Grünes Licht für EU-kritische Regierung: Möglicher Wirtschaftsminister sieht Euro als „deutsches Gefängnis“ für Italien
In Italien steht eine EU-kritische Koalition unter der Führung eines Polit-Neulings kurz vor der Übernahme der Regierungsgeschäfte.
Staatschef Sergio Mattarella beauftragte am Mittwochabend den parteilosen Juristen Giuseppe Conte mit der Regierungsbildung, wie das Präsidialamt in Rom mitteilte. Der Wunschkandidat der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega kündigte an, „Italiens Platz in Europa und der Welt“ zu behaupten.
Mattarellas Unterredung mit Conte im Präsidentenpalast in Rom dauerte fast zwei Stunden. Der Staatschef beauftragte den parteilosen Juristen schließlich mit der Regierungsbildung, anderenfalls hätten Neuwahlen in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone gedroht. Conte muss nun ein Kabinett zusammenstellen, das er zunächst vom Präsidenten und dann vom italienischen Parlament bestätigen lassen muss.
Conte trat unmittelbar nach dem Treffen mit Mattarella vor die Presse und machte deutlich, dass er einen selbstbewussten außenpolitischen Kurs verfolgen will. „Ich bin mir der Notwendigkeit bewusst, Italiens Platz in Europa und der Welt zu behaupten“, sagte der 53-Jährige. Italien befinde sich derzeit in „einer schwierigen und wichtigen Phase“, in der die Bürger „die Geburt einer Regierung des Wandels“ und „Antworten“ erwarteten.
Conte fügte hinzu, er wolle daher eine Regierung bilden, „die auf der Seite der Bürger ist, die ihre Interessen garantiert“. Diese Interessen werde er gegenüber „allen europäischen und internationalen Instanzen“ und im Dialog mit den Regierungen anderer Länder verteidigen. „Ich möchte der Anwalt sein, der das italienische Volk verteidigt“, sagte der Jurist.
Mit Conte beauftragte Mattarella einen Polit-Neuling mit der Regierungsbildung. Medienberichten zufolge hatte der Staatschef auch deswegen Vorbehalte gegen Conte. Für Zögern bei Mattarella sorgte demnach außerdem der Kandidat, den die Lega als Wirtschaftsminister durchsetzen will: Der 81-jährige Ex-Minister Paolo Savona betrachtet den Euro als „deutsches Gefängnis“ für Italien.
Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio und Lega-Chef Matteo Salvini hatten Conte am Montag in einem Kompromiss als Regierungschef nominiert, nachdem keiner der beiden den Posten dem jeweils anderen hatte überlassen wollen. Kurz nach ihrer Entscheidung für Conte kamen Zweifel an dessen Lebenslauf auf. So hatte der Jura-Dozent laut „New York Times“ zu Unrecht die New York University (NYU) als Station seiner Ausbildung angegeben.
Abgesehen von den Zweifeln an Contes Eignung für das Amt des Regierungschefs hatte Mattarella sich laut italienischen Medien auch gesorgt, ob eine Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega die „europäischen Verpflichtungen“ respektiert. Die beiden Koalitionspartner wollen im hoch verschuldeten Italien die Sparpolitik beenden und planen Steuersenkungen sowie massive zusätzliche Sozialausgaben.
Vor Contes Bestätigung durch Mattarella warnte die EU-Kommission Italiens künftige Regierung davor, über Ausgabenerhöhungen den Schuldenberg des Landes weiter zu erhöhen. Italien müsse eine „glaubwürdige Antwort“ auf sein Schuldenproblem finden, sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici in Brüssel.
Wirtschaft und Finanzmärkte betrachten die Entwicklung in Rom ebenfalls mit Sorge. Der Präsident von Italiens größtem Arbeitsgeberverband Confindustria, Vincenzo Boccia, mahnte am Mittwoch die künftige Regierung zu „Besonnenheit“. Italiens „Feind bleibt die Staatsverschuldung“, hob er hervor.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte die EU-Kommission auf, ihre „Wächterfunktion gegenüber Italien ernsthaft wahrzunehmen“. Schließlich habe das Land „die Dimension, die Eurozone ernsthaft zu gefährden“, sagte Söder dem „Münchner Merkur“ (Donnerstagsausgabe). Es gehe nicht, dass Deutschland „für die italienischen Schulden haften muss“. (afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion