Historiker: Russland drängt Einfluss Frankreichs in Afrika zurück
Auch wenn der Ukrainekrieg die Präsenz in Afrika verringert, baut Russland seinen Einfluss dort zunehmend aus. Davon ist der Militärhistoriker Bernard Lugan überzeugt. Der Bedeutungszuwachs Moskaus gehe vor allem auf Kosten Frankreichs. Dieses habe sich mit seiner Afrikapolitik „selbst in den Fuß geschossen“, diagnostiziert der im ruandischen Butare lehrende Wissenschaftler.
Frankreich hat Rolle der Religion im malischen Bürgerkrieg überschätzt
Im Interview mit dem Portal „RMX News“ spricht er von folgenschweren Fehlern, die Paris wiederholt gemacht habe. Zuletzt habe sich in Mali das gleiche Fehlverhalten wiederholt, das man zuvor bereits in der Zentralafrikanischen Republik beobachten konnte. Dieses habe ein Vakuum geschaffen, das Russland problemlos ausfüllen konnte.
In Mali habe Frankreich die religiöse Dimension des Konflikts schlicht überschätzt. Zwar spielten Gruppierungen, die sich dem Dschihadismus verschrieben hätten, dort eine Schlüsselrolle. Tatsächlich seien es jedoch ethnische Spannungen, die regelmäßig zu Eskalationen führten.
Tuareg im Süden, Fulani in der Mitte, Dogon im Osten und hellhäutige Nomaden im Norden kämpften um Einfluss im Gesamtstaat. Die Dschihadisten nutzten dies nur aus, indem sie jeweils eine Seite für sich instrumentalisierten.
Wagner-Gruppe nicht für Massaker verantwortlich – stellt sich aber auch nicht dagegen
Anders als Frankreichs Regierung hätten die Militärs des Landes und Russland den wahren Kern des Konflikts erkannt. Während die Verantwortlichen in Paris dies ignorierten, habe der Kreml strategisch Verbündete gesucht. Er fand diese in den malischen Streitkräften. Deshalb ermöglichte er den Söldnern der Wagner-Gruppe, auf deren Seite im Bürgerkrieg zu intervenieren.
Lugan zufolge sei es nicht die Wagner-Gruppe selbst, die wiederholt Massaker auch an Zivilisten organisiert habe. Diese seien üblicherweise der regulären Armee zuzurechnen. Allerdings hätte diese von den wenigen Wagner-Söldnern in ihren Reihen auch keinen Widerstand zu erwarten.
Der Historiker rechnet mit ähnlichen Misserfolgen der früheren Kolonialmacht in Niger und im Tschad. Diese seien nur noch eine Frage der Zeit. Aufgrund des Ukrainekrieges wäre jedoch nicht damit zu rechnen, dass unmittelbar Wagner-Söldner bereitstünden, um einzugreifen.
Russland vollzog Strategiewechsel wie in der spätsowjetischen Ära
Der russische Präsident Wladimir Putin habe, so Lugan, eine ähnliche geopolitische Kehrtwende vollzogen wie die Sowjetunion in der Ära nach Stalin. Dieser habe keine globalen Ambitionen gehabt, sondern versucht, den Einfluss in Europa auszubauen.
Als dies auf Grenzen stieß und der Westen die UdSSR stattdessen mit einem Netz an Allianzen einkesselte, änderten die Sowjets die Strategie. Von da an sei es ihnen darum gegangen, „die Einkreiser einzukreisen“ – und dazu Verbündete in Asien, Afrika und Lateinamerika zu finden.
Auch Putin sei zu Beginn seiner Präsidentschaft europäisch ausgerichtet gewesen. Als die Versuche, eine Partnerschaft aufzubauen, von Europa zurückgewiesen wurden, begann auch Russland, alte Allianzen zu reaktivieren. Dies sei umso relevanter gewesen, desto mehr sich Russland zunehmend von der NATO eingekreist fühlte.
Wenig Rückhalt für Russland-Sanktionen in Afrika
In den Eliten der unabhängig gewordenen Staaten seien nach wie vor viele Personen mit Russland-Bezug anzutreffen, so Lugan:
Vergessen wir nicht, dass Länder wie Sudan, Guinea, Mali und viele andere Länder es sind, in denen junge Leute an der Patrice-Lumumba-Universität in Moskau ausgebildet wurden. Diese Leute sind jetzt in ihren Fünfzigern oder Sechzigern und sie sind an der Macht oder in einflussreichen Positionen. Russland hat also seine alten Freundschaftsnetzwerke reaktiviert.“
Allerdings habe Russland wahrscheinlich nicht die Mittel, um seine Einflusspolitik im Ausland konsequent auszubauen, wenn das eigene Haus brenne. In diesem Sinne habe der Krieg in der Ukraine der russischen Soft Power in Afrika geschadet. Allerdings sei es gelungen, damit viele afrikanische Staaten politisch enger an sich zu binden.
Viele von ihnen hätten sich auf UNO-Ebene geweigert, Verurteilungen des russischen Vorgehens in der Ukraine mitzutragen. Außerdem schlossen sie sich nicht der westlichen Sanktionspolitik an.
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