Iranerin zur Corona-Krise im Iran: „Es ist, als wenn man auf einem sinkenden Schiff ist“
Der Corona-Virus hat sich im Iran schnell verbreitet. Die Situation im Land ist angespannt. Offiziell sind mehrere tausend Menschen infiziert und 194 Tote registriert. Allein am 8. März wurden 49 neue Todesfälle binnen 24 Stunden gemeldet. Doch diese Zahl glauben weder die Iraner im Inland noch die Iraner im Ausland.
23 hochrangige Regierungsvertreter haben sich infiziert und zwei davon sind bereits verstorben. Das Ausmaß ist so groß, dass es sich nicht mehr verstecken lässt. Schulen, Kindergärten, Schwimmbäder und Sportstudios bleiben bis zum Iranischen Neujahr am 21. März geschlossen und danach weitere zwei Wochen wegen der Ferien. Doch wie es danach aussehen wird, weiß niemand.
Sarah*, eine Computerfachfrau mit dunkelbraunem Haar, das unter einem schwarzen Schal herausschaut, lebt mit ihrem Mann in Teheran. Dort ist die Corona-Virus-Situation besonders schlimm. Erst kürzlich hat das Paar geheiratet und sich ein Haus gemietet, in das es jetzt einziehen will. Doch das wird jetzt alles durch den Ausbruch des Corona-Virus überschattet.
Für das Interview mit der Epoch Times geht sie in einen Raum, in dem sie ungestört sprechen kann. Es ist Familientreffen und nicht jeder soll mitbekommen, was sie sagt. Es wird gern getratscht. Wenn davon etwas dem Mullah-Regime missfällt, kann das zum Problem werden. „Die Lage im Iran ist schlecht – erst wirtschaftlich und jetzt der Virus“, sagt sie. „Von der Regierung gibt es keine Unterstützung und auch keinen Urlaub, damit wir zu Hause bleiben können“, sagt sie. „Mein Mann und ich haben Glück, wir können beide von Zuhause arbeiten.“
Auf Teherans Straßen herrscht Leere
Wer nicht muss, geht nicht auf die Straße. Die Situation ähnelt der in China. Sarahs Familie geht es den Umständen entsprechend gut. Bislang hat keiner eine Infektion. Auch sonst bekommen sie von zu Hause aus nicht so viel mit, nur von Freunden und durch Hörensagen. Aus den Medien könnten sie nur wenig erfahren, klagt sie.
Lediglich ein paar Schutzanweisungen habe die Regierung herausgegeben. Ihre Unzufriedenheit über die Regierung ist spürbar. Die offiziellen Zahlen stimmen sowieso nicht, da ist sie sicher. Von Bekannten, die in Krankenhäusern arbeiten, hat sie erfahren, dass die großen Krankenhäuser in Teheran keine Patienten mehr aufnehmen. Alle Betten seien belegt. Das meiste wird verschwiegen.
Angst vor dem Virus habe sie nicht. „Wir verlassen das Haus nur im Notfall. Kaffeetrinken, Essengehen, Moscheebesuch haben wir alles eingestellt. Am Freitag treffen wir uns im Kreis der Familie“ [Anm. d. Red: Offizieller Feiertag], sagt die 36-Jährige. Wenn sie einkaufen müssen, dann geht nur einer. Sie schützen sich mit Mundschutz, Brille und Handschuhen. Alle Einkäufe würden gründlich gewaschen und mit Alkohol desinfiziert.
Gefangen im System
Über die politische Situation ist die Computerfachfrau seit langem unzufrieden und auch politisch aktiv. Am liebsten würde sie das Land verlassen, aber das kann sie nicht so leicht. Ein Arbeitsvisum für Deutschland hat sie schon beantragt, aber das weiß nicht mal ihr Vater. Doch der Prozess kann sich Jahre hinziehen.
„Mit der Wirtschaft geht es ständig bergab. Das Geld ist immer weniger wert. Früher konnte man sich von unserem Gehalt ein Auto oder ein Haus kaufen, jetzt müssen wir unser Haus mieten“, sagt sie. „Viele Iraner trauen sich nicht, etwas zu machen. Sie gehen einfach nur nicht mehr zur Wahl. Demonstrieren ist verboten und wer es macht, riskiert sein Leben. Ende letzten Jahres erschoss die Polizei 1500 Demonstranten.“
Im November ging das Mullah-Regime mit Schusswaffen gegen Demonstranten vor. Die Demonstrationen waren eine Folge der starken Anhebung des Benzinpreises. Sie forderten den Rücktritt des obersten Führers Ali Chamenei und von Spitzen der Revolutionsgarden. Rund 1500 Menschen wurden dabei erschossen. Unter den Toten waren Kinder, Frauen und junge Menschen.
Nach diesem grausamen Massaker nahm Sarah an der darauffolgenden Demonstration teil. „Die Polizei schlug mit Holz- und Gummiknüppeln hierhin“, sagt sie. Sie zeigt auf ihre Schulter und auf ihre Füße. „Ich konnte weglaufen, aber viele wurden festgenommen und eingesperrt.“ Auf die Frage, ob sie Angst gehabt hätte, antwortet sie: „Ja, ich hatte Angst. Aber ich glaube, wir müssen das tun.“
Leila kann ihre Familie im Iran nicht besuchen
Leila* lebt seit 2013 in Deutschland. Sie kam, um zu studieren. Zum iranischen Neujahrsfest wollte sie im April ihre Familie im Iran besuchen, aber das fällt jetzt aus. Ihr Arbeitgeber hat ihr nahegelegt, in Deutschland zu bleiben. Die Situation im Iran sei wegen des Corona-Virus viel zu gefährlich, wurde ihr gesagt. Mittlerweile arbeitet die 35-Jährige für eine internationale Firma.
Wenige Airlines fliegen derzeit in den Iran, sagt Leila. Einen Flug zu finden, sei gar nicht so einfach. Nur noch Turkish Airlines fliege in den Iran. Aber auch darauf könne man sich nicht 100-prozentig verlassen. Ihre iranischen Freunde haben sie davor gewarnt, die Flüge könnten jederzeit abgesagt werden.
Jetzt bleibt sie vorerst in Deutschland. Täglich verfolgt sie die Nachrichten und steht in engem Kontakt zu ihrer Familie. Sie macht sich Sorgen. Bislang geht es allen sehr gut; die Familie ist groß mit vielen Geschwistern, Nichten, Neffen, vielen Tanten und Onkel. In ihrer Heimatstadt im Nordosten Irans sind bislang nur zehn Personen infiziert, sagt sie.
„Die Frauen können zu Hause bleiben, aber die Männer müssen nach wie vor zur Arbeit gehen“, so die 35-Jährige weiter. Die finanzielle Lage ist für die Menschen schwierig. Ihre Brüder sind selbstständig und betreiben jeder ein kleines Geschäft auf dem Bazar. Dort ist unter normalen Umständen viel Betrieb und somit die Ansteckungsgefahr viel höher.
Iran: Unzureichende medizinische Versorgung
Wie sie aus den Medien und von Bekannten weiß, ist die medizinische Versorgung vor Ort katastrophal. Lange Zeit konnte die Regierung bei Menschen mit Erkältungssymptomen keine Tests durchführen. „Es gab einfach keine und so konnte sich das Virus weiterverbreiten. Erst kürzlich sind 100.000 Tests von der WHO in den Iran geliefert worden“, sagt sie.
Es sei kein Wunder, dass sich der Virus so schnell im Iran verbreite. „Das Regime hat die Flüge nach China nicht eingestellt, weil das Land von chinesischen Produkten abhängig ist. Alle Nahrungsmittel, Produkte und Waren kommen daher. Viele Iraner reisen geschäftlich nach China, manche studieren dort und andersherum arbeiten chinesische Arbeiter auf den Ölfeldern im Iran. Sie bringen das Virus mit.“
Wegen der Sanktionen sei die medizinische Versorgung im Iran schon seit Jahren sehr schlecht. „Mundschutz, Handschuhe, Schutzkleidung, Desinfektionsmittel sind Mangelware. Als ich vor ein paar Jahren im Iran zum Arzt ging, bekam ich nur ein paar Tabletten und keine Packung. Es gibt einfach nicht genug Medikamente, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, sagt Leila weiter. „Das ist jetzt sicher noch schlimmer.“
Einige Iraner hätten die Situation ausgenutzt und Masken gehortet, um den Preis in die Höhe zu treiben. Deswegen habe die Regierung heftige Strafen erlassen und sogar mit Todesstrafe gedroht, so Leila weiter.
Das Mullah-Regime hat wenig Halt im Volk
„Das ganze Land leidet unter Missmanagement, Hyperinflation, innenpolitischem Druck und sozialen Missständen. Das Regime versucht alles, um sein Image aufrechtzuerhalten, damit nicht herauskommt, wie schwach das System ist“, sagt sie. „Das Regime hat Angst vorm Volk. Alle sind unzufrieden: Taxifahrer, Ärzte, Regierungsbeamte und sogar Parlamentsabgeordnete.“
Und doch könnten die Menschen wenig tun, meint Leila. Bei den Wahlen könnten sie nur zwischen dem kleineren und größeren Übel wählen. Die jetzige Regierung gilt bereits als moderat. Seit 40 Jahren ist der Iran von Sanktionen betroffen, seit Trump weitere Sanktionen gegen das Land verhängt hat, habe sich die Lage weiter zugespitzt, sagt Leila. „Es ist, als wenn man auf einem sinkenden Schiff ist.“
„Die Iraner wissen, dass das nicht durch Trump kommt“, sagt Leila. „Zuvor waren es Bush und auch Obama, die Sanktionen verhängt haben. Die Bevölkerung wünscht sich eine Annäherung an den Westen, aber das Mullah-Regime schafft das nicht. Es ist ein autoritäres Regime.“
„Ich glaube, viele Menschen im Westen haben keine Vorstellung, was Sanktionen bedeuten“, sagt Leila weiter. „Ich musste mit viel Bargeld in der Tasche nach Deutschland kommen, um mein Studium zu finanzieren. Geldtransfer in und aus dem Iran ist unmöglich. Bis heute bekomme ich kein Konto bei der Deutschen Bank.“
* Die Namen wurden zum Schutz der Personen von der Redaktion anonymisiert.
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