Hausgeburten werden in Ungarn kriminalisiert
In Ungarn steht die Leiterin des einzigen Geburtshauses des Landes vor Gericht. Dr. Ágnes Geréb wird seit dem 5. Oktober 2010 wie eine Schwerverbrecherin in einem Hochsicherheitsgefängnis in Budapest festgehalten. Die international anerkannte Expertin für Hausgeburten hat in den vergangenen 30 Jahren unablässig für das Recht ungarischer Mütter gekämpft, die freie Wahl zu haben, ihr Kind auch zu Hause bekommen zu dürfen. Nun wird ihr vorgeworfen, sie habe „fahrlässig einen Kunstfehler begangen“. Für ihre Unterstützer ist diese Anklage jedoch nichts anderes als die Fortsetzung der Dämonisierung jener, die sich für ein freies Recht auf eine Hausgeburt in Ungarn einsetzen.
Komplizierte Rechtslage
Die Rechtslage für Hausgeburten in Ungarn ist kompliziert. Die ungarische Verfassung garantiert Frauen zwar das Recht, ihr Baby auf Wunsch zuhause bekommen zu dürfen. Gleichzeitig spricht sie Hausgeburten ab, ein sicheres Umfeld für eine Geburt gewährleisten zu können. Aus diesem – für Hausgeburten-Experten fadenscheinigen – Grund stellen ungarische Gesundheitsbehörden keine Lizenzen für Hebammen aus, um Hausgeburten betreuen zu dürfen. Dadurch treiben sie sowohl Hausgeburten-Hebammen als auch Frauen, die ihr Kind zuhause zur Welt bringen wollen, in den rechtsfreien Raum.
Kritiker werfen den Gesundheitsbehörden gleichzeitig vor, den staatlichen Krankenhäusern ihr Monopol auf Geburtshilfe – und damit eine sichere Geldquelle – zu sichern. So zitiert der britische „Guardian“ den Sprecher der Ungarischen Gemeinschaft für Heimgeburten, Donal Kerry, mit folgenden Worten: „Die staatliche Kampagne gegen Hausgeburten hat etwa 20 Jahre angedauert und wurzelt in der Entschlossenheit einer Clique von Geburtshelfern, ihre eigene Macht und ihr Einkommen aus Spitalsgeburten zu erhalten.“
In ganz Ungarn gibt es nur 15 Hebammen, die Hausgeburten betreuen. Fünf von ihnen sehen im Moment längeren Gefängnisstrafen entgegen.
Verfechterin der freien Wahl
Ágnes Geréb ist international anerkannt und eine Pionierin der Geburtshilfe. In ihrer Zeit im Krankenhaus erlaubte sie als Erste werdenden Vätern den Zugang zum Kreißsaal. Sie hatte bemerkt, dass den Frauen das Gebären im Kreis ihrer Lieben leichter fiel und die Geburt so oft besser verlief. Seit 22 Jahren setzt sich Geréb für eine rechtliche Regulierung ein, die es Familien ermöglicht, sich frei zu entscheiden. Für die Verfechter von Hausgeburten bieten diese neben psychischen, emotionalen und sozialen auch medizinische Vorteile. Durch die direkte Betreuung der Schwangeren durch eine Hebamme können Komplikationen erkannt werden, bevor sie auftreten.
Dr. Gerébs Geburtenzentrum Napvilág (zu Deutsch: Sonnenschein) ist das Einzige in ganz Ungarn. Dafür wurde ihr bereits mehrmals die Lizenz entzogen, 2007 wurde der Gynäkologin für drei Jahre die Erlaubnis entzogen, zu praktizieren. Während ihrer Arbeit half sie über 3.500 Kindern auf die Welt, dabei war die Sterblichkeitsrate niedriger als durchschnittlich in einem Krankenhaus.
Die schulmedizinische Ausbildung von Ärzten und Mitarbeitern in Ungarn wie im Rest von Europa ist zwar qualitativ hochwertig, dennoch ist die Geburt im Krankenhaus oft nicht die sicherste – und vor allem oft nicht die angenehmste – Wahl für Mutter und Kind. Apparatemedizin, eine steigende Kaiserschnittrate und routinemäßige intensive Medikation sprechen eine klare Sprache. In Deutschland lag die Kaiserschnittrate 2008 bei 27,3 Prozent und jene von Ungarn bei 25,6 Prozent. Für eine Kaiserschnittrate über 15 Prozent gibt es in einem Land laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) „keine Rechtfertigung“. In der gesamten EU erreicht jedoch nur Slowenien mit 14,6 Prozent einen geringeren Wert.
Nur wenige Hausgeburten in Deutschland
Dem Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands zufolge werden in Deutschland nur zwischen einem und zwei Prozent der Kinder zuhause geboren. Im Gegensatz dazu bringt in den Niederlanden beinahe jede dritte Frau ihr Kind zuhause zur Welt. Zu den Ausschlusskriterien für eine Hausgeburt gehören Lageanomalien des Babys, ein zu schmales Becken der Mutter oder eine Mehrlingsschwangerschaft. Einer im Jahr 2009 veröffentlichten Studie der Amsterdam Medical University und des Maastricht Universitair Centrum zufolge gehen gesunde Frauen durch die Wahl des Geburtsortes kein Gesundheitsrisiko ein. (aw/fg)
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