Großbritannien macht im Streit um Nordirland-Protokoll Druck
Die britische Regierung hat ihre Bereitschaft zur einseitigen Aussetzung der im Nordirland-Protokoll festgelegten Zollregelungen bekräftigt. Brexit-Minister David Frost sagte am Montag bei seiner Rede auf dem Parteitag der Konservativen in Manchester, wenn es nicht bald eine Einigung mit der EU gebe, „müssen wir den Schutzmechanismus nach Artikel 16 anwenden“. Er sagte: „Wir können nicht ewig warten.“
Das Nordirland-Protokoll ist einer der strittigsten Punkte in den Post-Brexit-Beziehungen zwischen Brüssel und London. Dieses sieht vor, dass zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland keine Zollkontrollen eingeführt werden.
Stattdessen soll zwischen Großbritannien und Nordirland kontrolliert werden. Die EU hatte darauf bestanden, um den Nordirlandkonflikt nicht wieder anzuheizen. Artikel 16 sieht vor, dass bestimmte Bestimmungen des Abkommens im Falle „ernster wirtschaftlicher, sozialer oder ökologischer Schwierigkeiten“ außer Kraft gesetzt werden können.
Frost zufolge „untergräbt“ das Protokoll auch das Karfreitagsabkommen, das 1998 den jahrzehntelangen blutigen Konflikt zwischen Befürwortern einer Vereinigung des Landesteils mit der Republik Irland und Befürwortern eines Verbleibs im Vereinigten Königreich beendet hatte. Letztere kritisieren, dass durch das Protokoll eine De-Facto-Grenze innerhalb des Königreichs entstehen soll und die Versorgung Nordirlands leiden könnte.
Die einseitige Aussetzung des Protokolls „könnte letztlich der einzige Weg sein, um unser Land, unser Volk, unseren Handel, unsere territoriale Integrität und den Friedensprozess zu schützen“, sagte Frost am Montag. Die Regierung von Premierminister Boris Johnson will das Protokoll trotz der Weigerung der EU neu verhandeln. Bereits mehrfach drohte London deshalb damit, Artikel 16 auszulösen.
Keine Antwort von der EU
Die EU müsse auf die Vorschläge der Regierung reagieren, „aber nach dem, was ich höre, bin ich besorgt, dass wir keine Antwort erhalten, die die sinnvollen Änderungen ermöglicht, die wir brauchen“, sagte Frost.
Die stellvertretende Sprecherin der Europäischen Kommission, Dana Spinant, erklärte dazu: „Wir kommentieren keine Kommentare oder Erklärungen unserer Partner oder anderer Beteiligter, wie lyrisch oder aggressiv sie auch sein mögen.“ Ihr Kollege Dan Ferrie fügte hinzu, dass die europäische Antwort auf die britischen Vorschläge „bald“ zu erwarten sei.
Das Protokoll trat eigentlich am 1. Januar in Kraft, als Großbritannien den EU-Binnenmarkt verließ. Vollständige Zollerklärungen sollen jedoch erst 2022 kommen. Im September hatte London allerdings schon angekündigt, die infolge des Brexits geplante Einführung vollständiger Grenzkontrollen für Waren aus der EU auf unbestimmte Zeit zu verschieben.
Auch die Überprüfung von Nahrungsmitteln und Tierprodukten, die dem Schutz vor Krankheiten dienen soll, wird der Regierung zufolge von Januar auf Juli kommenden Jahres verschoben. (afp/dl)
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