Heftige Kämpfe und Massaker in Syrien: Das steckt dahinter

In Syrien kommt es zu heftigen Kämpfen zwischen Anhängern der gestürzten Regierung und den neuen Machthabern. Es gibt Berichte über Massaker an Zivilisten. Der UN-Gesandte Pedersen zeigt sich besorgt.
Titelbild
Gefechte zwischen den Streitkräften des neuen syrischen Verteidigungsministeriums und Assad-treuen Truppen in der Umgebung von Dschabla, Latakia, am 7. März 2025.Foto: MOHAMAD DABOUL/Middle East Images/AFP via Getty Images
Epoch Times8. März 2025

Bei dem schlimmsten Ausbruch von Unruhen in Syrien seit dem Machtwechsel vor rund drei Monaten sind Berichten zufolge Hunderte Menschen bei Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des gestürzten Langzeitherrschers Baschar al-Assad getötet oder verletzt worden.

Dabei sollen laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte nach Angaben von Samstag auch 311 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, von Kämpfern aufseiten der neuen Machthaber hingerichtet worden sein. Bei den Opfern soll es sich um Angehörige der alawitischen Minderheit handeln, der auch al-Assad angehört.

Seit Beginn der Kämpfe über 500 Tote

Die Gesamtzahl der Todesopfer seit Beginn der Kämpfe erhöhte sich angesichts der jüngsten Zahlen auf 524. Darunter seien neben den Zivilisten 120 Kämpfer auf Seiten der Assad-Anhänger und 93 Mitglieder der Sicherheitskräfte der neuen Machthaber.

Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa wandte sich am Freitagabend an die Bevölkerung. Überbleibsel der gestürzten Ex-Regierung hätten mit Angriffen versucht, „das neue Syrien zu testen“.

Er hat die Anhänger des gestürzten Machthabers Baschar al-Assad zur Kapitulation aufgefordert. Die alawitischen Kämpfer müssten sich ergeben, „bevor es zu spät ist“, sagte al-Scharaa am Freitag in einer Ansprache im Onlinedienst Telegram. „Sie haben sich gegen alle Syrer gewandt und einen unverzeihlichen Fehler begangen. Der Gegenschlag ist gekommen“, sagte der Übergangspräsident.

Al-Scharaa lobte die Reaktion der Sicherheitskräfte und rief die Angreifer auf, ihre Waffen niederzulegen. Jeder, der Übergriffe gegen Zivilisten begehe, werde hart bestraft, kündigte der frühere Rebellenchef zugleich an. Berichte über Massaker erwähnte er nicht.

Berichte über Massaker

Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, zeigte sich „zutiefst besorgt“. Er rief in einer Mitteilung alle Seiten auf, von Handlungen abzusehen, „die die Spannungen weiter anheizen, den Konflikt eskalieren, das Leid der betroffenen Gemeinschaften verschlimmern, Syrien destabilisieren und einen glaubwürdigen und integrativen politischen Übergang gefährden könnten“. Der Schutz der Zivilbevölkerung müsse gemäß dem Völkerrecht gewahrt werden.

„Es wurden Massaker an der alawitischen Religionsgemeinschaft verübt“, sagte der Direktor der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel-Rahman, dpa.

Aktivisten aus der Stadt Idlib, mit denen die dpa sprechen konnte, machten bewaffnete Unterstützer der Übergangsregierung dafür verantwortlich. Sie sollen sich Befehlen aus Damaskus widersetzt haben. Laut dem syrischen Staatsfernsehen sollen sich Unbekannte mit Uniformen der Regierungstruppen verkleidet und die Taten begangen haben, um einen Bürgerkrieg anzustiften.

Auswärtiges Amt fordert Ende der Gewalt

Das Auswärtige Amt in Berlin hat ein Ende der Spirale der Gewalt gefordert. „Wir sind schockiert angesichts der zahlreichen Opfer in den westlichen Regionen Syriens“, erklärte das Auswärtige Amt am Freitag im Onlinedienst X.

