Israel führt tägliche, räumlich begrenzte Kriegspause im Süden ein

Israels Streitkräfte wollen im Süden Gazas räumlich begrenzt und für mehrere Stunden am Tag die Waffen schweigen lassen. Nach ihren Angaben sollen damit mehr Hilfslieferungen ermöglicht werden.
Israels Armee steht wegen ihres Vorgehens im Gazastreifen und der hohen Zahl ziviler Opfer international stark in der Kritik.
Israels Armee geht weiterhin gegen die Terroristen der Hamas vor.Foto: Majdi Mohammed/AP/dpa
Epoch Times16. Juni 2024

Die israelische Armee hat am Sonntag angekündigt, im Süden des Gazastreifens bis auf Weiteres eine tägliche „taktische Pause der militärischen Aktivität“ einzuhalten.

Eine örtlich begrenzte Pause solle jeweils von 8:00 bis 19:00 Uhr gelten und die Auslieferung einer größeren Menge an Hilfsgütern ermöglichen, erklärte die Armee. Über die Entscheidung wurde zuvor mit den Vereinten Nationen und anderen Organisationen beraten, hieß es weiter.

Sie betreffe den Weg, der vom Grenzübergang Kerem Schalom bis zur Salah-al-Din-Straße und dann weiter in den Norden führe. Eine von der Armee veröffentlichte Landkarte zeigte die humanitäre Route, die sich bis zum Europäischen Krankenhaus in der Stadt Rafah erstreckt. Die Klinik liegt etwa zehn Kilometer von Kerem Schalom entfernt.

Die UNO begrüßte den Schritt Israels. Dies habe aber bislang nicht dazu geführt, dass mehr Hilfe die Menschen in Not erreiche, schrieb Jens Laerke, Sprecher des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha), in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur AFP. „Wir hoffen, dass dies zu weiteren konkreten Maßnahmen seitens Israels führt, um die seit langem bestehenden Probleme anzugehen, die eine sinnvolle humanitäre Hilfe in Gaza verhindern.“

Die Nachricht von der „Pause“ kam am ersten Tag des islamischen Opferfestes Eid al-Adha. „Dieses Eid ist völlig anders“, sagte Umm Mohammed al-Katri in der Flüchtlingssiedlung Dschabalija im Norden des Gazastreifens. „Wir haben viele Menschen verloren, es gibt viel Zerstörung. Wir haben nicht die Freude, die wir sonst haben.“

Kundgebungen für die Freilassung der Geiseln

Bei Massenkundgebungen in Israel haben am 15. Juni erneut zehntausende Menschen für die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen und gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu demonstriert.

Während einer regierungskritischen Demonstration in Tel Aviv am 15. Juni 2024 vor einem Lagerfeuer. Sie fordern auch vorgezogene Wahlen. Foto: Jack Guez/AFP via Getty Images

In Tel Aviv und anderen Städten verlangten die Demonstranten von Netanjahu, einem Ende der Kämpfe mit der Hamas als Teil eines Abkommens zuzustimmen, dass die von den Islamisten verschleppten Geiseln wieder zu ihren Familien bringt, wie die Online-Ausgabe der Zeitung „Haaretz“ berichtete.

Nach Darstellung des Forums der Geisel-Familien handelte es sich um den größten Protest seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober vergangenen Jahres. Überschattet wurden die Proteste vom Tod acht israelischer Soldaten bei Kämpfen in Rafah im südlichen Gazastreifen.

Demos spielen auch der Hamas in die Hände

In einer auf Video aufgezeichneten Rede sagte Andrey Kozlov, den die israelische Armee zusammen mit drei weiteren Geiseln vor einer Woche bei einem Großeinsatz aus der Gefangenschaft befreit hatte: „Für die Geiseln, die noch in Gaza sind, gibt es nur eine einzige Lösung: einen Deal zwischen Israel und der Hamas.“

In der Gefangenschaft hätte die Hamas ihn und seine Mitgefangenen die Fernsehberichte von den wöchentlichen Demonstrationen in Israel ansehen lassen.

Ein Verkäufer legt seine Schuhe vor einer Wand mit Graffiti aus, die militante palästinensische Kämpfer darstellen. Dies geschieht auf einer Marktstraße in Gaza-Stadt am 15. Juni 2024 vor dem muslimischen Feiertag Eid al-Adha oder dem Opferfest. Foto: Omar Al-Qattaa /AFP via Getty Images

In Tel Aviv wurden laut der Zeitung „Times of Israel“ zwölf Menschen festgenommen. Die Polizei wirft ihnen demnach Verstöße gegen die öffentliche Ordnung vor. Sie hätten unter anderem Straßen blockiert.

