Haitis Regierung bittet nach Präsidentenmord um Entsendung von UN- und US-Soldaten

Um nach der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse strategisch wichtige Orte sichern zu können, bat Haitis Regierung um ausländische Unterstützung. Aus Furcht vor weiterem Chaos deckten sich in Port-au-Prince die Menschen mit Grundlebensmitteln ein.
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Polizisten patrouillieren vor der Botschaft Taiwans in Port-au-Prince, Haiti, am 9. Juli 2021, nachdem 11 mutmaßliche Attentäter des haitianischen Präsidenten Jovenel Moise in die Botschaft eingebrochen sind, um zu fliehen, aber später von der Polizei festgenommen wurden.Foto: VALERIE BAERISWYL/AFP via Getty Images
Epoch Times10. Juli 2021

Haitis Regierung hat um die Entsendung von UN- und US-Truppen gebeten, um nach der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse strategisch wichtige Orte sichern zu können.

„Während eines Gesprächs mit dem US-Außenminister und der UNO haben wir diese Bitte geäußert“, sagte der für Wahlangelegenheiten zuständige Minister Mathias Pierre am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Die Soldaten sollten unter anderem zur Sicherung der Häfen und des Flughafens eingesetzt werden.

Ausländisches Militär soll Häfen und Flughafen sichern

Das US-Außenministerium und das Pentagon bestätigten beide den Erhalt einer Anfrage für „Sicherheits- und Ermittlungshilfe“ und erklärten, dass Beamte in Kontakt mit Port-au-Prince blieben. Die UNO äußerte sich zunächst nicht. Aus Furcht vor weiterer Instabilität deckten sich in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince die Menschen mit Grundlebensmitteln ein.

Pierre sagte der Nachrichtenagentur AFP, die ausländischen Soldaten sollten unter anderem zur Sicherung der Häfen und des Flughafens eingesetzt werden. Befürchtet werde, dass „Söldner Infrastruktur zerstören könnten, um Chaos zu verursachen“.

Das US-Außenministerium und das Pentagon bestätigten den Erhalt einer Anfrage für „Sicherheits- und Ermittlungshilfe“ und erklärten, dass Beamte in Kontakt mit Port-au-Prince blieben. Zur möglichen Entsendung von US-Soldaten nach Haiti machten die Ministerien keine Angaben.

US-Regierung sagt Unterstützung bei den Mord-Ermittlungen zu

Zuvor hatte die US-Regierung ihre Bereitschaft erklärt, die haitianischen Behörden bei den Ermittlungen zum Mord an Moïse zu unterstützen. Die Sprecherin von Präsident Joe Biden, Jen Psaki, sagte am Freitag, Mitarbeiter der Bundespolizei FBI und andere Ermittler würden so bald wie möglich in den Karibikstaat fliegen.

Die UNO äußerte sich zunächst nicht zu der Bitte aus Port-au-Prince. Aus Diplomatenkreisen hieß es jedoch, dass es vor einer Entsendung von UN-Truppen nach Haiti eine entsprechende Resolution des UN-Sicherheitsrats geben müsse.

Derweil läuft die Suche nach den Hintermännern des Mordes an Moïse weiter. Der Staatschef war in der Nacht zum Mittwoch in seinem Haus in Port-au-Prince erschossen worden. Nach Polizeiangaben war ein Killerkommando aus „26 Kolumbianern und zwei US-Bürgern haitianischer Herkunft“ an dem Attentat beteiligt.

Fast 20 Verdächtige wurden festgenommen. Drei wurden erschossen, fünf weitere waren nach offiziellen Angaben vom Freitag noch auf der Flucht. Die Mitglieder von Moïses Sicherheitsteam erhielten gerichtliche Vorladungen.

Laut Kolumbiens Polizeichef Jorge Luis Vargas waren vermutlich 17 der kolumbianischen Beteiligten ehemalige Armeemitglieder. Kolumbiens Verteidigungsminister Diego Molano erklärte, er habe Polizei und Armee angewiesen, mit den haitianischen Behörden zusammenzuarbeiten.

Karibikstaat droht noch tiefer ins Chaos abzurutschen

Der von Instabilität und Armut geprägte Karibikstaat droht angesichts eines Konflikts um die Nachfolge an der Macht noch tiefer ins Chaos abzurutschen. Der vor dem Mord designierte neue Regierungschef Ariel Henry stellte am Donnerstag die Legitimität von Interims-Ministerpräsident Claude Joseph in Frage, der wenige Stunden nach Moïses Tod den Ausnahmezustand ausgerufen hatte.

Nach Angaben Taiwans wurden elf Verdächtige im Zusammenhang mit dem Mord auf dem taiwanischen Botschaftsgelände in Port-au-Prince festgenommen. „Eine Gruppe bewaffneter Männer“ sei am Donnerstagmorgen in die diplomatische Vertretung Taiwans eingedrungen, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Taipeh am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Taiwan gab daraufhin grünes Licht für einen Polizeieinsatz auf dem Botschaftsgelände.

17 Beteiligte waren ehemalige Mitglieder der nationalen Armee Kolumbiens

Laut Kolumbiens Polizeichef Jorge Luis Vargas hätten die vermutlich 17 kolumbianischen Beteiligten die ehemalige Mitglieder der nationalen Armee waren, hätten den Dienst zwischen 2018 und 2020 quittiert, sagte Vargas auf einer Pressekonferenz am Freitag. Weitere Angaben zu den Männern oder dem Grund ihres Ausscheidens aus der Armee machte er nicht.

Ein Sprecher des US-Außenministeriums bestätigte, dass Haiti Unterstützung bei den Ermittlungen angefragt habe. „Die USA werden darauf eingehen“, sagte er. Das Ministerium äußerte sich jedoch nicht zu Festnahmen von US-Bürgern.

Moïse war in der Nacht zu Mittwoch in seinem Haus in Port-au-Prince erschossen worden. Seine Frau Martine, die bei dem Attentat verletzt wurde, wurde zur Behandlung nach Miami in den USA ausgeflogen. Sie sei außer Lebensgefahr, sagte Regierungschef Joseph am Mittwochabend im Fernsehen.

Kabinett ruft Ausnahmezustand aus

Josephs Kabinett rief nach dem Attentat im ganzen Land den Ausnahmezustand aus. Die Regierung bekommt damit für zwei Wochen zusätzliche Befugnisse. Nun droht das Land mit seinen elf Millionen Einwohnern weiter in politisches Chaos abzugleiten, denn die Ablösung des Regierungschefs war bereits geplant.

Eine der letzten Amtshandlungen des getöteten Präsidenten war die Ernennung von Ariel Henry zum neuen Ministerpräsidenten. Er sollte ursprünglich in den nächsten Tagen Joseph ablösen. Nach Moïses Ermordung hatte dann aber Joseph erklärt, er habe die Verantwortung über die Führung des Landes.

De facto haben weder Joseph noch Henry die volle Legitimität. Für den Fall, dass der Präsident ausfällt, sieht die haitianische Verfassung vor, dass der Machtübergang unter der Kontrolle des Parlaments erfolgt. Dieses ist jedoch seit über einem Jahr nicht mehr handlungsfähig, da die Parlamentswahl unter anderem wegen Protesten gegen Moïse im Streit um das Ende seiner Amtszeit mehrfach verschoben worden war. Der 53-Jährige hatte das Land deshalb zuletzt per Dekret regiert.

„Ich bereite mich auf schlimme Tage vor“

International hatte der Anschlag Furcht vor einem weiteren Abgleiten des von Instabilität und Armut geprägten Karibikstaats in Gewalt ausgelöst. Auch in Port-au-Prince waren die Ängste vieler Menschen am Freitag greifbar. Unter jenen, die in den Supermärkten Schlange für Grundnahrungsmittel und Propangas standen, waren die Hauptstadtbewohnerin Marjorie und ihr Mann.

„Ich weiß nicht, was morgen oder übermorgen passiert“, sagte Marjorie zu AFP. „Ich bereite mich auf schlimme Tage vor, die vor uns liegen.“

In Haiti nimmt seit Jahren die Gewalt durch bewaffnete Banden zu. Auch am Freitag kam es wieder zu Ausschreitungen zwischen verschiedenen Gruppen, die den Verkehr auf einer wichtigen Hauptverkehrsstraße lahmlegten. Der infolge des Präsidentenmordes zunächst geschlossene Flughafen von Port-au-Prince war laut der Website Flightradar am Freitag aber offen.

Zur grassierenden Gewalt hinzu kommen die institutionelle und politische Krise in dem Land. Seit seinem Amtsantritt 2017 hatte Moïse keine Wahlen organisiert, das Parlament ist bereits seit mehr als einem Jahr handlungsunfähig.

Während die Opposition in Haiti Joseph vorwirft, die Macht an sich gerissen zu haben, verfügt der Regierungschef aus Sicht der UNO tatsächlich über die Legitimität, das Land bis auf weiteres zu führen. Eine dritte Option brachte am Freitag der eigentlich beschlussunfähige Senat in Port-au-Prince ins Spiel: Er stimmte für eine nicht-bindende Resolution, durch die der Senator Joseph Lambert zum neuen Interims-Staatschef gewählt wurde.

Haitis beschlussunfähiger Senat wählt nach Präsidenten-Mord neuen Interims-Staatschef

Nach der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse hat der Senat des Karibik-Landes in einer Resolution den bisherigen Senator Joseph Lambert zum Übergangspräsidenten bestimmt.

Haiti müsse das „institutionelle und politische Vakuum“ überwinden, begründete das Oberhaus des haitianischen Parlaments die Wahl am Freitag (Ortszeit). Bindend ist die Resolution allerdings nicht – der Senat in Port-au-Prince verfügt über keine Beschlussfähigkeit.

Moïse war in der Nacht zum Mittwoch in seinem Haus in der haitianischen Hauptstadt erschossen worden. Nach Polizeiangaben war ein Mordkommando aus „26 Kolumbianern und zwei US-Bürgern haitianischer Herkunft“ an dem Attentat beteiligt. Kolumbien bestätigte, dass sechs der Verdächtigen ehemaliger Mitglieder der kolumbianischen nationalen Streitkräfte wären. Fast 20 Verdächtige wurden festgenommen. International hatte der Anschlag, dessen Hintergründe unklar sind, Furcht vor einem weiteren Abgleiten des von Instabilität und Armut geprägten Karibikstaats in Gewalt ausgelöst.

Haiti in einer tiefen Krise

Bereits vor Moïses Ermordung befand sich Haiti in einer tiefen institutionellen Krise. Seit seinem Amtsantritt 2017 hatte Moïse keine Wahlen organisiert, seit Januar 2020 hat das Land kein funktionsfähiges Parlament mehr. Moïse regierte zuletzt deshalb per Dekret. Der Senat wird zwar von eine Reihe von Oppositionspolitikern unterstützt, hat aber zu wenige Senatoren, um legal Resolutionen verabschieden zu können. (afp)



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