Island und der Wald: Setzlinge gegen die Abholzungen der Wikinger
Was macht ein Isländer, wenn er sich im Wald verläuft? Er stellt sich einfach hin. Diesen isländischen Witz versteht nur, wer die Wälder auf der Insel kennt: Die wenigen, die es gibt, sind meist so jung und so klein, dass ein Erwachsener sie leicht überblicken kann.
Das war nicht immer so. Bevor die Wikinger Ende des neunten Jahrhunderts das damals unbewohnte Island eroberten, war das Land zu einem Viertel bewaldet. Innerhalb eines Jahrhunderts holzten die Siedler 97 Prozent der heimischen Birken ab, um Holz zum Bauen und Platz für Weiden zu haben.
Das harsche Klima und die aktiven Vulkane, die den Boden immer wieder mit Lava und Asche bedecken, machen die Aufforstung schwierig. Island ist das am geringsten bewaldete Land Europas. Nur 0,5 Prozent der Fläche sind laut einem Bericht der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO mit Wald bedeckt. Keine Vegetation schützt den Boden vor Erosion, er kann kein Wasser halten.
Bewaldung angestrebt
Wüste breitet sich aus. Zum Beispiel in Hafnarsandur im Südwesten der Insel, einer Landschaft aus Basalt und schwarzem Sand. „Das ist eines der schlimmsten Beispiele für Bodenerosion in Island“, sagt Hreinn Óskarsson vom isländischen Forstdienst. Er soll nun 6000 Hektar der Mondlandschaft in Wald verwandeln. Ausgestattet mit einem roten „Potti-Putki“, einem Spezialwerkzeug aus Finnland, setzt Oskarsson handtellergroße Setzlinge in die trockene Erde – Küstenkiefern und Sitka-Fichten, zwei nordamerikanische Nadelbaumarten.
Wenn sie groß sind, sollen sie die nahegelegene Stadt Thorlákshöfn vor Sandstürmen schützen. Welche Bäume sich für die Aufforstung am besten eignen, erforscht der Forstdienst in Mogilsa am Fuß des Esja-Berges. Vor 50 Jahren wurde hier ein Wald angelegt – aus importierten Setzlingen und Birken. Die Birke ist die einzige in Island heimische Baumart. Dennoch kommen bei der Aufforstung oft andere Arten zum Einsatz.
Die Birke sei nicht sehr „produktiv“, sagt Adalsteinn Sigurgeirsson, der stellvertretende Leiter des Forstdienstes. „Wenn man zum Beispiel eine rasche Kohlenstoffbindung anstrebt oder Holz gewinnen will, brauchen wir mehr als eine Monokultur einer heimischen Art.“
In ihrem im September 2018 veröffentlichten Plan zum Klimaschutz hat die isländische Regierung die Aufforstung zu einer der Prioritäten zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes erklärt. Im ganzen Land gibt es inzwischen Baumschulen, um neue Wälder anlegen zu können. In Kvistar, etwa 100 Kilometer von Reykjavik entfernt, werden pro Jahr bis zu 900.000 Kiefern- und Pappelsetzlinge gezogen. „Ursprünglich kommen die Bäume aus Alaska, aber jetzt haben wir hier 30, 40, 50 Jahre alte Bäume, die uns Samen liefern“, sagt die Inhaberin der Baumschule, Hólmfrídur Geirsdóttir. Drei Monate bleiben die Pflänzchen im Gewächshaus, bevor sie im Freien weiter wachsen.
Wegen der stickstoffarmen Böden und der auch im Sommer niedrigen Temperaturen wachsen die Bäume sehr langsam. „Die Erwärmung scheint das Wachstum in Island zu beschleunigen und damit auch die Aufnahme von Kohlenstoff“, sagt Sigurgeirsson. Seit 2015 wurden mehr als drei Millionen Bäume in Island gepflanzt, das entspricht einer Fläche von etwa 1000 Hektar. (afp)
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