Heftige Unruhen in israelischen Städten – Erneut Beschuss aus dem Gazastreifen
Trotz internationaler Appelle ist im Nahen Osten keine Deeskalation in Sicht: Während der wechselseitige Raketenbeschuss zwischen militanten Palästinensern aus dem Gazastreifen und der israelischen Armee auch am Donnerstag weiterging, mehrten sich die Warnungen vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen in israelischen Städten. Wegen der schweren Unruhen zwischen jüdischen und arabischen Israelis kündigte Verteidigungsminister Benny Gantz eine „massive Verstärkung“ der Sicherheitskräfte im ganzen Land an.
Reservisten der Grenzpolizei würden in israelische Städte geschickt, um die Gewalt einzudämmen und „Recht und Ordnung durchzusetzen“, erklärte Gantz. Zuvor hatte die Polizei erneute gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen jüdischen und arabischen Israelis gemeldet. „Die Gewalt innerhalb Israels hat ein Ausmaß erreicht, wie man es seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat“, sagte Polizeisprecher Micky Rosenfeld der Nachrichtenagentur AFP. Polizeibeamte verhinderten „buchstäblich, dass Pogrome stattfinden“, fügte er hinzu.
In der arabisch-israelischen Stadt Kfar Kassem im Zentrum Israels verbrannten Rosenfeld zufolge hunderte Demonstranten Autoreifen und zündeten Polizeiautos an. Fast tausend Grenzpolizisten wurden demnach zur Verstärkung herbeigerufen, mehr als 400 Menschen wurden festgenommen.
Zusammenstöße in mehreren israelischen Städten
Bereits am Mittwochabend hatte es in mehreren israelischen Städten Zusammenstöße zwischen ultranationalistischen Juden und arabischen Israelis sowie der Polizei gegeben. In Bat Yam im Süden von Tel Aviv prügelte eine Menge einen mutmaßlich arabischen Mann bewusstlos. Im zentralisraelischen Lod galt derweil weiter der Notstand, nachdem dort am Montag ein arabischer Israeli erschossen und eine Synagoge in Brand gesteckt worden waren.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Gewalt in israelischen Städten als „inakzeptabel“. „Nichts rechtfertigt das Lynchen von Arabern durch Juden und nichts rechtfertigt das Lynchen von Juden durch Araber“, betonte er. Der arabische Abgeordnete Issawi Fredj von der Meretz-Partei warnte angesichts der Gewalt vor einem „Bürgerkrieg“ in Israel.
Auch international wächst angesichts des andauernden Raketenbeschusses auf Israel aus dem Gazastreifen und der israelischen Vergeltungsschläge die Angst vor einem erneuten Krieg im Nahen Osten. Bereits zum dritten Mal binnen einer Woche kommt wegen der Eskalation am Freitag der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen; voraussichtlich sollen auch Israel und die Palästinenser teilnehmen. Bei den bisherigen Sitzungen hatten sich die Ratsmitglieder nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen können.
US-Präsident Biden hofft auf Ende der Gewalt
US-Präsident Joe Biden äußerte in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu die Hoffnung auf ein rasches Ende der Gewalt. „Meine Erwartung und meine Hoffnung ist, dass das eher früher als später endet“, sagte er. Zugleich bekräftigte Biden Israels Recht auf Selbstverteidigung. US-Außenminister Antony Blinken forderte in einem Telefonat mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ein Ende des Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen.
Am Donnerstag feuerte die radikalislamische Hamas eine schwere Rakete auf den israelischen Flughafen Ramon nahe des Ferienortes Eilat am Roten Meer ab. Ein Sprecher des bewaffneten Arms der Hamas forderte die Einstellung „aller Flüge internationaler Fluggesellschaften an alle Flughäfen“ in Israel. Zuvor hatten die israelischen Behörden wegen des Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen sämtliche Passagierflüge, die am internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv landen sollten, nach Eilat umgeleitet.
Israelischen Angaben zufolge feuerten militante Palästinenserorganisationen wie die Hamas und der Islamische Dschihad seit Montagabend insgesamt mehr als 1600 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ab, die israelische Armee reagierte demnach mit rund 600 Angriffen auf Ziele im Gazastreifen.
Durch die Attacken aus dem Gazastreifen wurden in Israel sieben Menschen getötet, darunter ein sechsjähriges Kind sowie ein Soldat. Im Gazastreifen wurden nach palästinensischen Angaben seit Montag insgesamt 83 Menschen getötet, darunter 17 Kinder. Zudem meldeten die palästinensischen Gesundheitsbehörden knapp 500 Verletzte. Die Hamas bestätigte den Tod mehrerer ihrer militärischen Anführer, darunter auch der Chef ihres bewaffneten Arms im Gazastreifen, Bassem Issa.
Bei den heftigsten Zusammenstößen seit Jahren zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern in Ost-Jerusalem waren in den vergangenen Tagen Palästinenser und Polizisten verletzt worden. (afp/so)
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