Irlands Ministerpräsident muss um Wiederwahl bangen

Nach dem Brexit deutet sich in Irland ein Stimmungswechsel unter den Wählern an.
Titelbild
Leo Varadkar, Ministerpräsident von Irland, vor dem Leinster House in Dublin.Foto: Niall Carson/dpa
Epoch Times7. Februar 2020

Irlands Regierungschef Leo Varadkar muss bei der Parlamentswahl am Samstag um seine Wiederwahl bangen – dabei hatte Varadkar selbst Mitte Januar die vorgezogene Neuwahl angesetzt. Der Zeitpunkt kurz nach dem Brexit sei günstig, um mit einer neuen Regierung in die Verhandlungen der EU über die künftigen Beziehungen mit Großbritannien einzusteigen, sagte Varadkar zur Begründung. Doch nun deutet sich ein Stimmungswechsel in der Bevölkerung an.

Dass die irischen Wähler früher als 2021 an die Urnen gerufen würden, war schon länger erwartet worden. Bei den Wahlen im Februar 2016 hatte Varadkars konservative Fine Gael eine Mehrheit verfehlt. Seither ist sie auf die Unterstützung der größten Oppositionspartei Fianna Fail angewiesen. Die während des monatelangen Brexit-Chaos in London herrschende Einigkeit zwischen den beiden rivalisierenden Parteien bröckelte zuletzt jedoch zusehends.

Aus der Wahl könnten die beiden Mitte-Rechts-Parteien, die seit der Unabhängigkeit Irlands vor fast einem Jahrhundert fast immer abwechselnd die Regierung stellten, nun geschwächt hervorgehen: In jüngsten Umfragen lag sensationell die irisch-republikanische Sinn-Fein-Partei an der Spitze. Laut einer Umfrage, welche die „Irish Times“ Anfang der Woche veröffentlichte, wollen 25 Prozent der Wähler für Sinn Fein stimmen. Fianna Fail kommt mit 23 Prozent auf Platz zwei, Varadkars Fine Gael nur auf 20 Prozent.

Sinn Fein strebt ein vereintes Irland an – mit dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland. Parteichefin Mary Lou McDonald wirbt dafür, in den kommenden fünf Jahren ein Referendum über die irische Einheit abzuhalten. Vor allem bei jungen Wählern in den Städten kommt diese Forderung gut an.

Der einstige politische Flügel der irischen Untergrundarmee IRA stand allerdings schon häufiger in Meinungsumfragen vor Wahlen gut da und schnitt dann unterdurchschnittlich ab. Vor allem aber hat Sinn Fein nur 42 Kandidaten für das 160 Sitze zählende Parlament aufgestellt – im Falle eines Wahlsiegs wäre die Partei nicht in der Lage, eine Mehrheitsregierung zu bilden. Fine Gael und Fianna Fail schließen eine Zusammenarbeit mit der linksgerichteten Sinn Fein zudem aus.

Der 41-jährige Varadkar, der seit zweieinhalb Jahren an der Regierungsspitze steht, hat seine starke Rolle in den Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel in den Mittelpunkt seines Wahlkampfs gestellt. Viele Wähler interessierten sich aber gar nicht für den Brexit, sondern für Themen wie Wohnen und Gesundheit.

Für das EU-Mitglied Irland steht beim Brexit aber auch weiterhin viel auf dem Spiel, sollte Großbritannien nach einer Übergangsphase kein Abkommen mit Brüssel schließen. Beide Länder sind auf allen Ebenen eng miteinander verknüpft, ein abrupter Bruch könnte den fragilen Frieden in Nordirland gefährden.

Die Nordirland-Frage war auch einer der Hauptstreitpunkte bei den Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel, da sich die Grenze zwischen Irland und Nordirland durch den Brexit de facto zu einer Landgrenze zwischen der EU und Großbritannien verwandelte. Das Karfreitagsabkommen von 1998, mit dem der jahrzehntelange blutige Nordirland-Konflikt überwunden wurde, sieht allerdings eine offene Grenze vor.

Für die rund 2000 Wahlberechtigten auf entlegenen irischen Atlantik-Inseln hat die Wahl bereits begonnen. Die Wahllokale auf dem Festland sind am Samstag von 8.00 bis 23.00 Uhr (MEZ) geöffnet. Erste Nachwahlbefragungen werden nach Schließung der Wahllokale veröffentlicht, die Auszählung der Stimmen beginnt erst am Sonntagmorgen. (afp)



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