„Wir rufen alle Seiten auf, friedliche Lösungen, nationale Einheit, einen umfassenden politischen Dialog und eine Übergangsjustiz anzustreben, um die Spirale der Gewalt und des Hasses zu durchbrechen“, hieß es in dem Beitrag weiter.

Erster großer Test für Übergangspräsident al-Schaara

Geheimdienstchef Anas Khatab hatte die eigenen Kämpfer zur Zurückhaltung aufgerufen. Übergangspräsident al-Scharaa rief „alle Kräfte, die sich an den Kämpfen beteiligt haben“ auf, sich den Befehlshabern des Militärs zu unterstellen und „die Stellungen unverzüglich zu räumen, um die aktuellen Verstöße zu kontrollieren“. Für den früheren Rebellenchef sind die Auseinandersetzungen der erste große Test seit der Machtübernahme.

„Die Überbleibsel des alten Regimes nutzen die begrenzten militärischen und sicherheitspolitischen Kapazitäten der syrischen Regierung aus, um den politischen Übergang in Syrien zu behindern“, erklärte Lina Khatib von der Denkfabrik Chatham House dem „Wall Street Journal“.

Al-Schaaras Regierung stehe vor dem Dilemma, hart genug gegen Anhänger Al-Assads vorzugehen, um einen ausgewachsenen Aufstand zu verhindern – ohne aber die Alawiten zu verprellen, die um ihre Zukunft bangten und Angriffe erlebten, so die Zeitung.

Geheimdienstchef Khatab machte führende Figuren aus dem Militär- und Sicherheitsapparat des gestürzten Ex-Präsidenten für die Zusammenstöße verantwortlich. Diese hätten eine verräterische Operation gestartet, bei der Dutzende Mitglieder von Armee und Polizei getötet worden seien.

Sie würden aus dem Ausland gesteuert, schrieb Khatab auf der Onlineplattform X. Tausende Menschen hatten sich in Damaskus und etlichen anderen Städten versammelt, um gegen die bewaffneten Anhänger al-Assads zu demonstrieren.

Kämpfe im Kernland der Alawiten

Viele Menschen forderten, die bewaffneten Angriffe zurückzuschlagen. Die Sicherheitskräfte gehen laut der staatlichen Nachrichtenagentur „Sana“ vor allem entlang der Mittelmeerküste, dem Kernland der alawitischen Minderheit, gegen Anhänger al-Assads vor. In der gebirgigen Küstenregion sind noch bewaffnete Gruppen mit Verbindungen zu der gestürzten Vorgängerregierung aktiv.

Unter anderem in der Stadt Dschabla etwa 25 Kilometer südlich von Latakia, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, soll es zu schweren Gefechten gekommen sein. Laut „Sana“ wehrten Sicherheitskräfte in Latakia einen Angriff auf ein Krankenhaus ab. Für die Stadt und auch die weiter südlich gelegene Küstenstadt Tartus wurden bis Samstagvormittag Ausgangssperren verhängt.

Nach Angaben eines Offiziers verlegte die Übergangsregierung am Freitag größere Truppenkontingente in die Küstenregion. Seitens der Regierungstruppen seien Artilleriegeschütze, Panzer und Raketenwerfer eingesetzt worden. Insgesamt starben bei den Kämpfen nach Angaben der Beobachtungsstelle für Menschenrechte bislang mindestens 237 Menschen.

Assad hatte Syrien mehr als zwei Jahrzehnte regiert. Nach einer Blitzoffensive unter Führung der Islamistengruppe HTS Ende vergangenen Jahres floh er nach Russland. Die neue Übergangsregierung unter Führung von al-Scharaa versucht seitdem die Sicherheit im Land wiederherzustellen und die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Al-Scharaa versprach bei Amtsantritt, alle Gruppen in dem Land in einen Prozess der politischen Erneuerung einzubeziehen und Menschenrechte zu achten. Er hofft damit auf Aufhebung westlicher Sanktionen gegen Syrien. (dpa/afp/red)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion