Gewann Trump oder Harris? Für Deutschland vollkommen unerheblich

Ob Harris oder Trump die TV-Debatte für sich gewinnen konnte, ist für Deutschland und die Welt irrelevant. Beide US-Präsidentschaftskandidaten stehen für ein Amerika, das den Führungsanspruch in der Welt erhebt, insbesondere militärisch. Trump ist mit Deutschland durch und sieht in Viktor Orbán seinen engsten Verbündeten in Europa.
Einen Termin für ein zweites TV-Duell gibt es bisher nicht. (Archivbild)
US-Vizepräsidentin und demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und der ehemalige US-Präsident und republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump während einer Präsidentschaftsdebatte im National Constitution Center in Philadelphia, Pennsylvania, am 10. September 2024.Foto: Saul Loeb/AFP via Getty Images
Von 12. September 2024

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Die TV-Debatte hat deutlich gezeigt: unabhängig davon, wer die Wahl am 5. November gewinnen wird, die deutsche Regierung muss sich auf heftige Ansagen aus Washington gefasst machen.

Harris will ein Amerika, das „Stärke zeigt“

Kamala Harris im TV-Duell: „Amerika sollte als Führungsnation stets die internationalen Regeln und Normen hochhalten, eine Führungsnation sein, die Stärke zeigt.“ In dieser Aussage, die sie so bereits im Februar dieses Jahres auf der Münchner Sicherheitskonferenz von sich gab, steckten zwei Botschaften: eine indirekte Kritik an ihrem Parteikollegen und Chef, Präsident Joe Biden, von dem sie sich nun unbedingt abheben will. Und eine Botschaft an China, Russland, den Iran und an die NATO-Staaten. Würde sie zur Präsidentin gewählt werden, würde sie massiv gegen Diktaturen auftreten und die europäischen Partner in die Pflicht nehmen, Gleiches zu tun.

Dass sie damit durchaus auch militärische Stärke meint, offenbarte sie im weiteren Satz: „Der Präsident der Vereinigten Staaten ist Oberbefehlshaber. Und das amerikanische Volk hat ein Recht darauf, sich auf einen Präsidenten zu verlassen, der die Bedeutung der Rolle und Verantwortung Amerikas versteht.“ Harris warf Trump vor, Amerikas Führungsrolle in der Welt aufgeben zu wollen.

Ukraine: Wer hat die bessere Lösung?

Donald Trump erklärte am Beispiel des Ukraine-Krieges, was er unter einer „Führungsrolle Amerikas“ versteht, indem er sein inzwischen bekanntes Mantra wiederholte: „Wenn ich [in den letzten vier Jahren] Präsident gewesen wäre, hätte es nie angefangen, hätte Russland das niemals getan – ich kenne Putin sehr gut. Das hätte er nie getan.“

Am Beispiel des überhasteten Rückzugs der USA aus Afghanistan im Jahr 2022 klagte Trump: „Das ist übrigens der Grund, warum Russland die Ukraine angegriffen hat. Weil sie [die Russen] gesehen haben, wie inkompetent Sie und Ihr Chef sind“, warf er Harris vor.

Der die Sendung moderierende Journalist David Muir hakte nach. Trump habe mehrfach verkündet, er würde diesen Krieg in 24 Stunden lösen. „Wie genau würden Sie das machen? Wollen Sie, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt?“

Trump entgegnete: „Ich möchte, dass der Krieg aufhört. Ich möchte Leben retten, die nutzlos zu Millionen getötet werden.“ Präsident Biden warf er vor, dass dieser in den vergangenen zwei Jahren kein einziges Mal versucht habe, mit Putin zu telefonieren.

Wenn er hingegen gewählt werden würde, würde er den russischen Staatspräsidenten Vladimir Putin und den ukrainischen Volodymyr Selenskyj zusammenbringen. Dieser Krieg hätte nie stattgefunden, wenn er, Trump, weiterhin im Weißen Haus regiert hätte. „Ich denke, es liegt im besten Interesse der USA, diesen Krieg einfach zu Ende zu bringen, ein Übereinkommen auszuhandeln.“

Kamala Harris entgegnete: „Ich glaube, der Grund, warum Donald Trump sagt, dass dieser Krieg innerhalb von 24 Stunden vorbei sein könnte, liegt daran, dass er die Ukraine einfach aufgeben würde. Aber so sind wir Amerikaner nicht.“

Warnung vor einem Dritten Weltkrieg

Trump gab zu bedenken, dass Putin über Atomwaffen verfüge. Darüber würde in den USA nie jemand reden. Vielleicht aber würde er sie „irgendwann“ benutzen. Wenn der Ukraine-Krieg nicht beendet würde, „könnte es zum Dritten Weltkrieg führen“, warnte Trump.

Trump will Nahostproblem „schnell regeln“

Trump warf Harris polemisch vor, sie würde Israel und auch Araber „hassen“. Er behauptete, Harris würde sich mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nicht einmal dann treffen, wenn er vor dem US-Kongress spräche.

Damit spielte Trump auf den letzten Besuch Netanjahus in Washington im Juli an. Harris war zur gleichen Zeit auf einer Wahlkampftour. Die FAZ bewertete damals diesen Schritt als wohlfeiles Verhalten gegenüber arabischstämmigen Wählern: „Dass Kamala Harris die Rede von Benjamin Netanjahu im Kongress schwänzte, war ein gezielter Wink an Wähler, denen die Palästinenser wichtiger sind.“

Den Ausbruch der Gewaltspirale zwischen dem Iran und die von ihm finanzierten Stellvertreter Hamas in Gaza, Hisbollah im Libanon und Huthi im Jemen schob Trump der Biden-Regierung in die Schuhe. In der Regierungszeit Trumps sei der Iran aufgrund der Sanktionspolitik pleite gewesen und habe keinen Terror finanzieren können.

Weil hingegen seine Sanktionen „alle“ unter Präsident Biden aufgehoben worden seien, könnte der Iran wieder „Geld verteilen“. Das wäre unter seiner Regierung „nie passiert“, behauptete Trump. „Ich werde das schnell regeln“, gab er sich zuversichtlich.

Harris wollte auf diese Anklagen Trumps offenbar nicht ausführlich eingehen. Sie erklärte lediglich standardmäßig, dass sie sich für das Selbstverteidigungsrecht Israels einsetzen wolle, betonte jedoch gleichzeitig, dass die Bevölkerung in Gaza unter dem Krieg zwischen Israel und der Hamas leide.

Daher müsse eine Zwei-Staaten-Lösung herbeigeführt werden. Diese ist in Israel jedoch weitgehend unbeliebt. Bei Harris war nach ihrer Rede auf dem Parteitag der Demokraten im August und nun zum zweiten Mal im Fernsehen zu spüren, dass sie die jüdischen Amerikaner, die traditionell die Demokraten wählen, zugunsten der ansteigenden arabischstämmigen Wählerschaft aufgegeben hat.

Europa: Trump lobt Orbán, Harris spricht von der NATO

Die Haltung Amerikas zu Europa wurde zunächst indirekt angesprochen. Trump begann damit, indem er den in der EU umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán als einen „der angesehensten Männer“ bezeichnete. „Man nennt ihn einen starken Mann“, setzte Trump hinzu. Er sei ein Politiker, der sich ihn, Trump, zurück ins Weiße Haus wünsche. Weil China, Russland und Nordkorea „Angst vor ihm“ gehabt hätten.

„Ich verwende das Wort Angst nicht gern, ich zitiere ihn nur“, erklärte Trump Orbáns angebliche Aussagen. „Ich habe die Nord-Stream-2-Pipeline beendet und Biden hat sie am ersten Tag wieder zurückgesetzt“, behauptete Trump weiter. Biden habe „die Russen eine Pipeline bauen“ lassen, „die durch ganz Europa bis nach Deutschland führte. Die größte Pipeline der Welt.“

Erneut kam Trump in diesem Zusammenhang auf den Ukraine-Krieg zu sprechen: Er rechnete vor, dass der Krieg die USA „250 Milliarden Dollar oder mehr“ koste, die Europäern aber nur 150 Milliarden Dollar, weil die Ukraine Europa nicht darum bitte, sich mit einem höheren Anteil an den Kriegskosten zu beteiligen. Dabei seien die Europäer „ein viel größerer Nutznießer dieser Sache […] als wir“.

Er wies erneut Präsident Biden dafür die Schuld zu. Dieser habe „nicht den Mut, Europa zu fragen, wie ich es bei der NATO getan habe“. Trump sprach damit seine Drohung an die europäischen NATO-Mitglieder an, das Zwei-Prozent-Ziel der Beitragszahlungen einzuhalten, andernfalls würde er sie als amerikanischer Präsident nicht vor Russland schützen.

Trump hatte diese provokante Kampfansage im Februar dieses Jahres bei einer Wahlkampfveranstaltung ausgesprochen. „Das könnte einer der Gründe sein, warum sie mich nicht so sehr mögen wie schwache Menschen“, meinte Trump. Und im Fall seines Wahlsieges will er die Europäer „zum Ausgleich“ in der Finanzierung zwingen. „Nachdem dies gesagt ist, möchte ich, dass der Krieg beigelegt wird.“

Kamala Harris hielt Trump entgegen, dass es bei „Putins Agenda“ nicht nur um die Ukraine gehe. Das sei der eigentliche Grund, „warum die europäischen Verbündeten und unsere NATO-Verbündeten so dankbar sind, dass Sie nicht länger Präsident sind“.

Denn die Demokraten würden „die Bedeutung des größten Militärbündnisses, das die Welt je gesehen hat, der NATO, verstehen, und auch, was wir getan haben, um die Fähigkeit Selenskyjs und der Ukrainer zu bewahren, für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen. Andernfalls würde Putin in Kiew sitzen und den Rest Europas im Auge behalten“, gab sich Harris selbstsicher.

Amerikanischer Traum in Gefahr

Die Amerikaner sind mehrheitlich über ihre derzeitige Regierung verärgert. Die Stimmung ist am Boden. Der traditionelle amerikanische Traum vom Eigenheim für jedermann ist noch nicht einmal mehr für die Mittelschicht erfüllbar, die Lebenshaltungskosten zu hoch.

Der amerikanische Mittelstand „verarmt“, liegt aber im Einkommensdurchschnitt deutlich über deutschen Einkommen. Laut einer Umfrage der „New York Times“ und des Siena College vom 8. September erwarten 61 Prozent der Wähler vom nächsten Präsidenten eine „durchgreifende Veränderung“ für das Land.

Lediglich 40 Prozent trauen Kamala Harris eine solche Veränderung zu, während 61 Prozent die Kompetenz dafür bei Trump sehen. Laut dieser Umfrage würde dies bedeuten, dass es eine große Zahl an Demokraten gibt, die Trump eher zutrauen, die USA zu verändern als Harris. Dennoch würden sie Kamala Harris wählen, wie wiederum Wahlumfragen zeigen, die Harris mit zwei bis drei Prozent vor Trump prognostizieren.

Es bleibt unklar, ob die Fernsehdebatte zwischen Harris und Trump an diesem Wahlverhalten etwas ändert. Noch immer zeichnet sich kein Bild ab, wie sich die Wähler in den sogenannten Swing States verhalten werden. Das sind die Wähler jener Bundesstaaten, die aufgrund vorheriger Wahlen gezeigt haben, dass man sie auf keine der beiden Parteien im Vorhinein festlegen kann. Um sie wird am stärksten gerungen. In den USA gilt nicht das landesweite Mehrheitswahlrecht. Die Mehrheit für eine Partei wird pro Bundesstaat errungen.

Noch eine Runde?

Es bleibt außerdem unklar, ob es zu einer weiteren TV-Debatte zwischen Harris und Trump kommen wird, zumal Trump bereits mit Präsident Joe Biden eine solches Fernsehduell bestritten hat. Da alle Themen, die Amerikaner bewegen, nun in einem großen Rundumschlag bereits behandelt worden sind, bleibt die Frage, worüber in einer zweiten Runde diskutiert werden soll.

Klar, Kamala Harris braucht Öffentlichkeit. Sie ist noch zu unbekannt. Trump kennt jeder. Er braucht keine weitere, dritte Debatte. Bei aller Euphorie für Kamala Harris insbesondere in europäischen Leitmedien und bei zahlreichen deutschen Spitzenpolitikern bleibt außerdem festzuhalten: Die Kandidatin der Demokraten tritt gegen einen politischen Gegner an, der Ende Mai vor einem New Yorker Gericht in 34 Anklagepunkten für schuldig befunden wurde, der einen Attentatsversuch überlebt hat, trotz seines hohen Alters von 78 Jahren stabil und fit auftritt und ungeachtet all dieser Handicaps hohe Umfragewerte erzielt.

Noch hat Kamala Harris rund fünfzig Tage Zeit, sich zu überlegen, warum dies so ist. 2016 hatte Donald Trump nach Ansicht der Öffentlichkeit in TV-Debatten gegen die demokratische Bewerberin Hillary Clinton verloren, aber die Wahl zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten am Wahltag gewonnen.

Über den Autor:

Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C., und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.

 



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