Gorbatschow: Beinahe eine Kriegserklärung der Nato an Russland
Die Rhetorik der Nato wirke wie eine Kriegserklärung an Russland, kommentiert der frühere Präsident Michail Gorbatschow die jüngsten Beschlüsse der Nato.
„Sie sprechen nur über Verteidigung, aber im Grunde treffen sie Vorbereitungen für Angriffshandlungen.“ Von einem Kalten Krieg gehe die Nato zu den Vorbereitungen für einen heißen über.
Vor allem für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Bundesregierung sind die Äußerungen politisch heikel. Gorbatschow äußert sich zwar seit längerem kritisch über den Kurs der Nato und verteidigt einzelne Entscheidungen von Kremlchef Wladimir Putin. Weltweit gilt er aber noch immer als derjenige Politiker, der maßgeblich zum Ende des Kalten Krieges beitrug und die deutsche Wiedervereinigung ermöglichte.
Zumindest Deutschland und Länder wie Frankreich hatten sich vorgenommen, nicht den Eindruck zu erwecken, dass in Warschau ein „Anti-Russland-Gipfel“ abgehalten wird. Der Nato bleibe nicht anderes übrig, als mit mehr Abschreckung auf die Ukraine-Krise und die Sorgen der östlichen Bündnispartner zu reagieren, sollte die Botschaft lauten. Die Hand in Richtung Moskau sei und bleibe dabei ausgestreckt. Mehr Dialog und Entspannung seien das Ziel. „Für Frankreich ist Russland kein Gegner, keine Gefahr“, sagt der französische Staatschef François Hollande.
Russland kündigte mehrfach an, auf die in Warschau endgültig beschlossene Verlegung von 4000 Soldaten in die Nachbarländer Litauen, Lettland, Estland und Polen „angemessen“ zu reagieren. Die stationierten Soldaten sind dabei das Geringste. Die Nato kündigte auf dem Gipfeltreffen auch an, dass der Raketenschutzschirm gegen Russland im Prinzip fertig ist – und das wird von Russland viel kritischer betrachtet.
Aufseiten der Nato soll die Aufrüstung noch weiter gehen. Beim Gipfel in der polnischen Hauptstadt kündigte die Nato an, Pläne für eine verstärkte Präsenz im Schwarzen Meer zu entwickeln. Sie sollen zum nächsten Nato-Verteidigungsministertreffen im Oktober vorliegen.
In den östlichen Bündnisstaaten, die sich von Russland bedroht sehen, wird ein Dialog mit Russland für wenig vielversprechend gehalten. Russland sei nicht bereit, sich anders zu verhalten, kritisiert die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite. „Beide Seiten werden darauf hinweisen, wie sie über die Beziehungen denken – und das ist alles.“
Grybauskaite betont stattdessen: „Die Nato hat ihre Schreibstuben und ihre Pläne auf Papier hinter sich gelassen, ist aufs Feld hinaus gegangen und zu einer echten Verteidigungsorganisation geworden“, sagt sie in Warschau. „Es ist das erste Mal nach dem Kalten Krieg, dass die Nato-Partner in diesem Ausmaß in Abschreckung und Verteidigung ihres eigenen Territoriums investieren.“
Der 85-jährige Gorbatschow kommentiert, Russland werde dadurch zu harten und gefährlichen Reaktionen provoziert. Das klingt nach einem neuen Wettrüsten. Nach Kaltem Krieg. Nach dem, was die Nato eigentlich nicht will. (dpa)
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