Härtetest für Milei in Argentinien: Inflation noch nicht unter Kontrolle – Gericht stoppt Arbeitsmarktreform
Etwas mehr als einen Monat ist Argentiniens neuer Präsident Javier Milei im Amt – und Zeit, sich in die Materie einzuarbeiten, bleibt ihm nicht.
Im Augenblick seines Amtseides am 10. Dezember 2023 hat der Libertäre ein Land übernommen, in dem 42 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben und die Inflation bei 160 Prozent angelangt war. Eine eigene Mehrheit im Kongress hat er dabei nicht.
Dass diese Situation ein Erbe aus Jahrzehnten einer fast unumschränkten Macht der Peronisten war, ist den meisten Bürgern des Landes bewusst. Der Ökonom Rahim Taghizadegan beschrieb Argentinien als einen Staat „im fortgeschrittenen Stadium dieses Wahlmissbrauchs“, nicht als funktionierende Demokratie. Peronismus sei „nichts anderes als besonders unverfrorene Umverteilungspolitik und Juan Perón viel eher Faschist“.
Auch deshalb hatten die Wähler Milei im November mit deutlicher Mehrheit ins Amt gewählt. Und immer noch stimmen ihm 54 Prozent zu, dass nur ein radikales Reformprogramm Argentiniens Talfahrt aufhalten kann.
Gewerkschaften drohen Milei mit Generalstreik
Dennoch befindet sich Milei inmitten eines Härtetests, der seinesgleichen sucht. Die alte Garde hat weiterhin in vielen Bereichen des Staatsapparats eine Hausmacht, obwohl der neue Präsident Tausende Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen hat.
Die meisten davon standen im Verdacht, vorrangig Versorgungsposten für Parteigänger oder persönliche Angehörige loyaler peronistischer Parteigänger zu sein.
Es ist allerdings auch ohne die mutmaßlichen Gefälligkeitsposten davon auszugehen, dass in den Jahrzehnten peronistischer Herrschaft mächtige Seilschaften gewachsen sind. Diese werden nach Möglichkeiten suchen, einen Erfolg des minarchistischen Reformkonzepts von Milei zu vereiteln.
Auch die Gewerkschaften hat Milei erwartungsgemäß gegen sich aufgebracht. Diese haben dem Reformprogramm bereits einen ersten deutlichen Dämpfer beigebracht. In der Vorwoche entschied ein Gericht, dass der Präsident nicht berechtigt sei, seine Arbeitsmarktreform per Dekret zu verordnen.
Die dort enthaltenen Deregulierungen etwa in Bereichen wie Kündigungsschutz oder Mutterschutz seien so gravierend, dass sie nicht ohne Zustimmung des Kongresses beschlossen werden dürfen. Für Montag, 15. Januar, haben mehrere Gewerkschaften zu Großkundgebungen aufgerufen. Für den 24. Januar ist gar ein Generalstreik angekündigt.
Unterdessen äußerten mehr als 2.000 klein- und mittelständige Firmen, Unternehmer und Produzenten ihre Unterstützung für die Arbeitsmarktreform.
Lebenshaltungskosten in Argentinien noch weiter in die Höhe geschnellt
Mittels seiner Notstandsdekrete hat Milei bislang immerhin schon einmal sein Möglichstes unternommen, um die Reformen schnell in Gang zu bringen. Er hat die Zahl der Ministerien von 20 auf neun reduziert und die internen Strukturen verschlankt.
Er hat neben der – vorerst blockierten – Arbeitsmarktreform auch den Wohnungsmarkt dereguliert. Außerdem hat Milei staatliche Unternehmen privatisierungsbereit gemacht. Unter ihnen sind der Energiekonzern YPF und die Fluglinie Aerolineas Argentinas.
Den Peso ließ Mileis Regierung um 54 Prozent abwerten. Auf diese Weise gelang es ihm, eine Stabilität im Verhältnis zu US-Dollar und Euro herzustellen. Von nun an soll er jeden Monat um weitere zwei Prozent fallen – so soll er auch für den Schwarzmarkt unattraktiv werden.
Im Gegenzug ist jedoch die Inflation noch weiter auf mittlerweile 200 Prozent gestiegen. Kraftstoffe sind um 50 Prozent gestiegen, die Lebensmittelpreise zogen deutlich an. Milei hat auch die Subventionen für den Nahverkehr beendet.
Erkennen westliche Länder in Argentinien eine ihrer letzten Hoffnungen in Lateinamerika?
Die hohen Preise machen seinen Reformkurs zum Rennen gegen die Zeit. Die Bevölkerung wird diesen nur unter der Bedingung mittragen, dass im Gegenzug Erfolgserlebnisse stattfinden – etwa auf dem Weg zur Dollarisierung. Ein wichtiger Schritt wäre dabei die Wiederbelebung eines 44 Milliarden US-Dollar schweren Förderprogramms des IWF zugunsten argentinischer Getreideexporte.
Die Kurse der Staatsanleihen haben nachgegeben, andererseits aber honorieren die Börsen den Kurs der Reformorientierung und in Richtung Privatisierung. Auch die Zentralbank, deren Abschaffung Milei in Aussicht gestellt hatte, konnte immerhin wieder etwa vier Milliarden US-Dollar als Reserven aufbauen.
Milei braucht sichtbare Erfolge – und neben einem Bekenntnis der USA samt Fahrplan in Sachen Dollarisierung wäre etwa ein Freihandelsabkommen der Mercosur mit der EU einer. Auch Sanierungskredite würden dem argentinischen Präsidenten bei seiner Reformagenda helfen.
Auch wenn nicht zuletzt in Europa Entsetzen über den Wahlsieg des „Populisten“ vorherrscht, haben westliche Länder ein ureigenes Interesse daran, Milei zu unterstützen. Außenpolitisch ist er einer der wenigen lateinamerikanischen Staatschefs, die westliche Vorstellungen teilen – etwa mit Blick auf den Ukraine-Krieg oder die Solidarität mit Israel. Ein Scheitern Mileis würde Argentinien schnell wieder auf BRICS-Kurs zurückbringen.
Milei wird nächste Woche erstmals in Davos sprechen
Mit Spannung erwartet wird der erste große internationale Auftritt des neuen argentinischen Präsidenten in Davos. Für den 17. Januar ist Milei im Rahmen der diesjährigen Zusammenkunft des Weltwirtschaftsforums (WEF) als Redner vorgesehen neben Gründer Klaus Schwab.
Der Hauptgrund für die Anwesenheit Mileis dort dürfte jedoch das Führen von Gesprächen hinter den Kulissen sein. Der informelle Rahmen der umstrittenen Elitenveranstaltung könnte zumindest den Effekt haben, Kontakte zu knüpfen oder spätere offizielle Gesprächstermine vorzubereiten.
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