Grünes Licht für ukrainische Angriffe mit westlichen Waffen in Russland – Reaktionen auf die Entscheidung

Deutschland und die USA haben der Ukraine erlaubt, mit westlichen Waffen militärische Ziele in Russland anzugreifen. Während die Entscheidung von NATO-Generalsekretär Stoltenberg begrüßt wurde, gab es auch kritische Stimmen aus der deutschen und europäischen Politik.
Relativ schnell besetzten die russischen Kräfte mehrere Dörfer nahe Charkiw an der Grenze. Ihr Vorstoß wurde dadurch begünstigt, dass die Ukraine ihre westlichen Waffen nicht gegen den Truppenaufmarsch jenseits der Grenze einsetzen durfte.
Relativ schnell besetzten die russischen Kräfte mehrere Dörfer nahe Charkiw an der Grenze. Ihr Vorstoß wurde dadurch begünstigt, dass die Ukraine ihre westlichen Waffen nicht gegen den Truppenaufmarsch jenseits der Grenze einsetzen durfte.Foto: -/yonhap/dpa
Von 2. Juni 2024

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Nach langem Hin und Her haben Deutschland und die USA der Ukraine erlaubt, zukünftig mit amerikanischen und deutschen Waffen militärische Ziele auf russischem Territorium zu treffen.

US-Präsident Joe Biden hatte zuerst grünes Licht gegeben, dass die Ukraine zur Verteidigung der nordostukrainischen Region Charkiw US-Waffen innerhalb des nahegelegenen Russlands einsetzen dürfe, teilten zwei US-Gewährspersonen am Donnerstag mit. Über Bidens Entscheidung hatte zuerst die Zeitung „Politico“ berichtet.

Am Freitag teilte dann auch der Sprecher der Bundesregierung Steffen Hebestreit in eine Pressemitteilung mit, dass auch Deutschland nun dem Einsatz deutscher Waffen auf dem Territorium Russlands erlaube.

Die Ukraine sei in den vergangenen Wochen „insbesondere im Raum Charkiw von Stellungen aus dem unmittelbar angrenzenden russischen Grenzgebiet“ angegriffen worden, teilte Hebestreit mit. „Gemeinsam sind wir der Überzeugung, dass die Ukraine das völkerrechtlich verbriefte Recht hat, sich gegen diese Angriffe zu wehren.“

Und weiter: „Dazu kann sie auch die dafür gelieferten Waffen in Übereinstimmungen mit ihren internationalen rechtlichen Verpflichtungen einsetzen; auch die von uns gelieferten.“

NATO begrüßt Entscheidung

Verteidigungsminister Boris Pistorius nannte die Entscheidung der Bundesregierung eine „strategische Anpassung an sich verändernde Lagebilder“. „Diese Entscheidung ist richtig. Sie ist das, was wir seit Beginn des Krieges, den Putin gegen die Ukraine führt, immer gemacht haben. Wir haben an die Lage angepasst, jeweils unsere Strategie angepasst“, erklärte der SPD-Politiker während eines Treffens mit seinem moldauischen Kollegen Anatolie Nosatii in der Hauptstadt Chisinau.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte die Entscheidungen. „Ich begrüße die Lockerung der Beschränkungen für den Einsatz westlicher Waffen, die von den Ukrainern verwendet werden“, zitiert das Online-Portal „Euraktiv“ Stoltenberg. Der NATO-Generalsekretär kam am Freitag zu einem inoffiziellen Treffen mit den NATO-Außenministern in Prag zusammen. 

„Dies ist ein Angriffskrieg, die Ukraine hat das Recht auf Selbstverteidigung, und dazu gehört auch, legitime Ziele in Russland anzugreifen“, sagte Stoltenberg weiter. Russland habe den Krieg eskaliert, indem es eine neue Front im Norden der Ukraine eröffnet habe. Das zeige, dass Russland die Ukraine von „innerhalb Russlands angreift“, betonte der NATO-Generalsekretär. Für die Ukraine bedeute ein Angriff jenseits der feindlichen Linien auch einen Angriff auf russisches Territorium. 

Die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte die Diskussion über den Einsatz westlicher Waffen gegen Ziele in Russland, laut der „Welt“, noch kurz vor der Ankündigung der Erlaubnis scharf kritisiert. „Aus meiner Sicht ist es wirklich nicht die richtige Diskussion, dass man jedes Detail, wie die Ukraine sich verteidigt, in der Öffentlichkeit ausbreitet“, sagte Baerbock am Morgen während des Nato-Außenministertreffens in Prag.

Es gehe „überhaupt nicht“ darum, ob deutsche oder andere westliche Waffen gegen russisches Gebiet eingesetzt würden, betonte Baerbock weiter. „Es geht darum, die völkerrechtswidrigen Angriffe Russlands auf die Ukraine so zu unterbinden, dass Menschen in der Ukraine nicht sterben müssen.“

Rutschbahn in einen dritten Weltkrieg

Linken-Parteichefin Janine Wissler hatte noch kurz vor Bekanntgabe der Entscheidung der Bundesregierung diese davor gewarnt, westliche Waffen gegen russische Stellungen zu erlauben.

„Ich fordere Bundeskanzler Scholz auf, der Forderung nach Einsatz westlicher Waffen auf russischem Gebiet eine klare Absage zu erteilen“, sagte Wissler den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Sie nannte Forderungen, dies zu erlauben, „verantwortungslos und hochgefährlich“.

Jede westliche Rakete, die in Russland einschlägt, vergrößere das Risiko einer unkalkulierbaren Eskalation dieses Krieges. „Den Menschen in der Ukraine, die unter dem Krieg leiden, ist nicht geholfen, wenn sich der Krieg über die Ukraine hinaus ausweitet und im schlimmsten Fall zur Rutschbahn in einen Dritten Weltkrieg wird“, warnte Wissler.

Kritik an der Entscheidung der Regierung kam kurz nach Bekanntwerden von der Bundestagsabgeordneten Sarah Wagenknecht (BSW). Auf X schreibt die BSW-Spitzenfrau: „Mit deutschen Waffen Russland angreifen? Das trägt nur zur Eskalation bei, ohne dass sich dadurch die Situation in der Ukraine verbessert. Olaf Scholz ist kein Friedenskanzler, sondern wird zunehmend zu einem Sicherheitsrisiko für Deutschland.“

Durch Waffen nicht Konfliktpartner

Die Bundesregierung hatte am Freitag auf einer Regierungspressekonferenz Bedenken zurückgewiesen, Deutschland könnte durch die Änderung des Kurses hinsichtlich des Einsatzes deutscher Waffen im Ukraine-Krieg als Konfliktpartei wahrgenommen werden.

„Es war immer klar, dass wir, indem wir der Ukraine Waffen zur Verfügung stellen, weder Teil des Konflikts noch Kriegspartei werden“, erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin. Auch völkerrechtlich sei es nie umstritten gewesen, dass die Ukraine sich gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands verteidigen dürfe.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung.

„Die Entscheidung der Bundesregierung ist nachvollziehbar und ein bedeutendes Signal angesichts der aktuellen russischen Angriffe“, sagte die FDP-Politikerin dpa. Sie fügte hinzu: „Die Ukraine sollte grundsätzlich in der Lage sein, russische Raketen nicht nur auf eigenem Boden abzuwehren, sondern auch deren Abschuss auf russischem Gebiet zu verhindern – auch mit von uns gelieferten Waffen.“

Strack-Zimmermann erklärte weiter, dass bekannt sei, wo die Abschussrampen stünden, von denen aus täglich die Ukraine beschossen werde. „Welche Waffen für welche Abwehr genutzt werden, entscheidet im Rahmen einer völkerrechtskonformen Lösung die Ukraine.“

Brände mit Flammenwerfer löschen

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sagte am Freitag in der Sendung „Guten Morgen, Ungarn“ von Radio Kossuth, dass die NATO das Bündnis wegen der Ukraine immer näher an einen Konflikt mit Russland heranrücke. Ungarn ist seit 1999 Mitglied der NATO.

Orbán verurteilte zudem die Entscheidung mehrerer westlicher Regierungen, die seiner Meinung nach unter dem Druck der NATO Kiew nun erlauben, die gelieferten Waffen gegen Ziele in Russland einzusetzen. „Die Russen haben erklärt, dass sie umso weiter vorstoßen, je besser die gegen sie eingesetzten Waffen sind“, sagte der ungarische Regierungschef.

Moskau habe nach eigenen Angaben „eine Invasion ausgelöst, weil die Ukraine der NATO beitreten wollte“ und angekündigt, dass russische Truppen „vorrücken würden, bis sie eine Pufferzone geschaffen hätten“, erklärte Orban. „Das Vorrücken der Russen hängt also auch mit der Art der von den Ukrainern verwendeten Waffen zusammen, mit denen sie auf russisches Territorium zielen.“

Es sei „absurd, dass die NATO, anstatt uns zu schützen, uns in einen Weltbrand hineinzieht; es ist genauso absurd, wie wenn ein Feuerwehrmann beschließen würde, Brände mit einem Flammenwerfer zu löschen“, sagte der ungarische Ministerpräsident.

Die „Botschaft des Friedens“ überbringen

Litauens Außenminister Landsbergis unterstützte in einem Interview mit „ZDFheute“ hingegen die Entscheidung der Ukraine, den Krieg auf russisches Gebiet auszuweiten. Wörtlich sagte Landsbergis: „Die Ukraine hat seit dem 24. Februar 2022, dem Angriff Russlands, ein Recht auf Selbstverteidigung. Das ist in der Charta der Vereinten Nationen verankert. Wir müssen uns über die Fakten im Klaren sein. Russland exportiert diesen Krieg, die Ukraine verteidigt sich und die UN-Charta gibt ihr die Möglichkeit, sich zu verteidigen.“

Im Hinblick auf die Äußerungen Orbán sagte der litauische Außenminister im Interview: „Ich glaube nicht, dass Orban der beste Anwalt ist, um diesen Krieg zu erklären. Ungarn ist den Befürwortern des Krieges so nahe, wie man nur kommen kann. Wissen Sie, was mein Vorschlag an die Ungarn ist?

Sie haben immer noch offene Kanäle zu Herrn Putin. Sie sollten die Möglichkeiten nutzen – und die Botschaft des Friedens überbringen. Aber an die Russen.”

Scholz warnte gerade erst vor einer Eskalation des Krieges. Beim Katholikentag in Erfurt mahnte er zu einer weiterhin engen Abstimmung der Verbündeten bei der Unterstützung der Ukraine zur Verteidigung gegen Russland. „Wir müssen den großen Krieg vermeiden“, sagte er und bezog sich damit auf mögliche militärische Auseinandersetzungen zwischen Russland und der NATO.

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion