Waffenruhe: Zwischen Israel und der Hisbollah schweigen 60 Tage die Waffen

Tausende Tote, Hunderttausende Vertriebene: Nach mehr als einem Jahr Krieg sollen die Waffen zwischen Israel und der Hisbollah mindestens zwei Monate lang schweigen. Es gibt einige Hürden.
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Mitglieder der Hisbollah schwenken die Parteifahne und grüßen Autofahrer auf der Autobahn zwischen Sidon und Tyrus am 27. November 2024 nach Inkrafttreten des Waffenstillstands.Foto: Mahmoud Zayyat/AFP via Getty Images
Epoch Times27. November 2024

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Mehr als ein Jahr nach Beginn des Kriegs mit der libanesischen Hisbollah-Miliz hat das israelische Sicherheitskabinett unter Leitung von Regierungschef Benjamin Netanjahu nach übereinstimmenden Berichten israelischer Medien eine von den USA vermittelte Waffenruhe gebilligt.

Sie solle am Mittwochvormittag in Kraft treten, berichteten das Nachrichtenportal ynet und der Sender „Channel 12“. Zuvor war berichtet worden, die Waffen sollten zunächst für 60 Tage schweigen.

„Die Dauer der Waffenruhe hängt davon ab, was im Libanon geschieht“, sagte Netanjahu im Fernsehen.

Die Waffenruhe soll nach den Worten von US-Präsident Joe Biden am Mittwoch um 4:00 Uhr Ortszeit in Kraft treten. Biden sagte am Dienstag in Washington, die Einigung auf die Feuerpause sei „eine gute Nachricht“. Zugleich werde es damit für den Libanon „einen Neustart“ geben.

Nach der Einstellung der Kämpfe soll sich die Iran-treue Miliz den zunächst unbestätigten Berichten zufolge hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der faktischen israelisch-libanesischen Grenze zurückziehen.

Danach sollten Israels Bodentruppen innerhalb von 60 Tagen aus dem Libanon abziehen. „Wenn die Hisbollah das Abkommen verletzt und versucht, sich zu bewaffnen, werden wir angreifen“, betonte Netanjahu.

Libanesische Armee soll die Hisbollah von der Grenze fernhalten

Um eine Rückkehr von Hisbollah-Kämpfern zu verhindern, sollen Soldaten der libanesischen Armee, die am Krieg eigentlich nicht beteiligt sind, parallel zum israelischen Abzug im Grenzgebiet stationiert werden, berichteten Medien übereinstimmend auf Verhandlungskreise.

Überwachen solle die Vereinbarung eine Staatengruppe unter Führung der USA zusammen mit Frankreich, dem Libanon, Israel und der UN-Friedenstruppe Unifil, die seit Jahren im Libanon stationiert ist.

Die Überwachungskommission solle außerdem dafür sorgen, dass sich die Hisbollah nicht neu bewaffnet. In einem späteren Schritt sollten Israel und der Libanon dann auch über strittige Grenzfragen verhandeln.

Baerbock: Ein „Lichtblick“ für die Region

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bezeichnete die Waffenruhe als „Lichtblick“ für die ganze Region. Es gelte nun, „unsere ganze Kraft darauf zu lenken, dass alle Parteien die von ihnen zugesagten Schritte rasch in die Tat umsetzen“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach im Onlinedienst X von „sehr ermutigenden Nachrichten“. Die Waffenruhe werde zur „inneren Sicherheit und Stabilität“ des Libanon beitragen.

Frankreichs Präsident Macron forderte die politischen Verantwortlichen im Libanon bei X auf, nun „ohne Verzögerung“ einen Präsidenten zu wählen. Im Libanon gibt es seit langem ein Machtvakuum.

Die UN-Beauftragte für den Libanon, Jeanine Hennis-Plasschaert, begrüßte die Vereinbarung, betonte aber zugleich, dass noch „erhebliche Arbeit“ bei der Umsetzung bevorstehe.

Das iranische Außenministerium begrüßte derweil das Ende der israelischen „Aggression gegen den Libanon“ und bekräftigte Teherans Unterstützung „für die libanesische Regierung, die Nation und den Widerstand“.

UN-Resolution von 2006 als Blaupause

Die Übereinkunft entspricht weitgehend der UN-Resolution 1701, mit der nach dem vergangenen Krieg 2006 vergeblich versucht worden war, ein dauerhaftes Ende der Gewalt zu erreichen. US-Vermittler Amos Hochstein hatte die Bedingungen der neuen Einigung deshalb auch als „1701 Plus“ bezeichnet.

Die israelische Regierung sicherte sich zudem ab für den Fall, dass die Hisbollah die Vereinbarung bricht und die libanesische Armee und die internationale Staatengruppe untätig bleiben – etwa bei neuen Angriffen der Miliz auf Israel.

„Mit dem vollen Einverständnis der USA behalten wir die volle militärische Handlungsfreiheit“, sagte Netanjahu. „Wenn die Hisbollah das Abkommen verletzt und versucht, sich zu bewaffnen, werden wir angreifen.“

Israel soll das Recht bekommen, auf unmittelbare Bedrohungen sofort militärisch zu reagieren. Zum Beispiel, wenn Raketen abgefeuert werden sollten. Bei „sich entwickelnden“ Bedrohungen, wie etwa das Graben von Angriffstunneln, müsse Israel erst die internationale Staatengruppe alarmieren.

Rüstet sich die Hisbollah neu auf?

Ein wichtiger Punkt der Einigung dreht sich um das Arsenal der Hisbollah, die laut Experten vor Kriegsbeginn zu den stärksten paramilitärischen Gruppen der Welt zählte.

Die Regierung des Libanon – derzeit nur geschäftsführend im Amt – soll dafür alle Waffenverkäufe an das Land sowie deren Herstellung dahingehend überwachen, dass sie die Hisbollah oder andere bewaffnete Gruppen nicht erreichen.

Weil die Hisbollah im Libanon sehr mächtig ist und der Staat nur wenig Handhabe über sie hat, ist zweifelhaft, ob sich eine erneute Aufrüstung der Hisbollah verhindern lässt.

Schon die UN-Resolution 1701 von 2006 sah solch eine Aufsicht vor – die Hisbollah konnte ihr Arsenal seitdem trotzdem massiv ausbauen. Den größten Teil ihrer Waffen, darunter Tausende Raketen und Drohnen, erhält die Miliz aus dem Iran, unter anderem auf dem Landweg über Syrien.

Es gibt auch Zweifel, ob die geplante Stationierung von insgesamt 10.000 Soldaten der libanesischen Armee – 5.000 sind bereits im Süden – dabei helfen kann, den Konflikt zu beruhigen.

Die Armee ist schlecht finanziert und gilt als sehr schwach und würde bei erneuten Kämpfen wohl wieder zwischen die Fronten geraten, anstatt diese zu verhindern. Nach Angaben der UN-Friedenstruppe Unifil wurden seit Kriegsbeginn 45 libanesische Soldaten getötet.

Gaza-Krieg geht weiter

Die Hisbollah beschoss Israel bislang nach eigenen Angaben zur Unterstützung der islamistischen Hamas im weiterhin umkämpften Gazastreifen. Die Hamas hatte mit dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 auf Israel den Gaza-Krieg ausgelöst, kurz darauf begann der Beschuss aus dem Libanon.

Ursprünglich wollte die mit der Hamas verbündete Hisbollah ihre Angriffe auf Israel nach eigenen Angaben erst beenden, wenn eine Waffenruhe in Gaza erreicht ist. Auf die Erfüllung dieser Bedingung verzichtete sie jetzt offenbar.

Ein Ende des Kriegs mit der Hisbollah lasse die Hamas im Gazastreifen isoliert zurück, sagte Netanjahu. „Wir werden den Druck auf die Hamas erhöhen“, kündigte er am Abend an. Dies könne den Weg zu einer Vereinbarung über die Freilassung der rund 100 Geiseln ebnen, die noch immer im Gazastreifen vermutet werden – wobei unklar ist, wie viele von ihnen noch am Leben sind.

Bewohner von Ortschaften im Norden Israels kritisierten die Waffenruhe. „Ich verstehe nicht, wie wir vom totalen Sieg zur totalen Kapitulation gekommen sind“, sagte der Bürgermeister des grenznahen Ortes Kiriat Schmona, Awichai Stern.

Netanjahu traf sich mit Vertretern der Kommunen im Norden, um sie von der Waffenruhe zu überzeugen. Auch Politiker der Opposition monierten, dass die Waffenruhe zu früh komme und die Hisbollah nicht ausreichend geschwächt worden sei. (dpa/red)



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