Irland im Realitätsschock? Irish Freedom Party strebt Austritt aus der EU an
Irland ist nach Überzeugung von Hermann Kelly derzeit kein „souveränes Land mehr, das sich selbst regiert“. Die Bürger könnten nicht mehr selbst über ihre Gesetze, ihre Haushalte, die Kontrolle ihrer Grenzen und ihr eigenes „Schicksal in der Welt“ bestimmen. Die Verantwortung dafür sieht der frühere Kommunikationschef der kurzlebigen EFDD-Fraktion im EU-Parlament bei Brüssel. Aus diesem Grund strebt er mit seiner Irish Freedom Party (IFP) den Irexit an.
Irland hatte spürbaren „Modernisierungsprozess“ durchlebt
Die lange Zeit stark katholisch geprägte Insel hatte in den vergangenen Jahren einen deutlichen gesellschaftlichen Linksruck erlebt. In Referenden wurden im EU-Vergleich restriktive Gesetze zu Abtreibung und Ehescheidung liberalisiert. Papst Franziskus wurde mit lautstarken Protesten empfangen. Demgegenüber ist die „Israel-Kritik“ auf der Insel auch deutlich aggressiver als in allen anderen Mitgliedstaaten – und das quer durch die politische Landschaft.
Waren diese Entwicklungen hausgemacht, stützen sich andere auf EU-Vorgaben. Gegenüber dem Format „American Thought Leaders“ der englischsprachigen Epoch Times wirft Kelly Brüssel die „Zerstörung des ländlichen Irlands und der bäuerlichen Landwirtschaft“ vor.
Unter dem Banner des Klimaschutzes diskutierten im Juni 2023 Parlamentsmitglieder über einen Vorschlag, 200.000 Rinder im Land zu keulen, um die CO₂-Emissionsziele der EU zu erreichen. Dieser fand sich als ernsthafter Diskussionsbeitrag in Regierungsdokumenten wieder. Ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums erklärte, dass es sich lediglich um „Dokumente zur Modellierung“ handele und nicht um eine „endgültige politische Entscheidung“.
„Fischer in den eigenen Gewässern benachteiligt“
Auf der Grundlage der ihnen von der EU zugewiesenen Fangquoten stünden irischen Fischern nur 15 Prozent des in irischen Gewässern gefangenen Fisches zu. Sobald ein Land die ihm zugewiesene Fangquote ausgeschöpft habe, müsse es die Fischerei für das Jahr einstellen. Aus Kellys Sicht sind die Konsequenzen verheerend:
„Die irischen Fischer erhalten einen Hungerlohn für den in unseren eigenen Gewässern gefangenen Fisch.“
Die Antwort auf eine Anfrage von Sinn Féin ergab, dass die irischen Fänge für 2020 einen Wert von fast 251 Millionen Euro ausgemacht hätten. Dies seien 15 Prozent des Gesamtwerts von 1,6 Milliarden Euro des Fisches, den die gesamte EU-Flotte aus irischen Gewässern gefangen habe.
„Irische Fischer bekommen gerade einmal ein Almosen von dem Fisch ab, der in unseren eigenen Gewässern gefangen wird“, kommentiert Kelly.
Bislang geltendes Antirassismus-Gesetz entfaltete kaum Wirkung
Eine weitere Entwicklung, für die Kelly die EU verantwortlich macht, ist das Gesetz gegen sogenannte Hassrede. Dieses sieht Geldstrafen oder Haftstrafen von bis zu fünf Jahren für jedwede „absichtliche oder rücksichtslose Kommunikation“ und Verhaltensweisen vor. Diese müssen lediglich „geeignet ist, Gewalt oder Hass gegen eine oder mehrere Personen zu schüren, weil sie mit einem geschützten Merkmal in Verbindung gebracht werden“.
Der Gesetzentwurf führt zehn Merkmale von Personen auf, die nach dem Gesetz gegen Hassreden geschützt sind. Unter diesen befinden sich Rasse, Hautfarbe, Religion, nationale oder ethnische Herkunft, Abstammung, Geschlecht, sexuelle Ausrichtung und Behinderung.
