„Gigantische Umstellung“: EU-Kommissar kritisiert Verbrenner-Aus

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton warnt vor den Problemen, die die EU-Einigung zum Aus für Verbrennermotoren mit sich bringt. Es handele sich hierbei um eine „gigantische Umstellung eines ganzen Industriesektors“.
„Gigantische Umstellung“: EU-Kommissar kritisiert Verbrenner-Aus
Der umfangreiche Ausbau der Elektromobilität erzeugt auch Widerstand.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 14. November 2022

Die Europäischen Union will laut einer vom 27. Oktober erzielten Einigung ab dem Jahr 2035 nur noch klimaneutrale Neuwagen zulassen. Das würde das Aus für Verbrennermotoren bedeuten. Die EU-Kommission sieht dies als Teil des EU-Plans, die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken.

In einem am 4. November veröffentlichten Interview mit „Brussels Playbook“ äußerte sich der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton kritisch zu diesem Schritt.

Breton: Überprüfung wird nötig sein

Breton geht davon aus, dass das Gesetz bis 2026 neu geprüft und das Ausstiegsdatum verschoben werden müsste, um der Autoindustrie mehr Zeit für den Umbau der Produktion zu geben. Der Gesetzgeber hatte vorsorglich eine Klausel eingebaut, wonach die Maßnahme im Jahr 2026 überprüft werden müsse. Damit soll die EU – falls nötig – rechtzeitig reagieren können. Dies könnte durchaus nötig sein.

Denn wir sprechen offensichtlich von einer gigantischen Umstellung eines ganzen Industriesektors“, sagte der EU-Kommissar.

„Wir sollten dieses Überprüfungsdatum im Jahr 2026 ohne Tabus angehen“, fügte Breton hinzu.

Lade-Infrastruktur und Strommangel

Dabei wies der EU-Kommissar auf eine fehlende Lade-Infrastruktur und eine Versorgungsknappheit bei den für die Herstellung von Batterien benötigten Rohstoffen als Hindernisse für eine massive Einführung von Elektrofahrzeugen hin.

In Deutschland sind fast 48 Millionen Autos unterwegs. Sollen bis 2030 in Deutschland insgesamt 15 Millionen reine Elektroautos zugelassen werden, wie die Bundesregierung erwartet, so beläuft sich der Strom-Zusatzbedarf laut „Blackout-News“ auf ca. 39 Terawattstunden/Jahr (TWH/a). Das entspricht in etwa der Leistung der noch verbliebenen drei Kernkraftwerke beziehungsweise knapp 10 Prozent des innerdeutschen Stromangebots. Derzeit ist noch unklar, wie dieser Mehrbedarf an Strom in Deutschland bedient werden soll.

Eine weitere gewaltige Herausforderung wird die tägliche Betankung der riesigen Flotte von Elektroautos mit Strom sein. In Deutschland gibt es laut Bundesnetzagentur 59.228 Normalladepunkte und 11.523 Schnellladepunkte (Stand: 1. Oktober 2022).

Die meisten dieser Ladepunkte sind langsam ladende Stationen vom Typ Wechselstrom 11 oder 22 Kilowatt (kW). Für einen Ladevorgang benötigen diese teils bis zu zwölf Stunden. Der Anteil von Ladestationen mit 50 kW Gleichstrom liegt derzeit bei etwas mehr als zehn Prozent. Auch sie sind keine echten Schnellladestationen, da der Ladevorgang eine Stunde und mehr dauert. Sie sind als öffentliche Ladestationen somit bedingt geeignet, um die Länge der Warteschlangen akzeptabel zu halten.

Enormer Rohstoffbedarf

Elektroautos besitzen ganz andere Komponenten als ein Verbrennerauto. Besonders die Speichertechnologie erfordert in der Produktion viele Seltene Erden. Um also all diese Elektroautos zu produzieren, „benötigen wir bis 2030 15-mal mehr Lithium, viermal mehr Kobalt, viermal mehr Grafit, dreimal mehr Nickel“, sagte Breton. „Wir werden also einen enormen Rohstoffverbrauch haben, und das müssen wir alles untersuchen.“

Der französische Kommissar sagte, sein Team werde eine Reihe von Kriterien ausarbeiten, um zu beurteilen, ob der Markt für saubere Fahrzeuge in Schwung kommt – vermutlich mit der Absicht, diese zu nutzen, um die Debatte während der Überprüfung 2026 zu informieren.

„600.000 Arbeitsplätze vernichtet“

Auch der Arbeitsmarkt wird sich drastisch wandeln. So werden dabei laut Breton „600.000 Arbeitsplätze vernichtet“. Weiter erklärte er: „Wir sprechen nicht nur von den großen Autoherstellern – die werden das sicher schaffen –, sondern wir sprechen vom gesamten Ökosystem und der Stromerzeugung.“ Damit dachte der EU-Kommissar an die Zulieferfirmen, die derzeit Komponenten produzieren, die es in Verbrennerautos gibt, jedoch nicht in Elektroautos.

Beim Zulieferer Schaeffler tritt laut „n-tv“ bereits ein, wovor Autoindustrie wie Gewerkschafter jahrelang massiv warnten: 1.300 Stellen werden abgebaut, davon 1.000 in Deutschland – mit Verweis auf die Elektromobilität.

Auch viele Branchenführende und diejenigen, die Europas riesiges Netzwerk von Automobilzulieferern vertreten, haben sich aufgrund der gewaltigen Herausforderungen gegen das Mandat von 2035 ausgesprochen.

Breton wiederholte die Argumente der Industrie und wies auch darauf hin, dass der Rest der Welt Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor „noch viele Jahrzehnte“ verwenden werde und schlug vor, dass die Autohersteller diese Verbraucher immer noch mit Verbrennungsmotortechnologie bedienen könnten. „Ich ermutige EU-Unternehmen, weiterhin Verbrennungsmotoren zu produzieren – diejenigen, die dies wünschen“, sagte er.

 



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