Großes Flüchtlingslager vor Grenze zu Österreich? Ungarn bestreitet Vorwürfe aus dem Burgenland
Im Januar 2025 stehen im österreichischen Burgenland Landtagswahlen an, und ein Thema könnte dort eine tragende Rolle spielen. Seit einigen Wochen gehen Berichte durch die Medien, wonach Ungarn plane, in Vitnyéd ein Lager für mehrere hundert Geflüchtete zu errichten. Das Dorf im Komitat Győr-Moson-Sopron liegt etwa 30 Kilometer vom Grenzübergang zum mittelburgenländischen Deutschkreutz entfernt. Zum Schilfgürtel des Neusiedler Sees sind es sogar nur 15 Kilometer. In Österreich ließen die Meldungen umgehend aufhorchen.
Landeshauptmann: „Ungarn will Flüchtlinge über die grüne Grenze schleusen“
Bereits wenige Tage vor der Nationalratswahl warf der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) Ungarn auf Facebook „staatlich organisierte Schlepperei“ vor. Es könne bei dem Projekt nur darum gehen, „im großen Stil den Weitertransfer von Flüchtlingen über die grüne Grenze nach Österreich zu ermöglichen“. Das Burgenland werde sich, so Doskozil, „mit allen rechtlichen und politischen Mitteln zur Wehr setzen“.
Die gesamte Grenze zwischen Österreich und Ungarn erstreckt sich über 356,4 Kilometer. Sie verläuft vom nordburgenländischen Deutsch Jahrndorf bis zum südburgenländischen Sankt Martin an der Raab. Vor allem der seichte und mit einem breiten Schilfgürtel ausgestattete Neusiedler See wurde in der Vergangenheit häufig für irreguläre Grenzübertritte genutzt. Phasenweise überwachte das Bundesheer im Wege eines Assistenzeinsatzes dort die Grenze.
Bereits zuvor hatte SPÖ-Chef Andreas Babler der Regierung von Premierminister Viktor Orbán vorgeworfen, Asylsuchende gezielt nach Österreich weiterzuleiten. Ähnliches befürchtet Doskozil nun auch mit Blick auf das mögliche Lager in Vitnyéd. Er drohte mit dem Schließen von Grenzübergängen. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) kündigte „deutlich verschärfte Kontrollen“ an.
An Medien durchgesickertes Dokument soll Lagerpläne erhärten
Ungarn wies die Behauptungen, nahe der Grenze zu Österreich ein Flüchtlingslager errichten zu wollen, zurück. Staatskanzleichef Gergely Gulyás erklärte, in der früheren Berufsschule, die im Zentrum der Debatte stehe, solle ein „Sommerlager für Schüler“ entstehen. Auch wenn die EU Ungarn zur Aufnahme von Flüchtlingen zwingen sollte, würde man ein Lager „nicht an der Grenze zu Österreich, sondern auf dem Hauptplatz in Brüssel“ bauen.
Die Situation vor Ort bot jedoch ein Bild, das nicht zwingend an ein Schülerferienlager erinnert. Mehrere hundert Stockbetten waren in einem Turnsaal aufgereiht, dazu entstand in kürzester Zeit ein 3 Meter hoher Zaun um das Gelände. Außerdem wurden die Arbeiten an der Einrichtung unter Polizeiaufsicht durchgeführt.
In der 1.500-Seelen-Gemeinde kam es deshalb bereits zu Protesten. Am Samstag, 5. Oktober, veröffentlichte die Zeitung „Magyar Hang“ zudem einen Bericht, der sich auf ein durchgesickertes Regierungsdokument stützen soll. So sei es geplant gewesen, 5 Millionen Euro in die Errichtung eines Flüchtlingslagers in Vitnyéd zu investieren.
Opposition: „Rigide Migrationspolitik in Ungarn nur auf dem Papier“
In dem Dokument sei explizit vom „Bau eines neuen Aufnahmelagers für die Unterbringung von Asylantragstellern im Dorf Vitnyéd“ die Rede gewesen. Die Notwendigkeit habe man angesichts des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Ungarns Asylpolitik gesehen. Dieser verhängte gegen Ungarn eine Strafe von 200 Millionen Euro – plus einer weiteren Million für jeden Tag der Nichtumsetzung der EU-Asylregeln.
Ob es nun tatsächlich zu der Umsetzung der Pläne kommen wird, ist ungewiss. Die Regierung in Budapest weist weiterhin entsprechende Berichte zurück und betont, wie die Niederlande aus dem EU-Asylsystem aussteigen zu wollen.
Oppositionsführer Péter Magyar wirft der Regierung jedoch vor, nur auf dem Papier eine rigide Antimigrationspolitik zu betreiben. Tatsächlich habe man etwa 2.000 Schleuser freigelassen, handele mit „Goldenen Visa“ und lasse pro Jahr 60.000 „Wirtschaftsmigranten“ ins Land.
Burgenland vor Wahlkampfduell zwischen Doskozil und Hofer
Mit Blick auf den burgenländischen Wahlkampf hat die in dem Bundesland mit absoluter Mehrheit regierende SPÖ vor allem der FPÖ vorgeworfen, Politik zulasten österreichischer Interessen zu dulden. Viktor Orbán sei deren politischer Verbündeter, deshalb schwiegen die Freiheitlichen zu den Plänen, äußerte Klubobmann Roland Fürst.
ÖVP-Landeschef Christian Sagartz und sein FPÖ-Kollege Alexander Petschnig werfen Doskozil und der SPÖ „Panikmache“ und Verbreitung von Falschnachrichten vor. Sie verlassen sich auf die Zusicherung aus Budapest, es sei kein Flüchtlingslager geplant.
Die letzte Landesumfrage für das Burgenland stammt aus dem Jahr 2022 und sah die SPÖ bei 54,1 Prozent. Bei der Nationalratswahl vor anderthalb Wochen belegte diese jedoch nur den dritten Platz in dem Bundesland. Die Beliebtheitswerte von Landeshauptmann Doskozil sind hoch. Mit Norbert Hofer wird jedoch auch für die FPÖ ein prominenter Lokalmatador ins Rennen gehen.
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