Das Gesetz soll das geltende Verbot der Aufstachelung zum Hass aus dem Jahr 1989 ersetzen. Dieses habe in mehr als 30 Jahren nur zu 50 Strafverfolgungen geführt. Kelly beklagt, dass die neue Fassung „durch geschützte Merkmale Privilegien“ schaffe. Zudem sei es bewusst unscharf formuliert.
Gesetz über „Hassrede“ – Notwendigkeit oder Anschlag auf Redefreiheit?
Kelly erklärt, es fehle eine Definition von „Hassrede“ – und selbst der „Besitz“ von einschlägigem Material könne strafbar sein, selbst, wenn es sich nur um ein abgespeichertes Meme auf einem Rechner handele.
Die Bestimmungen des Gesetzes seien „sehr subjektiv“ und weit offen für gerichtliche Interpretationen, so der IFP-Chef.
„Aber das ist ein Problem, weil die Richter alle von der irischen Regierung ernannt werden.“
Befürworter halten das Gesetz für erforderlich. Sie sehen sich durch Ereignisse wie im vergangenen November bestätigt. In jenem Monat stach der 50-jährige wohnsitzlose Riad Bouchaker nahe der „Gaelscoil Choláiste Mhuire“-Vorschule ohne ersichtlichen Anlass auf mehrere Personen ein, darunter auch Kinder.
Zu seinem Motiv schweigt er auch nach Beginn des Prozesses – und erklärt lediglich, „ein kranker Mann“ zu sein. In den Tagen nach dem Vorfall war es in Dublin aufgrund unbewiesener Behauptungen mit oftmals rassistischer Konnotation zu schweren Ausschreitungen gekommen.
Irland stehen 14 Sitze im EU-Parlament zu
Die Chancen für die IFP, im Juni ins EU-Parlament einzuziehen, sind unterdessen überschaubar. Irland verfügt dort lediglich über 14 Sitze. Von diesen werden vier in Dublin und jeweils fünf in den Regionen Midlands-Nordwesten und Süden vergeben.
Immerhin erleichtert eine Form des Präferenzwahlrechts Kandidaten kleinerer Parteien in einigen Fällen, auch bei geringem Stimmenanteil Mandate zu erlangen. Dies kommt jedoch zumeist erst ab einer höheren Anzahl der zu vergebenden Sitze zum Tragen.
Bei den Parlamentswahlen 2020 konnte die linksnationalistische Sinn Féin deutlich zulegen und wurde mit 24 Prozent zur stimmenstärksten Partei. Allerdings bildeten die beiden traditionell führenden zentristischen Parteien Fine Gael und Fianna Fáil gegen sie eine Koalition mit den Grünen, die ebenfalls deutlich zugelegt hatten.
Unzufriedenheit mit Asylpolitik schadet auch Sinn Féin
Der Linksruck der 2010er-Jahre in Irland scheint in jüngster Zeit jedoch eine Gegenbewegung zu erfahren. Nach den Referenden mit deutlichen Mehrheiten für eine Liberalisierung der Abtreibung und einer Erleichterung der Ehescheidung war im März eine „progressive“ Verfassungsänderung gescheitert. Die Bürger lehnten Neudefinitionen der Rolle der Frau und des Begriffs der Familie ab.
Nachdem Sinn Féin in den Jahren 2021 und 2022 in Umfragen auf bis zu 37 Prozent zulegen konnte, verlor sie zuletzt jedoch zugunsten kleinerer Parteien an Stimmen. Ein Grund ist das Thema Asyl. Einer Umfrage des Instituts RED C vom Januar zufolge erklärten 66 Prozent der Befragten, das Land habe „zu viele Flüchtlinge aufgenommen“.
Allerdings verteilen sich die Proteststimmen auf mehrere unterschiedliche Splittergruppen. Neben der sozialkonservativen Aontú ist die IFP auch noch einer Konkurrenz durch gleich drei noch weiter rechts angesiedelte Parteien ausgesetzt.
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