Im kommenden Jahr wird Indien das bevölkerungsreichste Land werden
Noch leben in China mehr Menschen als in Indien. Doch im kommenden Jahr dürfte sich dies laut Prognosen der Vereinten Nationen ändern. In beiden Ländern gibt es bereits über 1,4 Milliarden Einwohner. Die Bevölkerung Indiens wird laut dem Trend weiter anwachsen, während die von China abnimmt.
Im vergangenen Jahrhundert hatten beide Länder noch Maßnahmen unternommen, um dafür zu sorgen, dass das Bevölkerungswachstum gebremst wird. China setzte eine rigorose Ein-Kind-Politik durch, Indien führte Sterilisationen bei Frauen durch.
Beides wirkte sich erkennbar auf die Geburtenrate (Fertilitätsrate) aus. Innerhalb der letzten 60 Jahre sank diese in beiden Ländern auf rund ein Drittel. In China liegt sie derzeit bei 1,18, in Indien bei 2,01.
Mit und ohne Verhütung
Die Bevölkerung in Indien wächst noch, jedoch ist die Geburtenrate rückläufig. Seit einiger Zeit haben Inderinnen nach offiziellen Zahlen im Schnitt nur noch zwei Kinder, was unter der für eine stabile Bevölkerung notwendigen Reproduktionsrate von 2,1 liegt. Demnach nutzen inzwischen rund zwei Drittel der Paare Verhütungsmittel. Vor fünf Jahren tat dies erst jedes zweite Paar.
Rund zwei Drittel der Bevölkerung Indiens, rund 900 Millionen Menschen, sind im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 64. Diese Gruppe dürfte in den kommenden Jahren weiter wachsen – anders als in westlichen Ländern wie Deutschland, wo die Bevölkerung zunehmend überaltert.
Indische Politiker haben diese Tatsache immer wieder als „Demografische Dividende“ bezeichnet, als Booster für die Wirtschaft. Zudem gilt dies als Chance, die Lebensumstände von Millionen Menschen zu verbessern.
Bildung und Jobs
Die vielen jungen Menschen könnten eine Chance für Indien sein. Andererseits erschafft dies neue Probleme: Zwar wächst die Wirtschaft relativ schnell, doch für das Wachstum sind aber vor allem Firmen im Dienstleistungssektor verantwortlich, die vergleichsweise wenige Jobs generieren. So finden viele keinen Job und sind vom Geld ihrer Familienmitglieder abhängig.
Eine wirklich gute Ausbildung an guten Schulen erhalten nur relativ wenige. Von den Frauen arbeitet nach verschiedenen Schätzungen etwa ein Drittel, was unter anderem mit dem Jobmangel und den konservativen Werten im Land zusammenhängt.
Für Inder mit geringer Ausbildung müsse sein Land unbedingt mehr Jobs in der Produktion schaffen, fordert Prof. Alakh N. Sharma. Diejenigen mit guter Ausbildung sollten den Bereichen IT, Gesundheit und Bildung Arbeit erhalten. Zudem müsse das Land mehr in die Bildung investieren. Prof. Sharma ist Direktor des Institute for Human Development in der Hauptstadt Neu-Delhi.
Fabrikjobs werde das Land hoffentlich mit dem Regierungsvorhaben „Make in India“ schaffen. Die Verantwortlichen wollen ausländische und indische Firmen unter anderem mit dem Abbau von bürokratischen Hürden anlocken. Und schließlich sollte die Regierung mehr Frauen eine Hochschulbildung ermöglichen.
Passiere all dies, könne Indien seine „Demografische Dividende“ wirklich ausschöpfen, bevor auch die Bevölkerung in Indien, wie in China und im Westen, zunehmend alt wird. Sharma zeigt sich optimistisch: „Es wird schwierig für Indien sein, aber ich habe Hoffnung“, sagt er. „Es wird nicht über Nacht passieren, aber es muss bald passieren.“
Gesundheit und Krankheit
In Indien hat die Zahl der Menschen, die an nichtübertragbaren Krankheiten wie Herz- oder Lungenleiden gestorben sind, deutlich zugenommen. Nach Daten der indischen Regierung waren zuletzt mehr als 60 Prozent aller Todesfälle in Indien auf solche Krankheiten zurückzuführen, vor drei Jahrzehnten waren es weniger als 40 Prozent.
Gründe für die vielen Krankheitsfälle sind beispielsweise die starke Luftverschmutzung und Unterernährung. Gleichzeitig gibt die Regierung weniger als drei Prozent ihres Haushalts für Gesundheit aus, wie Sharma sagt. Auch dies führe dazu, dass viele keinen Zugang zu guter Gesundheitsinfrastruktur hätten. „Indien sollte sich in den nächsten paar Jahren eine Krankenversicherung für alle leisten. Das Land kann sich das leisten“, erläutert Prof. Sharma.
Die Armut hat insgesamt abgenommen. Aufgrund der hohen Einwohnerzahl hat das Land jedoch nach wie vor die weltgrößte Anzahl an Armen, wie das UN-Entwicklungsprogramm UNDP betont.
Auch die Ungleichheit im Land ist groß, und sie nimmt zu: Laut der Hilfsorganisation Oxfam besitzen zehn Prozent der indischen Bevölkerung 77 Prozent des Reichtums im Land. Habe es im Jahr 2000 neun Milliardäre gegeben, so seien es inzwischen 199. In weniger florierenden Gegenden ist wenig vom modernen Indien und von wirtschaftlichem Aufschwung zu sehen. Hinzu kommt, dass mehr als die Hälfte der Menschen von der Landwirtschaft leben, viele von kleinen Betrieben.
Zugang zu Wasser
In Indien leben laut Weltbank gut 18 Prozent der Weltbevölkerung, während sich nur vier Prozent der Wasserressourcen hier befinden. Viele Menschen haben Mühe, an Wasser zu kommen. Rund sechs Prozent der Bevölkerung haben keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser. Frauen müssen oft stundenlang in Schlangen bei Wasserpumpen warten und/oder weite Wege zu anderen Wasserquellen zurücklegen.
Sharma glaubt, dass die Ressourcenprobleme in den Städten künftig noch zunehmen könnten, da Menschen für die Arbeit zunehmend dorthin ziehen: „Die Regierung hat unsere Städte nicht wirklich geplant. Und das kann man sehen.“
(Mit Material von dpa)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion