Hitzige Debatte nach Ginsburgs Tod entbrannt – Trump würdigt sie als „Titanin des Rechts“
Nach dem Tod der US-Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg zeichnet sich eine heftige politische Auseinandersetzung um ihre Nachfolge ab:
Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, teilte am Freitag mit, der Senat würde sich trotz der bevorstehenden Präsidentschaftswahl einer Abstimmung über einen von US-Präsident Donald Trump vorgeschlagenen Kandidaten nicht verweigern. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden forderte hingegen, mit der Nominierung bis nach der Wahl zu warten.
Gemäß der US-Verfassung bestimmt der Präsident die Richter des Obersten Gerichtshofs der USA, doch der Senat muss dem Vorschlag zustimmen. Eine Abstimmung nur kurz vor einer Wahl wäre äußerst ungewöhnlich.
„Die Wähler sollten über den Präsidenten entscheiden, und der Präsident sollte dem Senat einen Richter vorschlagen“, forderte Biden vor Journalisten am Freitag. „Diese Position haben die Republikaner im Senat 2016 eingenommen, als noch fast zehn Monate bis zur Wahl blieben. Und das ist die Position, die der Senat auch heute einnehmen muss.“
Ginsberg selbst hatte einem Bericht des Senders NPR zufolge kurz vor ihrem Tod ebenfalls die Hoffnung geäußert, dass ihr Nachfolger erst nach der Wahl bestimmt werde. Wenige Tage vor ihrem Tod diktierte sie demnach ihrer Enkelin Clara Spera ihren „letzten Willen“: „Mein sehnlichster Wunsch ist, dass ich nicht ersetzt werde, bis ein neuer Präsident eingesetzt wurde.“
Die einflussreiche US-Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg ist im Alter von 87 Jahren in ihrem Haus in Washington gestorben, teilte der Supreme Court, das Oberste Gericht des Landes, am Freitag mit. Sie starb demnach an Bauchspeicheldrüsenkrebs, der Metastasen gebildet hatte.
US-Präsident Donald Trump würdigte sie als „Titanin des Rechts“. Trump, der sich gerade auf Wahlkampftour im US-Bundesstaat Minnesota befindet, erfuhr am Freitag von Journalisten von ihrem Tod.
„Sie ist gestorben?“, fragte er. „Das wusste ich nicht. Sie hat ein unglaubliches Leben geführt. Was soll man sonst dazu sagen?“ Das Weiße Haus setzte nach Ginsburgs Tod die Flaggen auf halbmast, wie eine Sprecherin mitteilte.
Clinton ernannte Ginsburg
Ginsburg war 1993 vom damaligen US-Präsidenten Bill Clinton zur Richterin am Supreme Court ernannt worden und war unter anderem wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte, Minderheiten und die Umwelt im linksliberalen Spektrum der USA bekannt.
Die 87-Jährige war in der Vergangenheit mehrfach an Krebs erkrankt. Ihre Gesundheitsprobleme hatten unter den Demokraten Sorgen hinsichtlich der künftigen personellen Zusammensetzung des Obersten Gerichts geschürt. In dem neunköpfigen Richterkollegium haben die konservativen Kräfte zurzeit ein Übergewicht, das bei Berufung eines konservativen Nachfolgers für Ginsburg nun weiter ausgebaut werden könnte.
US-Präsident Donald Trump hat seit Amtsantritt zwei konservative Richter an den Supreme Court berufen. Die Richter am obersten US-Gericht werden auf Lebenszeit ernannt. Ginsburg hatte wiederholt betont, dass sie sich nur dann aus dem Supreme Court zurückziehen würde, wenn sie sich nicht mehr imstande sähe, ihr Arbeitspensum zu bewältigen.
Demokraten wollen Nachfolge bis nach der Wahl hinauszögern
Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, würdigte Ginsburg im Onlinedienst Twitter als „Gigantin der amerikanischen Geschichte“ und mahnte, die Entscheidung über ihre Nachfolge nicht zu überstürzen. Die Stelle solle erst nach der Präsidentschaftswahl am 3. November besetzt werden, forderte Schumer.
Ginsburg wurde 1933 als Kind jüdischer Eltern in Brooklyn geboren. Sie studierte an der renommierten Cornell University, wo sie auch ihren Mann Martin kennenlernte. Das Paar schrieb sich gemeinsam an der Harvard Law School ein und bekam im Lauf der Jahre zwei Kinder.
Nachdem ihr Mann eine Stelle in einer Anwaltskanzlei in New York angenommen hatte, schloss sie ihr Studium an der Columbia University ab. Obwohl Ginsburg eine der besten Absolventinnen ihres Jahrgangs war, schlug schließlich eine akademische Laufbahn ein und unterrichtete an der Rutgers und der Columbia University.
In den 1970er Jahren brachte sie für die Bürgerrechtsunion American Civil Liberties Union erfolgreich Fälle sexueller Diskriminierung vor Gericht.
Nach einer Zwischenstation als Richterin an einem Bundesberufungsgericht wurde sie 1993 schließlich an den Supreme Court berufen – als damals erst zweite Frau. Die Gleichstellung von Frauen gehörte zu den Schwerpunkten ihrer langen Laufbahn. In linksliberalen Kreisen genoss „RBG“ – wie sie genannt wird – Kultstatus. (afp/nh)
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