Griechenland führt Sechs-Tage-Woche ein

Deutschland diskutiert die Vier-Tage-Woche, Griechenland geht einen anderen Weg: Wegen des Fachkräftemangels können Festangestellte dort künftig für mehr Geld einen Tag zusätzlich arbeiten.
Der Fachkräftemangel in Griechenland ist vor allem auf die schwere Finanzkrise des Landes von 2010 bis 2018 zurückzuführen.
Der Fachkräftemangel in Griechenland ist vor allem auf die schwere Finanzkrise des Landes von 2010 bis 2018 zurückzuführen.Foto: Sven Hoppe/dpa
Epoch Times25. Juni 2024

Startschuss 1. Juli: Arbeitgeber in Griechenland können ihren Angestellten den Vorschlag unterbreiten, sechs anstatt bisher fünf Tage die Woche zu arbeiten. Maximal erlaubt sind als zulässige Arbeitszeit bis 48 Stunden an bis zu sechs Tagen pro Woche.

Neben einer Vollzeitstelle können Beschäftigte auch einen Nebenjob mit bis zu fünf Arbeitsstunden pro Tag annehmen – bis 78 Stunden pro Woche. Dazu gezwungen werden dürfen Arbeitnehmer nicht.

Das Angebot könnte sich für die Beschäftigten lohnen: Für den sechsten Arbeitstag erhalten sie qua Gesetz einen Aufschlag von 40 Prozent mehr Gehalt, handelt es sich dabei um Sonn- und Feiertage, gibt es 115 Prozent zusätzlich. Damit könnten die Griechen künftig mehr arbeiten als ohnehin schon – innerhalb der EU verzeichnen sie die meisten Wochenarbeitsstunden.

Schwarzarbeit und Streikrecht

Gewerkschaften kritisieren das Gesetz trotz der geplanten Zusatzzahlungen als Ausbeutung, doch Arbeitsminister Adonis Georgiadis lässt sich nicht beirren: „Da vor allem in der Industrie ein großer Mangel an Arbeitskräften herrscht, werden Überstunden geleistet – und die werden oft schwarz gezahlt“, argumentierte er bei der Debatte zum Gesetz im Parlament.

Mit der neuen Regelung hingegen erhielte jeder das Recht auf extra bezahlten Sondereinsatz und Schwarzarbeit werde der Riegel vorgeschoben. Viele Griechen gehen einem zweiten Job nach, um über die Runden zu kommen. Die jetzige Regelung legalisiert diesen.

Auch das Streikrecht wird verändert: Wer diejenigen, die arbeiten wollen, an der Arbeit hindert und beispielsweise einen Streik durchsetzt, kann künftig hohe Geld- oder Gefängnisstrafen erhalten.

Vom Brain-Drain bis heute nicht erholt

Der Fachkräftemangel in Griechenland ist vor allem auf die schwere Finanzkrise des Landes von 2010 bis 2018 zurückzuführen. Damals stand das Land kurz vor der Pleite und Hunderttausende gut ausgebildete junge Leute wanderten ab, um ihr Glück im Ausland zu suchen. Von diesem Brain-Drain hat sich Griechenland bis heute nicht erholt, auch wenn es mit der Wirtschaft aufwärtsgeht.

Der Mangel an Arbeitskräften trotz einer Arbeitslosenquote von aktuell rund 11 Prozent betrifft nicht nur Industriebetriebe und den IT-Sektor, sondern vor allem auch die Landwirtschaft und den Tourismus.

Dort strebt die konservative griechische Regierung unter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis auch andere Lösungen an. So wird versucht, Saisonkräfte für die Ernte sowie als Service- und Reinigungskräfte Menschen aus Ägypten, Indien und anderen Schwellenländern zu akquirieren.

Das neue Gesetz zur Sechs-Tage-Woche hingegen zielt auf Unternehmen ab, die zwölf oder auch 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche den Betrieb aufrechterhalten müssen – etwa Industriebetriebe, aber auch Telekommunikationsunternehmen und andere Dienstleister. Auch der öffentliche Sektor und Staatsunternehmen gehören zur Zielgruppe.

In Europa arbeitet keiner mehr als die Griechen

Die Mär von den arbeitsfaulen Griechen, wie sie während der Finanzkrise von zahlreichen internationalen, vor allem auch deutschen Medien kolportiert wurde, wird dadurch einmal mehr widerlegt.

Laut Statistikbehörde Eurostat führen die Griechen mit 39,8 Stunden die europäische Rangliste der Wochenarbeitsstunden an. Für Deutschland verzeichnet die Auflistung im Schnitt 34 Wochenstunden. Griechen arbeiten bisher durchschnittlich pro Jahr über 1.800 Stunden (500 mehr als Deutsche im Durchschnitt) und damit am meisten in der EU.

In Deutschland lobte zuletzt CSU-Chef Markus Söder das griechische Konzept und forderte von den Deutschen mehr Fleiß. „In Griechenland gibt es jetzt zum Beispiel eine Sechs-Tage-Woche, bei uns wird über eine Vier-Tage-Woche diskutiert. So werden wir den Rückstand nicht aufholen. Wir müssen wieder mehr arbeiten, aber mehr Arbeit muss sich dann auch lohnen“, hatte er der „Bild-Zeitung“ gesagt. (dpa/red)



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