Ein Abkommen über die Freilassung der verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas – im Gegenzug für die Freilassung von Palästinensern in israelischen Gefängnissen – scheint derzeit nicht in Reichweite. Vermutet wird, dass sich noch rund 120 Geiseln in dem abgeschotteten Küstengebiet befinden. Wie viele von ihnen noch am Leben sind, ist unklar.

Die Hamas verlangt als Voraussetzung für einen Geisel-Deal ein Ende des Krieges oder zumindest eine Garantie dafür, dass Israel die Kampfhandlungen einstellt. Netanjahus Regierung ist dazu nicht bereit. Ihr Ziel ist es, die bis zum Kriegsbeginn unangefochten über den Gazastreifen herrschende Terrororganisation militärisch zu zerschlagen und politisch zu entmachten. Es ist wohl auch ungeklärt, wer den Gazastreifen künftig verwaltet – es könnte erneut die Hamas sein.

Acht israelische Soldaten getötet

In der Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten wurden Militärangaben zufolge gestern Morgen acht israelische Soldaten bei der Explosion ihres in einem Konvoi fahrenden gepanzerten Personentransporters getötet.

Noch sei unklar, ob die Explosion von einer Panzerabwehrrakete oder einer Sprengfalle ausgelöst wurde, sagte Armee-Sprecher Daniel Hagari. „Heute wurden wir ein weiteres Mal schmerzlich an den Preis des Krieges erinnert.“ Bei Kämpfen in der Nacht zuvor hatten israelischen Einheiten nach Armeeangaben 50 Terroristen der Hamas getötet.

Die «taktische Pause» gelte bis auf Weiteres jeweils für die Zeit von 8 bis 19 Uhr und solle mehr Hilfslieferungen ermöglichen.

Die „taktische Pause“ gilt bis auf Weiteres jeweils für die Zeit von 8 bis 19 Uhr und soll mehr Hilfslieferungen ermöglichen. Foto: Tsafrir Abayov/AP/dpa

Israel will in Rafah nach eigenen Angaben eine der letzten Hochburgen der Hamas und ihrer Verbündeten zerschlagen. Das Militär geht dort seit Anfang Mai verstärkt mit Bodentruppen gegen die Hamas vor, will dies aber nur als begrenzten Einsatz, nicht als großangelegte Offensive verstanden wissen. Letzteres hatte US-Präsident Joe Biden zur „roten Linie“ erklärt.

Wer für den Angriff auf den Konvoi verantwortlich ist, teilten die Streitkräfte nicht mit. Über Telegram erklärten die Kassam-Brigade, der bewaffnete Arm der Hamas, sie hätten „Fahrzeuge des Feindes“ in Tal al-Sultan aus dem Hinterhalt überfallen. Die Angaben sind nicht überprüfbar.

WFP warnt vor Verschlechterung der Lage im Süden Gazas

Das Welternährungsprogramm (WFP) warnt davor, dass die Menschen im südlichen Teil des Gazastreifens bald unter der gleichen katastrophalen Hunger-Lage leiden könnten wie zuvor jene in den nördlichen Gebieten. „Die Situation im südlichen Gaza verschlechtert sich rasch“, sagte der stellvertretende WFP-Direktor Carl Skau nach einem zweitägigen Besuch der Region am vergangenen Freitag.

Eine Million Menschen seien aus Rafah vertrieben worden und lebt nun in einem Gebiet entlang des Strandes. Im nördlichen Teil Gazas habe sich die Versorgung mit Hilfsgütern etwas verbessert, sagte Skau. Nachhaltig abgesichert sei die Verteilung von Nahrungsmitteln nicht.

Die israelische Armee lieferte sich am Samstag zudem erneute Gefechte mit der libanesischen Hisbollah-Miliz. Dabei griff die Hisbollah über die Grenze hinweg nach eigenen Angaben unter anderem den israelischen Militärstützpunkt Meron mit „Lenkraketen“ an und feuerte „Angriffsdrohnen“ auf einen weiteren israelischen Stützpunkt ab. Die israelische Armee bestätigte den Abschuss von „zwei Projektilen“ auf die Militäranlage in Meron, die weder Opfer noch Schäden verursacht habe. (dpa/afp/red)



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