Inzest und Missbrauch an Elite-Universität? Enthüllungen erschüttern Frankreich
Obwohl das Buch „La familia grande“ der heute 45-jährigen Juraprofessorin Camille Kouchner schon am 7. Januar veröffentlicht worden war, hat sich die Aufregung um sexuellen Missbrauch und Inzest in Patchwork-Familien und Bildungseinrichtungen der intellektuellen Elite in Frankreich noch immer nicht gelegt.
Unter dem Hashtag #MetooInceste haben mittlerweile mehrere Dutzend weitere heutige und ehemalige Studentinnen auf Twitter erklärt, auch selbst schon Opfer sexueller Übergriffe auf dem Campus oder im Umfeld der Pariser Hochschule „Sciences Po“ gewesen zu sein – auf der unter anderem auch Präsident Emmanuel Macron studiert hatte.
Direktor von Elite-Universität tritt zurück
Mittlerweile hat, wie die „Financial Times“ berichtet, der Direktor der Elite-Universität, Frédéric Mion, seinen Hut genommen. Als Grund für die Entscheidung nannte er Kouchners Anschuldigungen gegen ihren Stiefvater, einen renommierten Professor an der Einrichtung, Olivier Duhamel, und die massiven Vorwürfe weiterer Studentinnen gegen weitere prominente Intellektuelle.
Mion erklärte, mit seinem Schritt weiteren Schaden von der Institution abwenden zu wollen, und räumte ein, dass die in einem vorab veröffentlichten Bericht von Bildungsinspekteuren angeklungenen Vorwürfe zuträfen. Er habe hinsichtlich bis 2018 an ihn herangetragene Fälle „schlechtes Urteilsvermögen“ gezeigt.
Dennoch habe der Bericht die Einrichtung als solche vom Vorwurf einer Komplizenschaft freigesprochen. Von einem systematischen und institutionellen Missbrauch, wie er etwa in Deutschland den Verantwortlichen der „Odenwaldschule“ angelastet wurde, war in dem Bericht keine Rede. Mion legte zudem Wert auf die Feststellung, dass ihm persönlich kein übergriffiges Verhalten angelastet worden sei.
Feministin und Castro-Gespielin verteidigte Inzest-Gatten bis zuletzt
Vorwürfe, wie sie unter den Twitter-Hashtags #MetooInceste und dem später hinzugefügten #SciencesPorcs [„Schweine der Wissenschaft“; d. Red.] erhoben wurden, trafen nicht nur das Stammhaus der Elite-Universität, sondern auch weitere angegliederte akademische Einrichtungen im gesamten Land.
Mion erklärte nun, er hätte die „Gerüchte“, die sich um seinen Vorzeigeprofessor Duhamel gerankt hätten, „ernster nehmen“ sollen. Strafrechtlich hat der nunmehr 70-jährige Politologe aufgrund der Verjährung der Vorwürfe nichts mehr zu befürchten. Camille Kouchner zufolge habe er deren Zwillingsbruder in den 1980er Jahren sexuell missbraucht, als dieser 13 oder 14 Jahre alt gewesen wäre.
Der Bruder, im Buch „Victor“ genannt, bestätigte gegenüber „Le Monde“ die Vorwürfe. Wie „Euronews“ schreibt, hätte das Opfer seiner Mutter, die bekannte Feministin Evelyne Pisler, die in den 1960er Jahren unter anderem auch eine Gespielin des kubanischen Diktators Fidel Castro gewesen sein soll, den Missbrauch anvertraut. Auch im linksintellektuellen Umfeld Pislers soll die Neigung Duhamels bekannt gewesen, aber toleriert worden sein.
Die 2017 verstorbene Mutter soll die Taten ihres Ex-Ehemanns bis zuletzt verharmlost haben. Camille Kouchner bezeichnete sie in ihrem Buch als „Komplizin des Inzests“. Der leibliche Vater Camille Kouchners und zweier weiterer Kinder, der heute 81-jährige „Ärzte ohne Grenzen“-Mitbegründer Bernard Kouchner, hatte die gemeinsamen Kinder mit Pisler bei der Mutter belassen.
Erst jetzt verbindliches Schutzalter in Frankreich
Mittlerweile hat Duhamel, der Präsident einer Stiftung von Sciences Po gewesen ist, seine öffentlichen Ämter aufgegeben und seinen Twitter-Account gelöscht. Zuvor hatte er über „persönliche Angriffe“ geklagt.
Bereits in den Wochen vor der Buchveröffentlichung waren mehrere prominente Persönlichkeiten in Frankreich sexueller Übergriffe an Minderjährigen beschuldigt worden. Unter ihnen waren der frühere Modelagentur-Chef Jean-Luc Brunel, der ein enger Geschäftspartner des verstorbenen US-Milliardärs Jeffrey Epstein war, sowie der heute 84-jährige Autor Gabriel Matzneff, der sich bereits in Büchern zu pädosexuellen Handlungen bekannt hatte.
Während bei Fällen des sexuellen Verkehrs Erwachsener mit unter 15-Jährigen eine vermeintliche „Einwilligung“ des Minderjährigen in Frankreich von Gerichten bis dato als Milderungs- oder gar Tatbestandausschließungsgrund behandelt wurde, beschloss die Gesetzgebung nun eilig ein verbindliches Schutzalter von 15 Jahren. Zuvor hatte Präsident Macron Druck in diese Richtung ausgeübt.
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