Globalisierung in der Krise: Trend zur Rückverlagerung von Produktionsstätten

Kriege, Sanktionen, instabile Lieferketten – angesichts der Krisen auf der Welt droht die Globalisierung an Kraft zu verlieren. Das befürchtet Ngozi Okonjo-Iweala, Chefin der Welthandelsorganisation (WTO).
«Wenn sich die Investitionen erstmal einmal verschoben und Lieferketten zerschlagen haben, ist das nicht so einfach zu reparieren», warnt Ngozi Okonjo-Iweala.
WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala.Foto: Britta Pedersen/dpa
Von 6. Oktober 2023

Die Chefin der Welthandelsorganisation (WTO) beobachte beunruhigende Entwicklungen beim globalen Austausch von Waren, heißt es im Magazin „Spiegel“. „Wir sehen zwar noch keine großflächige Fragmentierung, aber es gibt erste Anzeichen“, sagte Ngozi Okonjo-Iweala bei einer Veranstaltung in Genf. Sie sprach von einer gefährlichen Entwicklung, die sich am Ende als „sehr kostspielig“ herausstellen könnte. „Lasst uns die Globalisierung neu denken“, forderte daher die 69-jährige Nigerianerin.

Mit ihren Äußerungen spielte die WTO-Chefin auf Entwicklungen wie das sogenannte Friendshoring an. Gemeint ist damit die Verlagerung von Unternehmensprozessen in Länder, in denen ähnliche politische und gesellschaftliche Werte geteilt werden. So suchten derzeit einige westliche Konzerne – auch aus taktischen Gründen – Alternativen zum Produktionsstandort China. In manchen Führungsetagen habe man Sorge, dass der Westen bei einem Überfall der Chinesen auf Taiwan ähnliche Sanktionen verhängen könnte wie aktuell gegen Russland wegen des Krieges mit der Ukraine.

IWF: Rückgang der globalen Wirtschaftsleistung

Ngozi Okonjo-Iweala thematisierte auch die Praxis des „Reshoring“. Dabei geht es um die Rückverlagerung von Produktionsstätten aus Schwellenländern zurück in die Industriestaaten. „Lasst uns das nicht tun“, betonte sie.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) habe davor gewarnt, dass eine starke Fragmentierung der Weltwirtschaft die globale Wirtschaftsleistung um bis zu sieben Prozent verringern könnte. Die Globalisierung, die lange Zeit ein wichtiger Katalysator für die Entwicklung vieler Schwellenländer war, könnte aus Sicht der Deutschen Bundesbank erheblich an Kraft verlieren.

Ungleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem chinesischen Inlandsmarkt seien ebenfalls ein wichtiger Grund, warum sich seit einiger Zeit viele ausländische Unternehmen aus dem Land zurückzögen. Andere Schwellenländer wie Indien nutzten diese Entwicklung und stießen in diese Lücke vor.

Feste Lieferketten bedeuten Wachstum

Bereits im Januar 2023 sagte Okonjo-Iweala bei einer Veranstaltung des Weltwirtschaftsforums (WEF), dass Globalisierung „ihre Probleme“ habe. Man dürfe aber nicht vergessen, dass dadurch auch eine Milliarde Menschen aus der Armut geholt worden seien. Man müsse sich auch die Anfälligkeit der Lieferketten anschauen. Diese müsse man festigen, dann könne man auch wieder allgemeines Wachstum herbeiführen.

Ngozi Okonjo-Iweala ist seit dem 1. März 2021 Generaldirektorin der Welthandelsorganisation. Sie ist die erste Frau und die erste Afrikanerin auf diesem Posten. Sie ist eine globale Finanzexpertin, Ökonomin und Expertin für internationale Entwicklung mit über 40 Jahren Erfahrung in Asien, Afrika, Europa, Lateinamerika und Nordamerika, heißt es auf der Internetseite der WTO. Seit 2015 ist sie auch Vorstandsvorsitzende der Impfallianz Gavi und eng mit dem Weltwirtschaftsforum verbunden.

In den Jahren 2003 bis 2006 und ab 2011 war sie Finanzministerin ihres Heimatlandes Nigeria. Zu Beginn ihrer zweiten Amtszeit behauptet die Enthüllungsplattform Wikileaks, dass sie ihrem Bruder Jon-Jon 2004 – während ihrer ersten Amtsperiode – einen Vertrag über 50 Millionen US-Dollar zugeschustert haben soll. Okonjo-Iweala dementierte, sie habe keinen Bruder mit diesem Namen und bezeichnete die Veröffentlichungen als Verschwörung.

Auf der Forbes-Liste der 100 mächtigsten Frauen der Welt stand sie 2021 auf dem 91. Platz.

 

 



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