Globale Reichensteuer: Keine Einigung – Brasiliens Vorschlag stößt auf Widerstand

Die G20-Finanzminister einigten sich in Rio de Janeiro auf eine gemeinsame Abschlusserklärung zur effektiven Besteuerung der Superreichen. Trotz dieser Einigung fand der Vorschlag Brasiliens für eine globale Vermögenssteuer keine Mehrheit. Geld wird offensichtlich dringend gebraucht. Dafür wird eine neue Anlageklasse auf den Weg gebracht.
«Diese Umfrage beweist einmal mehr, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in den G20-Ländern der Meinung ist, dass es an der Zeit ist für eine Wirtschaft, die für mehr Wohlstand, mehr Klimaschutz und weniger Ungleichheit sorgt», sagt Sandrine Dixson-Declève, geschäftsführende Vorsitzende von Earth4All.
Brasiliens Plan einer globalen Reichensteuer ist vorerst gescheitert.Foto: Hannes P Albert/dpa
Von 31. Juli 2024

Am Samstagabend ging das Treffen der Finanzminister der G20-Länder in Rio de Janeiro zu Ende. Anders als beim Treffen in São Paulo Ende Februar stand am Ende eine gemeinsame Abschlusserklärung.

In São Paulo hatten sich die Finanzminister und Zentralbankchefs der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) nicht auf eine gemeinsame Linie zum Krieg in der Ukraine einigen können. Statt der nach solchen Treffen üblichen gemeinsamen Erklärung der Teilnehmer gab es damals nur eine veröffentlichte Zusammenfassung des Vorsitzlandes Brasilien. 

In dieser wurden die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten nur in einer Fußnote erwähnt. Die Minister hätten aktuelle Kriege, Konflikte und humanitäre Krisen angesprochen und die Ukraine sowie den Gazastreifen besonders hervorgehoben, heißt es darin. Brasilien halte als Gastgeber des G20-Treffens ein Treffen der Finanzminister aber nicht für das richtige Forum, um solche geopolitischen Fragen zu klären. Die Debatte darüber sollte auf das Treffen der Außenminister sowie der Staats- und Regierungschefs verlagert werden. Im Mittelpunkt der Beratung der G20-Finanzminister sollten wirtschaftspolitische Fragen stehen. 

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) betonte damals am Flughafen von São Paulo, es sei trotz intensiver Bemühungen aller Seiten nicht möglich gewesen, einen Konsens zu finden. Eine gemeinsame Erklärung sei daran gescheitert, „dass wir keine gemeinsame Sprache haben verabreden können zur Bewertung der Folgen des Krieges in der Ukraine auf die Weltwirtschaft“.

Außerdem habe es den Versuch gegeben, den russischen Angriff auf die Ukraine gleichzusetzen mit der humanitären Situation im Gazastreifen. Das habe Deutschland nicht mittragen können. 

Die Gespräche der G20-Finanzminister stocken seit dem Krieg in der Ukraine immer wieder. Auch Russland gehört zu den G20-Mitgliedsländern. 

Globale Vermögenssteuer nicht zielführend

Bei dem Treffen in Rio de Janeiro vor wenigen Tagen standen nur finanzpolitische Themen auf der Agenda. Trotzdem enthielten auch diese einiges an Zündstoff. So war das Gastgeberland Brasilien mit dem Vorschlag einer Steuer für Milliardäre vorgeprescht. 

Das von Brasilien vorgelegte Konzept sah vor, dass Milliardäre jährlich mindestens zwei Prozent ihres Vermögens an ihren Heimatstaat abführen. Das könne zu Einnahmen von bis zu 250 Milliarden Dollar führen, die zur Bekämpfung von Hunger und Konflikten, zur Pandemievorsorge und dem Klimaschutz eingesetzt werden könnten. Darüber hatte im Vorfeld des Gipfels unter anderem der „Tagesspiegel“ berichtet. Darin wird deutlich, dass das von der FDP geführte Finanzministerium einem solchen Vorschlag skeptisch gegenübersteht: „Wir halten die Idee einer globalen Mindestvermögensteuer nicht für zielführend“, hieß es aus der Richtung Lindners. 

Das Finanzministerium unter Christian Lindner (FDP) setze sich dafür ein, stärker gegen Vermögensverschleierung und Steuerumgehung vorzugehen. „Das muss grenzüberschreitend bekämpft werden“, sagte ein Mitarbeiter gegenüber der Zeitung.

Deutschland wurde auf dem Treffen der G20-Finanzminister durch den Staatssekretär Heiko Thoms vertreten. Es war nicht das einzige Land, das die Pläne für eine globale Reichensteuer kritisch sieht. Auch die USA hatten sich schon im Vorfeld gegen eine solche Besteuerung ausgesprochen, schreibt die „Tagesschau“.

Frankreich, Spanien und Südafrika haben laut „Manager Magazin“ das Vorhaben Brasiliens unterstützt. Eine Mehrheit gab es dafür allerdings nicht. 

„Superreiche“ wirksam besteuern: Jedes Land entscheidet selbst

Am Ende einigten sich die Finanzminister der G20-Länder auf eine gemeinsame Erklärung, in der sie sich für eine wirksame Besteuerung der Superreichen aussprechen. In einer Deklaration zur internationalen Steuerkooperation heißt es dazu, man werde sich „bemühen, gemeinsam dafür zu sorgen, dass sehr vermögende Personen effektiv besteuert werden“. 

Niemand solle das Steuersystem seines Heimatlandes umgehen können, so die G20-Minister. Allerdings betonen sie auch, dass das Steuerrecht „ein konstitutives Recht der staatlichen Souveränität“ bleibe und „auf nationaler Ebene festgelegte Prioritäten“ respektiert werden sollten.

„Der Kampf gegen Hunger, Armut, Ungleichheit und die Besteuerung der Superreichen stehen auf der internationalen Wirtschaftsagenda und weisen auf eine sozial gerechtere und ökologisch nachhaltige Zukunft hin“, kommentierte laut „Manager-Magazin“ Brasiliens Finanzminister Fernando Haddad im Nachgang die gemeinsame Erklärung.

Als zurzeit amtierender Vorsitzender der G20-Finanzminister bezeichnete Haddad die Abschlusserklärung als „bedeutenden Schritt nach vorn“, auch wenn es keine Einigung auf eine spezifische globale Steuer gegeben hat. 

Erster Konsens nach vielen Jahren

„Wir betrachten es als einen Sieg Brasiliens und der internationalen Gemeinschaft, nachdem es mehrere Jahre lang kein einziges vollständiges Dokument gegeben hatte, dessen 35 Absätze einvernehmlich angenommen wurden“, so Haddad.

Ein weiteres Thema, das Brasilien am vergangenen Wochenende auf die Tagesordnung setzte, war die Weiterleitung von Sonderziehungsrechten beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Diese Rechte sind Währungsreserven, die nicht an Devisenmärkten gehandelt werden und damit den IWF-Mitgliedern zur Verfügung stehen. Sie können bei Bedarf in andere Währungen umgetauscht und zur Staatsfinanzierung herangezogen werden. Beim Währungsfonds werden sie wie Buchkredite geführt. Brasilien schlug vor, diese Reserven an multilaterale Entwicklungsbanken weiterzuleiten. Diese könnten dadurch mehr Geld für Klimamaßnahmen verleihen. Die EZB und die Bundesbank wehren sich bisher gegen solche Pläne, sodass sich die G20-Finanzminister in Rio de Janeiro nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten. 

Geld wird aber offenbar dringend gebraucht. So berichtete das Onlineportal „MarketScreener“ über eine an das Treffen anschließende Erklärung der US-Finanzministerin Janet Yellen. Diese sagte, dass für den globalen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft bis 2050 jährlich drei Billionen Dollar an neuem Kapital benötigt werden, weit mehr als die derzeitige jährliche Finanzierung. Die Schließung der Lücke sei die größte wirtschaftliche Chance des 21. Jahrhunderts.

Yellen hatte schon vor fast zwei Jahren die multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs) aufgefordert, ihre Tätigkeiten und Kreditvergabekapazitäten zur Bekämpfung des Klimawandels zu erweitern. Dafür seien ebenfalls massive Privatinvestitionen erforderlich. Das US-Finanzministerium, das brasilianische Finanzministerium und weitere Akteure arbeiteten daran, die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor zu intensivieren.

Neue Anlageklasse: Naturschutz oder „Macht, Geld und Kontrolle“?

Yellen erklärte, dass die Banken auch neue Geschäftsmodelle fördern sollten, um Investitionen zu mobilisieren, die die Natur und die biologische Vielfalt unterstützen. Diese Investitionen sollen gleichzeitig die Wirtschaft stärken und den „Kampf gegen den Klimawandel“ vorantreiben, vermeldet „MarketScreener“.

In diesem Sinne wurden die Voraussetzungen für eine neue Anlageklasse geschaffen. Natural Asset Companies (NAC, zu Deutsch: Natürliche-Ressourcen-Unternehmen) sollen in Werte investieren, die bisher an der Börse nicht gehandelt werden: saubere Luft, sauberes Wasser oder Kohlenstoffeinlagerung.

Was erst mal schön klingt, birgt mächtigen Sprengstoff, beschreibt Wirtschaftsjournalist Norbert Häring: „Wasser, das die Kommunen bisher kostenlos entnommen haben, gehört dann den Konzernen, und es heißt bezahlen. Das Land um eine Stadt herum, das die Ressource ‚frische Luft‘ bereitstellt, gehört den Konzernen. Und die lassen sich dafür bezahlen, dass die Luft rein bleibt.“

Sean Reyes, der Generalstaatsanwalt des US-Bundesstaates Utah, erklärte in einer Stellungnahme gegenüber der amerikanischen Epoch Times:

Es geht um Macht, Geld und darum, wer kontrolliert, was auf diesem Land passieren kann.“



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