In Europa könnte bald ein neuer Staat unter muslimischer Führung entstehen

In der Hauptstadt Albaniens soll nach Plänen der Regierung ein neuer Staat nach Vorbild des Vatikans entstehen. Dieser würde dieser dem gemäßigten Bektaschi-Orden gehören, der Alkohol erlaubt und Terrorismus ablehnt.
Titelbild
Sitz des Bektaschi-Patriarchats, der Weltzentrale des muslimischen Sufi-Ordens, in Tirana, Albanien. Nach Plänen des albanischen Ministerpräsidenten soll hier ein neuer Staat entstehen.Foto: iStock/Elton Xhafkollari
Von 26. September 2024

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Der kleinste Staat der Welt könnte demnächst in Europa, im Herzen Albaniens, gegründet werden. Edi Rama, der Ministerpräsident des Landes, das im Norden an Griechenland grenzt, gab die Nachricht kürzlich bekannt. Am Rande der UN-Vollversammlung am Wochenende kündigte der Regierungschef an, dass ein islamischer Kleinstaat nach dem Vorbild des Vatikans für den muslimischen Sufi-Orden der Bektaschi gegründet werden soll.

In einem Interview mit der „New York Times“ sagte der albanische Premierminister, das Ziel des neuen Staates sei es, eine tolerante Version des Islams zu fördern, auf die Albanien stolz sein könne.
Ein bekennend gemäßigter islamischer Kleinstaat, so Rama, sende eine Botschaft: „Lasst nicht zu, dass das Stigma der Muslime definiert, wer Muslime sind.“

Das Gebiet des neuen Staates soll aus der albanischen Hauptstadt Tirana ausgegliedert werden. Der Staat soll den Namen „Souveräner Staat des Bektaschi-Ordens“ tragen und nur zehn Hektar groß sein. Dies entspricht etwa einem Viertel der Größe der Vatikanstadt.

Keine Einschränkungen im Lebensstil

Der Souveräner Staat des Bektaschi-Ordens wird im östlichen Teil von Tirana entstehen, auf dem Gelände, auf dem sich derzeit der Sitz des Bektaschi-Patriarchats befindet. Das künftige Staatsoberhaupt des neuen Landes ist Edmond Brahimaj, von Anhängern Baba Mondi genannt. Er ist das religiöse Oberhaupt des muslimischen Ordens von Bektaschi.

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Mondi beabsichtigt, den zukünftigen Staat mit „Liebe und Güte“ zu regieren. Dementsprechend sind neben der albanischen Rechtsordnung keine weiteren Einschränkungen der Lebensweise geplant, sagte er der „New York Times“. Keine besonderen Kleidervorschriften sind vorgesehen, und sogar Alkohol soll frei konsumiert werden können.

Die Verwaltung wird von Albanien getrennt und die Bürger sollen Pässe des neuen Landes besitzen. Baba Mondi hat jedoch in lokalen Zeitungen betont, dass die Staatsbürgerschaft auf Mitglieder des Klerus und auf diejenigen, die in der staatlichen Verwaltung arbeiten, beschränkt sein werde. „Im Gegensatz zu dem, was in den Medien gesagt wird, wird der neue Staat keinen anderen Zweck haben als die geistliche Führung“, erklärte er.

Das zukünftige Staatsoberhaupt betonte auch, dass die Staatsbildungsinitiative den interreligiösen Dialog fördern und den Extremismus bekämpfen soll. „Bei dieser Initiative geht es nicht um Selbstbestimmung; wir streben weder Einfluss noch politische Macht an. Stattdessen suchen wir die Freiheit, unsere jahrhundertealte Tradition der spirituellen Mäßigung und religiösen Toleranz fortzusetzen“, so Mondi.

Bektaschi-Orden: Die Sufi-Mystiker, die Scherze lieben und Terror verurteilen

Der Bektaschi-Orden ist eine islamische Sufi-Religion mit einer mystischen Tradition. Seine Wurzeln gehen auf das Osmanische Reich im 13. Jahrhundert zurück.

Nach der Gründung der Türkischen Republik im Jahr 1923 wurde der Orden von Kemal Atatürk aus der Türkei verbannt. Die Bektaschi-Muslime verlegten daraufhin 1925 ihr Hauptquartier nach Albanien. Aber selbst in dem Land, das für seine religiöse Toleranz bekannt ist, hatten sie ihre Schwierigkeiten. Während des kommunistischen Regimes nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie bis 1990 zu einer verfolgten Gruppe.

Haji Bektash Veli (circa 1209–1271), der Begründer des Bekhtaschi-Ordens. Foto: Wikimedia Commons

Der Sufi-Glaube zwingt seine Anhänger nicht dazu, sich an die traditionellen islamischen Prinzipien zu halten. In einem Interview mit dem Sender „euronews“ im Jahr 2018 sagte Mondi, dass der Bektaschi-Glaube die Verantwortung für alle Handlungen auf den Einzelnen übertrage und daher diejenigen, die im Namen Gottes Terroranschläge verüben, nicht als wahre Bektaschi-Gläubige gelten.

Neben Mäßigung und religiöser Toleranz sind das Erzählen von Witzen und humorvollen Geschichten Bestandteile der Bektaschi-Kultur. Sie scherzen oft in Bezug auf traditionelle religiöse Ansichten. Eine Geschichte erzählt von einem Bektaschi, der einmal in der Moschee betete. Während die anderen um ihn herum beteten: „Möge Gott mir Glauben geben“, murmelte er: „Möge Gott mir viel Wein geben“. Der Imam hörte das und fragte ihn wütend, warum er Gott um eine Sünde bittet, statt wie alle anderen um Glauben. Der Bektaschi antwortete: „Nun, jeder bittet um etwas, das er nicht hat.“

Die Schaffung des neuen Staates

Bektaschi machen etwa zehn bis 20 Prozent der muslimischen Gemeinschaft in Albanien aus. Albaner gehören traditionell nicht einer einzigen Religion an. Katholizismus hauptsächlich im Norden, Orthodoxie hauptsächlich im Süden, sunnitischer Islam hauptsächlich in den zentralen und östlichen Teilen und Bektaschismus hauptsächlich im Süden.

Die Mitglieder des Baktaschi-Ordens spielten auch früher schon eine größere Rolle in den politischen Entwicklungen des Landes. Sie waren Unterstützer in Albaniens nationalistischem Aufbruch gegen die türkische Herrschaft. Dabei vertraten sie eine gemäßigte Form des Islam, die dazu beitrug, „die großen muslimischen und christlichen Gemeinschaften des Landes hinter der säkularen Sache der Unabhängigkeit zu vereinen“, so die „New York Times“.

Nun arbeiten albanische Juristen an dem Gesetzentwurf für den neuen Staat und dessen Status. Dieser muss vom albanischen Parlament verabschiedet werden. Um letztlich ein wirklicher Staat zu werden, müssen die anderen Länder den Souveränen Staat des Bektaschi-Ordens auch anerkennen.

 



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