungen im Süden und Osten des Landes sowie in den südlichen Vororten von Beirut an.
Ranghohe Hisbollah-Kommandeure getötet
Der Konflikt zwischen Israel und der mit der radikalislamischen Hamas verbündeten pro-iranischen Hisbollah hatte sich in den vergangenen Tagen nochmals verschärft. Mit einem gezielten Luftangriff tötete die israelische Armee in Beirut mehrere ranghohe Hisbollah-Kommandeure, zudem gab sie die Zerstörung Tausender Raketenabschussrampen im Südlibanon bekannt.
Ungeachtet der massiven israelischen Angriffe verstärkte die pro-iranische Hisbollah ihrerseits am Wochenende ebenfalls ihre Angriffe. Auch am Montag wurden laut Angaben der Miliz als Reaktion auf den israelischen Beschuss zwei Militärstellungen in Nordisrael sowie Komplexe des staatlichen Rüstungsunternehmens Rafael nördlich der Stadt Haifa bombardiert.
Bereits in der vergangenen Woche hatte sich der Konflikt durch die Explosionen von Hunderten Pagern und Walkie-Talkies der Miliz im Libanon zugespitzt. Die Hisbollah macht Israel für die Explosionen verantwortlich. Israel selbst äußerte sich nicht zur Urheberschaft der Explosionen, durch die 39 Menschen starben und rund 3.000 weitere verletzt wurden.
Netanjahu spricht von Präventivschlag
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat nach den jüngsten Angriffen auf die Hisbollah-Miliz im Libanon von einer Veränderung des „Sicherheitsgleichgewichts“ gesprochen.
„Ich habe versprochen, wir würden das Sicherheitsgleichgewicht, die Machtverhältnisse im Norden ändern – und das ist genau das, was wir tun“, sagte Netanjahu während eines Sicherheitstreffens am Montag. Israels Strategie sei es, Bedrohungen zuvorzukommen, anstatt auf sie zu „warten“.
Libanesischer Regierungschef wirft Israel „Zerstörungsplan“ und „Ausrottungskrieg“ vor
Der libanesische Regierungschef Nadschib Miqati warf Israel angesichts der Ausweitung der Angriffe einen „Zerstörungsplan“ für den Libanon vor. Dieser ziele darauf ab, „libanesische Dörfer und Städte zu vernichten“, sagte er am Montag bei einer Kabinettssitzung. Er rief die Vereinten Nationen, die UN-Generalversammlung sowie „einflussreiche Länder“ auf, Israel davon abzuhalten.
Die UN-Beobachtermission UNIFIL hat derweil vor den „verheerenden“ Folgen einer weiteren Eskalation des Konflikts an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon gewarnt. Jede weitere Verschärfung „dieser gefährlichen Lage könnte weitreichende und verheerende Folgen“ für die Menschen in dem Grenzgebiet und die gesamte Region haben, teilte UNIFIL am Montag mit. Die UN-Beobachtermission im Libanon äußerte mit Blick auf die massiven israelischen Luftangriffe ihre „große Sorge um die Sicherheit der Zivilisten im Südlibanon“.
„Angriffe auf Zivilisten sind nicht nur Verstöße gegen das Völkerrecht, sondern können auch Kriegsverbrechen darstellen“, hieß es in der Erklärung weiter. UNIFIL bekräftigte die Forderung nach einer „diplomatischen Lösung“ und rief die Konfliktparteien auf, den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten.
Die Verschärfung des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz dürfte eines der bestimmenden Themen bei der UN-Generaldebatte in New York sein, die am Dienstag beginnt. Die Bundesregierung rief am Montag zur Deeskalation auf. Die Lage sei „extrem angespannt“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Es käme jetzt auf „konkrete Schritte der Deeskalation“ an. Auch Russland äußerte Befürchtungen über eine mögliche Eskalation.
UN-Generalsekretär António Guterres hatte bereits die Besorgnis geäußert, dass der Libanon zu einem „weiteren Gaza“ werden könnte. Der Krieg im Gazastreifen war am 7. Oktober durch einen beispiellosen Angriff des Hisbollah-Verbündeten Hamas auf Israel ausgelöst worden, bei dem nach israelischen Angaben mindestens 1.205 Menschen getötet und 251 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden.
Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden im Zuge der israelischen Offensive als Reaktion auf den Angriff bislang mehr als 41.400 Menschen im Gazastreifen getötet. (afp/dpa/red)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion