İmamoğlu ist Präsidentschaftskandidat – Massenprotest gegen Inhaftierung

Ekrem İmamoğlu ist in U-Haft und als Präsidentschaftskandidat der CHP gewählt. Viele Menschen sind empört über seine Inhaftierung, sie protestieren trotz Demonstrationsverbots. Parteichef Özel spricht von einer Million Demonstranten in Istanbul. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein.
Titelbild
Während einer Demonstration zur Unterstützung des verhafteten Bürgermeisters von Istanbul am 23. März 2025 in Ankara kam es zu Zusammenstößen mit der türkischen Bereitschaftspolizei. Diese setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.Foto: Adem Altan/AFP via Getty Images
Epoch Times24. März 2025

Nach der Inhaftierung und vorübergehenden Absetzung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu weiten sich die Proteste in der Türkei aus. In mehreren Städten des Landes zogen Hunderttausende durch die Straßen, unter anderem auch in Istanbul und Ankara – trotz Demonstrationsverbots.

Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstrierenden ein. İmamoğlu Partei CHP wählte ihn kurz zuvor trotz Inhaftierung zum Präsidentschaftskandidaten.

Die Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) zu Deutsch Republikanische Volkspartei, ist die älteste politische Partei der Türkei. Sie gilt als pro-europäisch und modernisierungsorientiert, ist seit 2002 die größte Oppositionspartei des Landes und bildet einen Gegenpol zu regierenden islamisch-konservativen AKP unter Erdoğan.

Am frühen Montagmorgen wurden zudem acht Journalisten in ihren Wohnungen in Istanbul und Izmir festgenommen, wie die türkische Menschenrechtsorganisation MLSA mitteilte.

Landesweite Proteste seit fünf Tagen

Der Istanbuler Bürgermeister gilt als aussichtsreichster Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan bei der für 2028 angesetzten Wahl.

Er war am 19. März im Zusammenhang mit Korruptions- und Terrorermittlungen festgenommen und vier Tage später wegen Korruptionsvorwürfen in Untersuchungshaft überführt worden. Zudem gibt es Terrorermittlungen gegen ihn.

Seit der Festnahme gibt es landesweite Proteste dagegen – mittlerweile den fünften Tag in Folge.

İmamoğlu selbst bestreitet alle Vorwürfe und wirft seinerseits der Regierung vor, ihn mit den Ermittlungen als politischen Rivalen kaltstellen zu wollen.

Das Innenministerium erkannte ihm wegen der Untersuchungshaft das Bürgermeisteramt ab. Das Ministerium sprach dabei von einem „vorübergehenden“ Schritt. Medienberichten zufolge wurde er in ein Gefängnis in Silivri gebracht.

1,6 von 1,7 Millionen Parteimitgliedern stimmten für ihn

Trotz der Untersuchungshaft votierten in einer parteiinternen Abstimmung 1,6 Millionen der 1,7 Millionen CHP-Mitglieder für İmamoğlu als Präsidentschaftskandidaten, wie Parteichef Özgür Özel am Abend bei einer Kundgebung in Istanbul sagte.

Özel sprach von einer „historischen Wahl“. Doch wegen der gegen İmamoğlu laufenden Ermittlungen, die das Land seit Tagen in Aufruhr versetzen, steht ein großes Fragezeichen hinter der politischen Zukunft des 53-Jährigen.

Zusätzlich hatte die Partei sogenannte Solidaritätswahlboxen aufgestellt – dort konnten Menschen symbolisch ihre Stimme für İmamoğlu abgeben. Özel zufolge käme man nach Auszählung von etwas mehr als der Hälfte der Solidaritäts-Urnen bereits auf mehr als 13 Millionen symbolische Stimmen für İmamoğlu. Die Türkei hat 85,6 Millionen Einwohner.

Türkische Polizei setzt Pfefferspray ein, um Demonstranten während einer Kundgebung zur Unterstützung des verhafteten Bürgermeisters von Istanbul, Ekrem İmamoğlu, am 23. März 2025 zu vertreiben. Foto: Yasin Akku/AFP via Getty Images

Die Wahl, in der İmamoğlu als einziger Kandidat antrat, war bereits vor seiner Festnahme angesetzt worden. Die Partei öffnete sie danach symbolisch für Nicht-Parteimitglieder.

Offizieller Kandidat ist İmamoğlu erst, wenn die als regierungsfreundlich geltende türkische Wahlbehörde YSK seine Kandidatur bestätigt. Sollten die Ermittlungen nicht eingestellt werden, ist die Annahme seiner Kandidatur unwahrscheinlich.

Weiterhin war İmamoğlu einen Tag vor seiner Festnahme sein Universitätsabschluss aberkannt worden. Dieser ist Voraussetzung für eine Kandidatur für das Präsidentenamt. Umfragen sagen İmamoğlu bisher gute Chancen gegen den seit 2003 abwechselnd als Regierungschef oder Präsident an der Staatsspitze stehenden Erdoğan voraus.

CHP-Chef spricht von einer Million Demonstranten in Istanbul

Zu dem Protest am Sonntagabend in der Millionenmetropole Istanbul fanden sich vor der Stadtverwaltung auf dem Sarachane-Platz Hunderttausende ein.

Der CHP-Chef sprach von einer Million Teilnehmern. Von lokalen Behörden gibt es keine Angaben zu der Größe der Demonstrationen. Auch in Ankara setzten Tausende Menschen Berichten zufolge die Proteste fort. Laut dem Innenministerium wurden rund 700 Menschen festgenommen.

Die Polizei reagierte mit Tränengas: Auf einer Kundgebung zur Unterstützung des verhafteten Istanbuler Bürgermeisters am 23. März 2025 in Istanbul. Foto: Kemal Aslan/AFP via Getty Images

„Ich grüße die Millionen, die heute Abend auf dem Sarachane-Platz und auf den Plätzen überall in meinem Land ihre Stimme erhoben haben“, hieß es in einer Mitteilung, die auf İmamoğlu X-Account veröffentlicht wurde. „Sie haben Erdoğan gesagt: ‚Jetzt reicht es!‘.“

Noch zwei weitere Bürgermeister abgesetzt

Auch die Bürgermeister der Istanbuler Gemeinden Beylikdüzü und Sisli wurden abgesetzt, in Sisli wurde ein Zwangsverwalter bestimmt. Ob für die politisch bedeutsame Metropole Istanbul nun ein regierungsnaher Treuhänder eingesetzt wird, ist noch unklar.

Derweil kritisierte Frankreich die Verhaftung İmamoğlu als schwere Beschränkung der Demokratie. Die Einhaltung der Rechte von gewählten Oppositionellen, die Demonstrationsfreiheit und die Freiheit der freien Meinungsäußerung seien Grundpfeiler des Rechtsstaates.

Die Türkei habe auch als EU-Beitrittskandidat in diesen Punkten Engagement zugesagt, mahnte das französische Außenministerium. (dpa/red)



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