Horst Köhler seit einem Jahr im Amt
Am 1. Juli 2004 wurde Horst Köhler vor dem Deutschen Bundestag offiziell vereidigt und trat damit sein Amt an. Aus Anlass dieses Jahrestages lassen wir mit einem Auszug aus einer öffentlichen Rede den Bundespräsidenten selbst zu Wort kommen.
Rede auf der Jahrestagung
„Zum Wandel ermutigen – Stiftungen als Innovationskraft“
des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen 13.Mai 2005 in Freiburg:
„Heute stehen am Rande der meisten Bundesstraßen Notrufsäulen. Und wer schnell Hilfe braucht, weiß: Der bundesweit einheitliche Notruf lautet 110 für die Polizei und 112 für die Feuerwehr. Was viele jedoch nicht wissen: Die Idee für die beiden Notrufsysteme geht nicht auf eine staatliche Institution, sondern auf eine private Initiative zurück: Die Björn-Steiger-Stiftung. Ute und Siegfried Steiger gründeten sie im Sommer 1969; ein Vierteljahr, nachdem ihr kleiner Sohn Björn an den Folgen eines Autounfalls gestorben war. Und zwar deshalb, weil es zu lange dauerte, bis Hilfe kam.
Das Ehepaar Steiger ist ein Beispiel für Menschen, die nicht einfach auf den Staat warten, sondern sich engagieren. Menschen tun dies aus den verschiedensten Gründen: aus sehr privaten wie die Steigers. Aus Mitmenschlichkeit und Solidarität oder aus persönlicher Leidenschaft. So hat sich in Deutschland eine breite Stiftungslandschaft gebildet, mit alten und neuen, großen und kleinen Stiftungen. Es gibt kaum ein gesellschaftliches Thema, dem sich Stiftungen nicht widmen.
Schon das Beispiel des Stifterehepaars Steiger macht auf sehr anschauliche Weise deutlich, was die Stärke von Stiftungen ist: Sie machen Erfahrungen Einzelner für die Gemeinschaft nutzbar und suchen nach richtungweisenden Lösungen. Sie denken vor und handeln. „Ist das nicht ein zu positives Bild von Stiftungen?“, werden manche vielleicht fragen. Ich meine: Nein, das ist es nicht. Stiftungen sind eine nachhaltige Innovationskraft für unser Land.
Sie greifen als Denkfabriken mit Phantasie und Ideenreichtum drängende Fragen unserer Gesellschaft auf: Wie können wir ein kinder- und familienfreundlicheres Land werden? Wie schaffen wir Arbeitsplätze und ein gutes Klima für Unternehmer? Wie reformieren wir das föderale System? Wie bringen wir Bildung und Forschung auf Spitzenniveau? Wie geben wir drogenabhängigen Jugendlichen eine neue Chance?
Nicht nur die großen, bekannten Stiftungen denken vor und handeln. Es sind gerade auch die vielen kleinen Stiftungen, die ich würdigen will. Stiftungen, von denen die meisten Menschen noch nie gehört haben, obwohl ihre Arbeit vielen von uns nützt oder nützen wird. Zum Beispiel deshalb, weil sie in neuen Projekten damit experimentieren, wie wir besser mit der Herausforderung „Wohnen im Alter“ umgehen können. Oder weil sie Projekte und Initiativen zur Generationengerechtigkeit voranbringen.
Das Schöne an Stiftungen ist: Sie können Neues ausprobieren. Ihre Konzepte müssen nicht sofort auf fruchtbaren Boden fallen und nicht direkt umsetzbar sein. Stifter können über viele Legislaturperioden hinweg wirken und müssen auch keine Renditezahlen im Quartalsrhythmus vorlegen. Ihr Wirken ist fokussiert auf eine Idee, auf ein oft noch entferntes Ziel. Stiftungen können einer langfristigen Strategie folgen und so Zukunft denken, anstatt vor allem die Gegenwart zu verwalten.
So treten sie oft in einen fruchtbaren Wettbewerb um das bessere Konzept mit anderen nichtstaatlichen wie staatlichen Institutionen. Es ist kein Zufall, dass es in Diktaturen kein Stiftungswesen gibt. Diktatorische Systeme können sich nicht auf einen Wettstreit um die bessere Idee zum Wohle aller einlassen. Stiftungen sind ein Kennzeichen freier, demokratischer Gesellschaften.“
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion