Großbritannien: Neue Regierung mit Haushaltsdefizit von 22 Milliarden Pfund konfrontiert

Ein Haushaltsloch von 22 Milliarden Pfund erwartet die neu gewählte Labour-Regierung unter Premierminister Keir Starmer in Großbritannien. Finanzministerin Rachel Reeves wirft den abgewählten Konservativen vor, diesen Fehlbetrag „vertuscht“ zu haben und kündigt umfassende Sparmaßnahmen an.
Die Labour-Partei steuert auf eine historische Mehrheit im Parlament zu. (Archivbild)
Das Parlamentsgebäude in London, Großbritannien.Foto: Sina Schuldt/dpa
Von 30. Juli 2024

Mit einem Haushaltsloch von 22 Milliarden Pfund (etwa 26 Milliarden Euro) startet die neu gewählte Labour-Regierung unter Premierminister Keir Starmer in Großbritannien in ihr erstes Regierungsjahr. Finanzministerin Rachel Reeves wirft den abgewählten Konservativen vor, diesen Fehlbetrag „vertuscht“ zu haben.

Die Vorgängerregierung sei „eine ungedeckte Verpflichtung nach der anderen eingegangen, obwohl sie wussten, dass das Geld nicht da war“, so Starmer. Würden keine Gegenmaßnahmen ergriffen, drohe eine Steigerung des ohnehin bereits zu erwartenden Haushaltsdefizits um bis zu 25 Prozent.

Reeves kündigt „schwierige Entscheidungen“ an

Wie der „Guardian“ berichtet, hat Reeves als ersten Schritt die Zuschüsse für Wintertreibstoff für zehn Millionen Rentner oberhalb einer definierten Einkommensgrenze gekürzt. Zudem will sie Steuererhöhungen für das erste Herbstbudget nicht ausschließen. Außerdem wird die Obergrenze für Sozialabgaben wieder abgeschafft, die von den Torys eingeführt worden war. Reeves meinte dazu:

„Wenn wir es uns nicht leisten können, können wir es auch nicht tun.“

Während einer Pressekonferenz sprach sie von „schwierigen Entscheidungen“, die man nun treffen müsse. Neben der Erhöhung einiger Steuern und Abgaben werden auch einige Sozialleistungen und öffentliche Ausgaben gekürzt. Dies sei vor dem Hintergrund des Ergebnisses einer internen Prüfung unabdingbar, die das Finanzministerium unmittelbar nach Amtsantritt der Labour-Regierung in Auftrag gegeben hatte.

Am 30. Oktober will das neue Kabinett seinen ersten Haushaltsentwurf präsentieren. Allein im laufenden Jahr seien Mehrausgaben zwischen 1,5 und drei Milliarden Pfund für den nationalen Gesundheitsdienst (NHS), die Ukraine und den Erhalt von Straßen und Eisenbahnschienen erforderlich.

Allein 6,4 Milliarden Pfund wird die Asylpolitik kosten – was Fragen bezüglich der Weiterführung der Ruanda-Politik aufwirft. Labour-Politiker hatten bereits im Vorfeld der Wahl diese kostspielige Bemühung, unwillkommene Einwanderung von Großbritannien fernzuhalten, infrage gestellt.

Die bereits zu Beginn von der Labour-Regierung in Aussicht gestellten Einsparungen in Höhe von 5,5 Milliarden Pfund im laufenden Jahr werden nicht ausreichen, betont Reeves. Die Ministerin will sich jedoch an die Wahlkampfversprechen ihrer Partei halten und keine Erhöhungen bei Einkommenssteuer oder Mehrwertsteuer ins Auge fassen.

Während die neue Finanzministerin die Konservativen beschuldigt, das Defizit ziellos in die Höhe getrieben zu haben, wies ihr Amtsvorgänger diese Darstellung zurück. Er erklärte, Reeves werde mit ihrer Finanzprüfung „absolut niemanden täuschen“. Ihr Vorstoß sei ein „schamloser Versuch“, eine Rechtfertigung für Steuererhöhungen zu konstruieren.

Beide Kabinette haben zu Ausgabensteigerungen beigetragen

Tatsächlich können beide belastbare Argumente für ihre wechselseitigen Schuldzuweisungen ins Treffen führen. Das unabhängige „Büro für verantwortungsvolle Haushaltspolitik“ sprach in einem jüngst vorgelegten Bericht von einer „signifikanten Politik übermäßiger Ausgaben“ in den letzten Tagen und Wochen der Tory-Regierung.

Auf der anderen Seite rühren allein 9,4 Milliarden Pfund und damit die Hälfte des Defizits von einer der ersten Entscheidungen der Labour-Regierung her. Diese hatte die Gehaltsempfehlungen für den Öffentlichen Dienst, die über der Inflationsrate liegen, in vollem Umfang akzeptiert.

Auf diese Weise wollte man die Reallohnverluste für die Betroffenen aus den vergangenen Jahren ausgleichen. Zudem wollte man offensichtlich verhindern, dass die neue Regierung gleich mit erheblichen Arbeitskampfmaßnahmen ins Amt startet, die als ernsthafte Gefahr im Raum standen.

Großbritanniens Rentner müssen um Zuschuss für Winterkraftstoff fürchten

Nun will das neue Labour-Kabinett versuchen, die erforderlich gewordenen Konsolidierungsschritte in einer sozialverträglichen Weise umzusetzen. Die Zahl der Empfänger des Winterkraftstoffzuschusses für Rentner wird von 11,4 Millionen auf 1,5 Millionen sinken.

Die Vergünstigung wird einkommensabhängig gewährt, ihre Einsparung soll 1,5 Milliarden Pfund an Haushaltsspielraum geben. Gleichzeitig scheint eine Preisexplosion im Energiebereich wie 2022 nicht ins Haus zu stehen. Die Wohlfahrtsorganisation „Independent Age“ warnt dennoch vor finanzieller Not, die der Schritt für viele Rentner bedeuten könnte. Immerhin will Labour das Triple-Lock-System für Renten beibehalten, das Renten jährlich um mindestens 2,5 Prozent steigen lässt.

Eine weitere Milliarde an Ersparnis soll es bringen, geplante Reformen im Bereich der Pflege vorerst aufzuschieben. Ab 1. Januar soll auf die Schulgebühren für die Privatschulen auch eine Mehrwertsteuer anfallen. Dazu will Labour einige Tory-Projekte im Bildungsbereich und bezüglich des Baus neuer Krankenhäuser überprüfen oder streichen.

 

 



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