Israel debattiert: Wer soll den Gazastreifen nach dem Krieg regieren?
Während Israels Armee den Krieg im Gazastreifen fortsetzt diskutiert die Regierung über die Zukunft der Region. Verteidigungsminister Joav Galant sieht die Palästinenser nach Kriegsende in der Verantwortung für das Gebiet.
Auch für die Lage an Israels Grenze zum Libanon, wo es immer wieder gewalttätige Konfrontationen mit der Hisbollah-Miliz gibt, drängt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf eine Lösung.
Derweil wird US-Außenminister Antony Blinken heute zu einem erneuten Vermittlungsbesuch im Nahen Osten erwartet. Es soll um mehr humanitäre Hilfe für Gaza, die Befreiung der restlichen Hamas-Geiseln sowie um einen besseren Schutz von Zivilisten in dem Konflikt gehen.
Seinem Ministerium zufolge plant Blinken Stopps in der Türkei, Griechenland, Jordanien, Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Israel, dem Westjordanland und in Ägypten.
Verteidigungsminister: Palästinenser sollen Kontrolle übernehmen
„Es wird keine Präsenz israelischer Zivilisten im Gazastreifen geben, nachdem die Kriegsziele erreicht wurden“, sagte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant am Donnerstag. Einige Minister hatten sich zuvor für eine Wiederbesiedlung durch Israel nach Kriegsende ausgesprochen. Deutschland, Frankreich und die USA kritisierten die Aussagen scharf.
Lokale palästinensische Akteure, die Israel nicht feindlich gesinnt seien, sollen laut Galant die Kontrolle des Palästinensergebiets übernehmen. Welche Akteure dies konkret sein könnten, ließ er offen.
Die USA wollen, dass die im Westjordanland regierende und von der Palästinenserorganisation Fatah dominierte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) wieder die Kontrolle im Gazastreifen übernimmt.
Benjamin Netanjahu ist dagegen. Einige Vertreter der Fatah-Partei hatten Verständnis für das Hamas-Massaker am 7. Oktober in Israel geäußert. Die Hamas hatte die PA 2007 gewaltsam aus dem Küstenstreifen vertrieben. Die Fatah und die Hamas sind die zwei größten Palästinenserorganisationen – und seitdem erbitterte Rivalen. Seit einigen Jahren gab es aber Versöhnungsgespräche zwischen beiden.
Netanjahu pocht auf Lösung an Grenze zum Libanon
Regierungschef Netanjahu pochte auch bei einem Treffen mit dem US-Gesandten und Vermittler Amos Hochstein auf eine Lösung an der Grenze zum Libanon, damit die von dort evakuierten Anwohner zurückkehren können.
Israel bevorzuge, dass dies auf diplomatischem Weg geschehe, sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros am Donnerstag. Es brauche dafür eine „grundlegende Änderung“ an der Grenze. Wie diese konkret aussehen soll, teilte er nicht mit.
Israelischen Medien zufolge will das Land, dass die libanesische Hisbollah-Miliz ihre Kämpfer vollständig aus dem Grenzgebiet abzieht.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober nach dem Massaker der Hamas in Israel hat sich die Lage auch im Libanon zugespitzt. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006. Bei dem regelmäßigen Beschuss zwischen der israelischen Armee und der proiranischen Hisbollah-Miliz gab es auf beiden Seiten Tote, darunter auch Zivilisten.
Hisbollah greift täglich aus dem Libanon an
Die Tötung eines Hamas-Anführers in Beirut am Dienstag, für die die Hisbollah Israel verantwortlich macht, schürt die Sorge vor einer Ausweitung des Konflikts weiter. Die Hisbollah hat Verbindungen zur Hamas, gilt aber als schlagkräftiger.
Tatsächlich greift die Hisbollah seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor drei Monaten Israel nahezu täglich vom Südlibanon aus an. Die israelische Armee reagiert auf die Angriffe mit verstärkten Luftangriffen im Libanon und in Syrien.
Bislang beschränkten sich die Gefechte auf die Grenzgebiete im Südlibanon. International wächst die Sorge, dass sich nach dem ersten Angriff auf die libanesische Hauptstadt seit Kriegsbeginn der Krieg auch auf den Libanon ausweiten könnte.
Israel beginnt neue Phase im Gazakrieg
Verteidigungsminister Galant sagte weiter, nach der Phase schwerer Bombardierungen werde die Armee im Norden Gazas nun zu einem neuen Kampfansatz übergehen. Dieser umfasse gezielte Razzien, die Zerstörung von Tunneln, Bodeneinsätze sowie Luftangriffe, um „verbleibende Terrorherde in der Gegend“ zu bekämpfen.
Der Krieg werde so lange fortgesetzt, bis alle Geiseln freigelassen würden und die militärische und politische Führung der Hamas zerschlagen sei. Die Armee geht nach neuen Informationen von derzeit noch 136 Geiseln im Gazastreifen aus.
UN beklagen humanitäre Lage im Gazastreifen
Hilfsorganisationen können nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA derzeit keine Hilfe in den Norden des Gazastreifens liefern. Wie OCHA in der Nacht mitteilte, seien UN- und ihre Partnerorganisationen vier Tage lang nicht in der Lage gewesen, humanitäre Hilfe nördlich des Flusses Wadi Gaza zu liefern, da der Zugang zu den Gebieten verzögert oder verweigert worden sei und in dem Gebiet weiter gekämpft werde. Dazu gehörten Medikamente, um mehr als 100.000 Menschen einen Monat zu versorgen.
Unterdessen hat Israels Militär eigenen Angaben zufolge eine Razzia im Flüchtlingslager Nur Schams in Tulkarm im Nordwesten des Westjordanlands nach mehr als 40 Stunden beendet. Elf Menschen wurden bei dem Anti-Terror-Einsatz festgenommen, wie die Armee am Donnerstag mitteilte. Was ihnen genau vorgeworfen wird, wurde nicht mitgeteilt. (dpa/red)
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