Human Rights Watch: Türkische Polizei nutzt Notstandsgesetze für Folter
Seit der Verhängung des Ausnahmezustands in der Türkei foltert die türkische Polizei nach Angaben von Human Rights Watch (HRW) systematisch Gefangene. In einem am Dienstag veröffentlichten Bericht dokumentiert die Menschenrechtsorganisation 13 Fälle von Menschen, die in Haft durch Stresspositionen, Schlafentzug, Schläge und sexuellen Missbrauch gefoltert wurden. Die Organisation forderte, die mit dem Notstand ausgesetzten Vorschriften zum Schutz Gefangener sofort wieder in Kraft zu setzen.
Nach Angaben von HRW erhöht der seit dem Putschversuch Mitte Juli geltende Notstand die maximal mögliche Haftzeit bis zur richterlichen Prüfung von vier auf 30 Tage. Zudem könne Gefangenen bis zu fünf Tagen jeglicher Kontakt zu einem Rechtsbeistand verwehrt werden. Der Verteidiger könne zudem nicht immer frei gewählt werden und auch das Recht auf vertrauliche Anwaltsgespräche werde eingeschränkt. Dieser erweiterte Handlungsspielraum der Polizei sei zudem mehrfach überschritten worden.
HRW: „Völkerrechtliche Folterverbot ist absolut“
„Das völkerrechtliche Folterverbot ist absolut und darf auch in Kriegs- und Notstandszeiten nicht eingeschränkt werden“, erklärte HRW. Der Ausnahmezustand war am 20. Juli verhängt worden, fünf Tage nach dem gescheiterten Putschversuch mit mehr als 300 Toten. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan macht die Hizmet-Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den versuchten Staatsstreich verantwortlich.
Von Mitte Juli bis Ende September wurden nach offiziellen Angaben rund 32.000 Menschen festgenommen. Dem HRW-Bericht zufolge wurden seit Verhängung des Ausnahmezustands aber nicht nur Gülen-Sympathisanten in Haft misshandelt, sondern auch angebliche Mitglieder der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sowie linke Aktivisten. „Auch diesen Menschen wird jeglicher Schutz vor Folter verwehrt“, erklärte HRW.
Befragt wurden 40 Anwälte, Menschenrechtler, ehemalige Gefangene und Mediziner
Für ihren Untersuchungsbericht befragte die Organisation nach eigenen Angaben mehr als 40 Anwälte, Menschenrechtsaktivisten, ehemalige Gefangene, medizinisches Personal und Gerichtsmediziner. HRW beklagte ein „überwältigendes Klima der Angst“ in der Türkei. Die Namen der meisten befragten Gefangenen und ihrer Anwälte wollte HRW aus Furcht vor Repressionen nicht veröffentlichen.
Bereits Ende Juli hatte Amnesty International Foltervorwürfe gegen die türkische Polizei erhoben. Die Menschenrechtsorganisation berichtete von Misshandlungen und Folter in offiziellen und inoffiziellen Haftzentren.
Die Sprecherin für internationale Beziehungen der Linksfraktion im Bundestag, Sevim Dagdelen, forderte mit Blick auf den HRW-Bericht eine sofortige Aussetzung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. „Jede weitere Polizei- und Waffenhilfe für die Türkei wäre verbrecherisch und muss gestoppt werden“, erklärte Dagdelen. Sie warf der Bundesregierung Tatenlosigkeit angesichts von Menschenrechtsverletzungen vor. (afp/dk)
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