Grüner Politiker für mehr Zensur: „Demokratie muss sich gegen Feinde der Demokratie wehren“

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz will, dass entschlossener gegen Elon Musks Plattform X in Sachen Desinformation vorgegangen wird. Einer seiner Vorschläge: Wenn X bewusst vom Eigentümer für politische Kampagnen genutzt werde, könnten auch die Vorschriften für illegale und intransparente Parteienfinanzierung gelten.
Das Bundesinnenministerium müsse auch dienstrechtlich auf den Fall Maaßen einen genauen Blick werfen und gegebenenfalls entsprechende Konsequenzen ziehen, so Konstantin von Notz (Grüne).
Will ein ganzes Maßnahmenbündel gegen Social-Media-Plattformen: Grünen-Politiker Konstantin von Notz.Foto: Monika Skolimowska/dpa
Von 21. September 2024

Der stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, hat sich für ein entschlosseneres Vorgehen gegen vermeintliche Desinformation auf der Plattform X ausgesprochen. „Wir sehen doch gerade an der aktuellen Milliardenstrafe der EU gegen Google, dass es sehr Erfolg versprechende Möglichkeiten gibt, Recht auch durchzusetzen. Bei massiven Verstößen gegen die gesetzlichen Vorschriften hart zu sanktionieren, das wäre mein Weg“, sagt von Notz in der aktuellen Ausgabe der „Zeit“.

Für X: Google-Strafe als Beispiel nehmen

Am 10. September 2024 hat das Gericht der Europäischen Union eine Milliardenstrafe in Höhe von 2,4 Milliarden Euro gegen den Tech-Riesen Google bestätigt. Diese Strafe wurde ursprünglich von der EU-Kommission im Jahr 2017 verhängt, da der Konzern seine Marktmacht missbraucht hatte, um seinen eigenen Preisvergleichsdienst „Google Shopping“ gegenüber Wettbewerbern in den Suchergebnissen zu bevorzugen. Das Gericht entschied, dass diese Praxis wettbewerbswidrig war und bestätigte jetzt die Strafe.

Eine Woche später hatte das Gericht der EU allerdings über einen ähnlich gelagerten Fall anders entschieden. Dabei ging es um die Frage, ob Google bei Suchmaschinenwerbung im Dienst „AdSense for Search“ andere Anbieter unzulässigerweise behindere. In diesem Rechtsstreit hat Google einen Sieg errungen. Die entsprechende Geldbuße der EU-Kommission in Höhe von 1,49 Milliarden Euro war laut Gericht nicht gerechtfertigt.

In beiden Fällen ging es um Wettbewerbsrecht. Die möglichen Strafen gegen Twitter/X hingegen beruhen auf dem Digital Services Act (DSA), einem neuen Gesetz der EU zur Regulierung großer Onlineplattformen. Im Juli 2024 hat die EU-Kommission formell Anklage gegen X erhoben. Sie könnte Musks Plattform mit einer Millionenstrafe belegen, da X gegen das neue DSA-Gesetz verstoßen haben soll. Die EU wirft X in dem Kontext vor, nicht ausreichend gegen Desinformation und illegale Inhalte vorzugehen. Zudem habe die Änderung des blauen Verifikationshäkchens Nutzern irreführend Vertrauen in bestimmte Inhalte vermittelt. Werbung sei ebenfalls intransparent. X wird zudem vorgeworfen, Forschern den Zugang zu wichtigen Daten zu erschweren.

Sollte X die EU-Vorgaben nicht einhalten, drohen Strafen von bis zu 6 Prozent des weltweiten Umsatzes der Plattform. Der 53-jährige Elon Musk will gegenüber der EU hart bleiben: „Wir freuen uns auf eine sehr öffentliche Schlacht vor Gericht“, erklärte er im Juli, als die EU-Kommission neue Vorwürfe bekannt machte.

X im EU-Visier: Redefreiheit versus Zensur

Eine Sperrung von X wie kürzlich in Brasilien, die Tausende Demonstranten auf die Straßen brachte, gilt bislang in Europa als eher unwahrscheinlich. Dabei hätte die EU-Kommission unter dem DSA Möglichkeiten dazu. Brüssel könnte über ein Gericht am europäischen Firmensitz von X in Irland eine befristete Sperre für die Plattform erwirken, solange das EU-Verfahren läuft.

Für Jan Penfrat vom Netznutzerverband European Digital Rights (Europäische Digitalrechte, EDR) wäre eine solche Sperre eine „absolute Notlösung“. Er mahne zur Vorsicht bei solchen Schritten, denn mit einer Sperre schränke die Kommission den Zugang zu Informationen ein, warnt er. Musk und seine Anhänger könnten der EU dann Zensur vorwerfen.

Donald Trumps Wahlkampf als Anlass

Im laufenden US-Präsidentschaftswahlkampf unterstützt Elon Musk den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Musk kaufte 2022 die Plattform Twitter und benannte sie zu X um. In dem Zuge wurde auch Trumps gesperrtes Profil wieder aktiviert.

Musk erklärte, er wolle mit dem Erwerb von Twitter die Meinungsfreiheit wieder herstellen, die er bei der Plattform vermisst hatte. Der reichste Mann der Welt twitterte damals:

In Anbetracht der Tatsache, dass Twitter de facto als öffentlicher Marktplatz dient, untergräbt die Nichteinhaltung der Grundsätze der Redefreiheit die Demokratie grundlegend.“

Der Grünen-Politiker von Notz hingegen meint in der „Zeit“: Die Demokratie müsse sich gegen die Feinde der Demokratie wehren, „sonst haben wir irgendwann keine Demokratie mehr.“

Grüne Idee: X wie illegale Parteienfinanzierung behandeln

Deshalb spreche er sich für eine stärkere Regulierung von X aus. Diese leitet sich laut von Notz aus der besonderen Bedeutung von X für den öffentlichen Diskurs her. „Die meisten Politiker, Wissenschaftler und Journalisten sind eben auf X. Deshalb haben wir es hier mit einer Art Monopolstellung zu tun, und deshalb darf man das auch nicht einfach dem Markt überlassen“, sagte von Notz. Er fügte hinzu:

Wenn diese Plattform zudem bewusst vom Eigentümer für politische Kampagnen genutzt wird, warum sollten dann nicht die Vorschriften für illegale und intransparente Parteienfinanzierung gelten?“

Zensur bei Facebook und Co.

Auch andere Social-Media-Plattformen wie Facebook haben in den vergangenen Jahren Einfluss auf politische Debatten und Wahlen genommen. Doch zumeist anders als X. Wie auch twitter vor dem Kauf von Musk, werden Inhalte zensiert oder in der milderen Zensurversion mit Shadowbans belegt. Das bedeutet, dass ein Beitrag auf einer Plattform zwar sichtbar bleibt, aber keine Reichweite bekommt.

Bei bestimmten Personen geht es so weit, dass ihre Reichweite durch eine Änderung der Algorithmen dauerhaft eingeschränkt wird. So erging es dem unabhängigen dritten Anwärter auf das US-Präsidentschaftsamt, Robert F. Kennedy Jr., der den Meta-Konzern (Facebook, Instagram, WhatsApp) deswegen verklagt hat.

Erst kürzlich gewann Tom Vandendriessche, ein belgischer, rechts eingeordneter Politiker gegen Meta und bekam vom Konzern gut 27.000 Euro, weil seine Inhalte eingeschränkt wurden.

„Hunter Bidens Laptop“ doch keine russische Desinformation

Mark Zuckerberg, CEO von Meta, hat eingeräumt, dass Facebook auf Druck der Biden-Regierung Zensur betrieben hat. Insbesondere während der COVID-19-Pandemie wurde Facebook aufgefordert, bestimmte Inhalte, die gegen das Regierungsnarrativ sprachen, zu entfernen.

Ebenso zensierte Facebook Nachrichten über Hunter Bidens Laptop vor der Präsidentschaftswahl 2020, die ursprünglich als russische Desinformation behandelt wurden, sich aber später als wahr herausgestellt haben.

Zuckerberg äußerte Bedauern darüber, dass Facebook den Zensuraufforderungen nachgegeben hatte.

Grüner Kampf gegen Rechts: X im Visier

Für den Grünen-Politiker von Notz sei es vor allem problematisch, wenn ein Algorithmus rechte und rechtsextreme Inhalte nach oben spüle und die Reichweite anderer Stimmen drossele. „Und dieser Vorwurf steht im Fall von Elon Musk im Raum“, so von Notz weiter.

Damit ist Notz auf Linie mit anderen Parteikollegen. Grünen-Politiker Jan Philipp Albrecht, ehemals Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein, hatte der „Deutschen Welle“ in dem Kontext mitgeteilt, dass die Europäische Kommission das Recht „gegenüber einem Akteur wie Elon Musk mit aller Härte durchsetzen“ muss. Wer sich nicht an die Regeln halte, so der Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, müsse eben mit Strafen belegt werden.

Anlass dazu war Musks Kommentierung deutscher Politik auf seiner Plattform. Im Sommer hatte er auf einen Post von Influencerin Naomi Seibt, dass sie die AfD gewählt habe, geantwortet:

Es heißt immer ‚rechtsextrem‘, aber die Politik der AfD, über die ich gelesen habe, klingt nicht extremistisch.“

Auch Bürgerrat „Forum gegen Fakes“ will mehr Zensur

Eine strafrechtliche Verfolgung von Falschinformationen forderte der von der Ampelregierung initiierte Bürgerrat „Forum gegen Fakes“, als er letzte Woche das Ergebnis seiner mehrmonatigen Beratungen an Innenministerin Nancy Faeser übergeben hat.

Die 15 Empfehlungen sowie 28 konkreten Maßnahmen, die der Bürgerrat in einem Gutachten zum Umgang mit Desinformation vorschlägt, reichen von Zensur mittels Einsatz von KI, zu der die großen Social-Media-Plattformen verpflichtet werden sollen, hin zu einer zentralen Meldestelle, bei der Bürger Fake News melden können. Ausgangsfrage für das „Forum gegen Fakes“ war: „Fakes und Manipulation von Informationen: Was sollten wir tun, um uns und unsere Demokratie zu schützen?“

Besonders im Wahlkampf werde von politischen Akteuren bewusst Desinformation verbreitet, „wodurch die Demokratie geschwächt wird“, heißt es in den Erklärungen des Bürgerrates zu dem ausgesprochenen Wunsch nach mehr Zensur.

Konstantin von Notz will die Vorschläge des Bürgerrates rasch in eine Strategie der Bundesregierung einfließen lassen:

Im Angesicht unheilvoller Allianzen und ernsten Bedrohungen von Demokratieverächter von innen und außen muss unsere Demokratie ihre Wehrhaftigkeit auch auf diesem Feld beweisen.“

Notwendig sei ein ganzes Maßnahmenbündel – von der effektiven Plattformregulierung durch Gesetzgebung, die Stärkung unabhängiger Aufsichtsstrukturen samt echter Sanktionsmöglichkeiten und einer verbesserten Rechtsdurchsetzung im Digitalen, so der Grünen-Politiker.



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