Großbritannien setzt Spezialeinheiten gegen erzwungene Ehen ein
In den Sommerferien in Großbritannien haben die Behörden an Flughäfen, Häfen und Bahnhöfen eine Kampagne gegen Zwangsverheiratung gestartet. Von Polizei und anderen Behörden eingerichtete Spezialeinheiten halten Ausschau nach Reisenden, die Opfer einer Zwangsverheiratung geworden sein könnten oder womöglich von diesem Schicksal bedroht sind. Mit Aufklärung über die Rechtslage im Vereinigten Königreich wollen sie verhindern, dass Menschen sich in einer Ehe gefangen fühlen.
Am Flughafen Heathrow fängt eine Spezialeinheit eine Familie ab, die gerade aus dem indischen Bangalore eingereist ist. Alarmiert haben die Beamten blaue Flecken am Arm einer jungen Frau und eine sehr ängstlich wirkende 13-Jährige – beides potenzielle Hinweise auf Nötigung.
In Einzelgesprächen mit den Polizisten, Einwanderungsbeamten und Sozialarbeitern geben die Familienmitglieder an, sie seien für eine Beerdigung angereist, die blauen Flecken stammten demnach von einem Verkehrsunfall. Gleichzeitig erfahren die Beamten, dass für die junge Frau vor kurzem im indischen Kerala ein Ehemann gefunden wurde und dieser auch nach Großbritannien ziehen könnte. Speziell geschulte Beamte klären die Frau über ihre Rechte auf und betonen, dass Zwangsheirat in Großbritannien illegal ist.
„Sie weiß jetzt Bescheid darüber, dass sie zustimmen muss, und dass sie diese Zustimmung jederzeit widerrufen kann“, erklärt Kate Bridger von der Metropolitan Police nach Befragungen von 72 der 250 Reisenden des Air-India-Fluges.
Gegen den eigenen Willen im Ausland verheiratet
Großbritannien hat Zwangsverheiratungen 2014 unter Strafe gestellt, bei Verstößen droht eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren. 2018 wurden nach Zahlen des Innenministeriums 1764 Fälle gemeldet – eine Zunahme von 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und die angezeigten Fälle sind wohl nur die Spitze des Eisbergs.
Die meisten Fälle betreffen britische Staatsbürger, die gegen ihren Willen im Ausland verheiratet werden, vor allem in Bangladesch, Indien und Pakistan. Die Spezialeinheit kümmerte sich daher um Passagiere vom indischen Subkontinent wie auch Drehkreuze im Nahen Osten.
„Es ist nicht nur ein südasiatisches Problem – es betrifft viele verschiedene Kulturen“, betont Trudy Gittins von der Spezialeinheit. Auch Homo- und Transsexuelle seien betroffen – so würden schwule Männer von konservativen Familien gezwungen, Frauen zu heiraten.
Die Fälle in Großbritannien reichen von einer Zweijährigen, die in einer religiösen Zeremonie einer anderen Familie versprochen wurde, bis zu einem 80-jährigen Alzheimer-Patienten, dessen Betreuerin ihn zur Ehe zwang, um sein Vermögen zu erben. Ein Drittel der Opfer ist jünger als 18 Jahre, drei Viertel der Betroffenen sind Mädchen oder Frauen.
Der Schwerpunkt liegt auf Prävention und Aufklärung
Die Polizei in West Midlands sorgte 2018 für die erste Verurteilung in England: Eine Frau wanderte ins Gefängnis, nachdem ihre 13-jährige Tochter von ihrem „Verlobten“, einem Verwandten in Pakistan, vergewaltigt worden war.
Der Schwerpunkt der nun gestarteten Kampagne in dieser Woche liegt nach Angaben der Behörde eher auf Prävention als auf Strafverfolgung: „Unser Fokus ist nicht, Eltern oder Mitglieder der Großfamilie zu kriminalisieren“, betont Parm Sandhu von der Metropolitan Police. „Unser Fokus ist es, junge Menschen zu schützen.“
Bei einer Besprechung in Heathrow berichtet Gittins ihren Teammitgliedern, Opfer hätten eine Zwangsheirat beschrieben wie „lebendig begraben sein“: „Ich möchte, dass Sie diese Worte heute im Kopf haben“, mahnt sie ihre Kollegen.
Einige Reisende in Heathrow begrüßen die Initiative: „Wir waren sehr überrascht, das haben wir vorher nicht erlebt“, sagte der 31-jährige Karan Schah, der mit seiner Frau zu einem Besuch nach Großbritannien gereist ist. Ihrer arrangierten Ehe hätten beide zugestimmt, betonte er. Doch vor allem auf dem Land gebe es Zwangsehen noch immer: „Das ist sehr bedauerlich, also großes Lob für diese Aktion.“ (afp)
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