„In Westeuropa überwintern“: Vizepräsidentin rät Ukrainern zur Flucht

Angesichts des nahen Winters rät Vizepräsidentin Wereschtschuk Ukrainern dazu, diesen in Westeuropa zu verbringen. Der Krieg treffe die Infrastruktur.
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Ankunft von Flüchtlingen und Migranten am 23. August 2022 in Berlin. Es wird geschätzt, dass mindestens 7,7 Millionen Ukrainer geflohen sind, 900.000 davon haben vorübergehend oder langfristig vor, in Deutschland zu bleiben.Foto: Adam Berry/Getty Images
Von 2. November 2022

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In Anbetracht des herannahenden Winters hat die Vizepräsidentin der Ukraine, Irina Wereschtschuk, ihren Landsleuten geraten, die kalte Jahreszeit in Westeuropa zu verbringen. In einem Gespräch mit der „Welt“ erklärte sie:

Ja, ich habe tatsächlich an unsere Leute in Europa appelliert, nicht zurückzukehren. Das betrifft vor allem unsere Frauen, Kinder und Ältere. Wenn sie die Möglichkeit haben, sollen sie in Europa überwintern. Denn hier ist es gefährlich. Hier werden Kinder in den Kellern sitzen und hier haben wir ein gewaltiges Problem mit unserer Energieversorgung.“

Weitere Hunderttausende Ukrainer könnten sich auf den Weg machen

Die Vizepräsidentin begründet ihre Aufforderung mit den zunehmenden russischen Angriffen auf die Infrastruktur. Diese träfen auch Elektrizitätswerke, an denen zivile Infrastruktur hänge. Aus diesem Grund solle, wer die Möglichkeit dazu habe, in Westeuropa bleiben oder sich zum „Überwintern“ dorthin begeben.

In Deutschland sind derzeit mehr als eine Million ukrainischer Kriegsflüchtlinge gemeldet, in Österreich sind 56.000 angekommen. Die Zahl könnte jedoch noch steigen, wenn der Beschuss der Infrastruktur in der Ukraine anhält. Experten zufolge könnten sich noch weitere hunderttausend Ukrainer auf den Weg machen.

Vizepräsidentin Wereschtschuk droht „Kollaborateuren“

An den Verhandlungstisch will Wereschtschuk dennoch nicht treten:

Der Krieg kann und muss erst durch unseren gemeinsamen Sieg enden. Wer die Wahl zwischen Freiheit und Brot hat und denkt, sich dabei für Brot entscheiden zu können, also zum Beispiel für billiges Gas oder Öl von Putin, der wird irgendwann sowohl Brot als auch Freiheit verlieren.“

Zugleich droht sie „Kollaborateuren“ in den von Russland kontrollierten Gebieten:

In Artikel 111 ist klar festgehalten, wie Menschen bestraft werden, wenn sie bewusst mit den Russen zusammengearbeitet oder russische Pässe angenommen haben, wenn sie dem Feind geholfen haben: Sie kommen ins Gefängnis – bei schwersten Verbrechen lebenslang. Es wurden schon mehr als 1000 Strafverfahren eingeleitet und es gibt Stellen, die mit staatlicher Befugnis ermitteln.“

Sie sei jüngst in Charkiw gewesen, erklärte die Vizepräsidentin, und habe „von Einwohnern gehört, wie sehr sie sich wünschen, dass Kollaborateure zur Rechenschaft gezogen werden“.

Russen „offensichtlich gekommen, um zu bleiben“

Die Rückeroberungsambitionen der Ukraine könnten jedoch durch Zerstörungen an der Infrastruktur jäh gebremst werden. Dies äußert der österreichische Experte Oberst Markus Reisner. Das Portal „exxpress.at“ zitiert ihn mit der Einschätzung:

Aktuelle Satellitenbilder zeigen, dass es in der Ukraine schlicht und ergreifend immer finsterer wird im Vergleich zu den Ländern rund herum.“

Die in der Ukraine verbliebenen 35 Millionen Menschen stünden vor einem harten Winter mit ungewissem Ausgang. Mitte Oktober habe es bei Kiew einen ersten Angriff auf das „zentrale Nervensystem“, die 750-kV-Leitungen, gegeben.

Die Ukraine versuche, die russische Kräftegruppierung im Raum Cherson, Saporischschja und auf der Krim vor dem Winter von der Versorgung abzuschneiden. Russische Kräfte grüben sich jedoch entlang der von ihnen gehaltenen Gebiete ein.

Im Donbass und Cherson sind umfangreiche Schanzarbeiten erkennbar. Die Russen sind offensichtlich gekommen, um zu bleiben.”

Kein Zusammenbruch der Moral bei russischen Streitkräften zu erkennen

Dem russischen Verteidigungsminister zufolge würden demnächst 82.000 weitere russische Soldaten an der Front eintreffen. Entgegen westlichen Darstellungen könne von einem Zusammenbruch der Moral der russischen Streitkräfte keine Rede sein. Die Teilmobilisierung sei trotz anfänglicher gravierender Missstände angelaufen, erklärt Reisner:

Im Dezember und Jänner werden die Masse der Mobilisierten in den Kampfräumen eintreffen und dort das seit Februar bestehende Hauptdefizit der russischen Streitkräfte, den Mangel an Infanterie, ausgleichen. Darauf muss sich die Ukraine einstellen.“

 



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