Gesichtserkennung: „Sfera“ überwacht Moskauer Metro und sucht „Kriminelle“
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz schreitet weiter voran. In Russlands Hauptstadt Moskau können die Menschen nun nicht nur auf herkömmlichem Weg Fahrkarten in der Metro kaufen, sondern auch mit ihrem Gesicht bezahlen – nicht direkt, aber über die Verknüpfung von Gesichtserkennung, biometrischen Daten und ihrer Bankverbindung. Das Ganze nennt sich „FacePay“ oder auch „Sfera“.
Gefährliche Bequemlichkeit
Was nach einer Vereinfachung im Legitimations- und Bezahlprozess für Fahrkarten aussieht, hat jedoch auch ein zweites Gesicht: „Sie machen gar kein Geheimnis daraus. Sie sagen im Grunde genommen ziemlich offen, dass sie mit diesen Technologien Gesichter erkennen“, sagte die Juristin Darija Korolenko von der Bürgerrechtsplattform OVD-Info. Leute seien in der Metro festgenommen worden. Die Polizisten hätten dabei auf die Gesichtserkennung und nicht näher erläuterte Datenbanken verwiesen.
Als Gründe für die Verhaftungen nennt die „Tagesschau“, die Menschen hätten an verbotenen Demonstrationen teilgenommen oder seien im Internet aktiv gewesen. Auch von Präventiv-Verhaftungen ist die Rede. Korolenko meinte, dass die biometrischen Daten dieser Menschen also bereits zuvor erfasst und in einer Datenbank gespeichert sein müssten – inklusive Vermerk.
Maskenbefreiung mit Hintergedanken?
Laut dem Internet-Aktivisten und IT-Experten Michail Klimarew sei die Technologie „im Prinzip in allen Ländern gleich“, nur die Anwendung sei eine andere. In autoritären Staaten wie Russland, Iran und China würden damit die Sicherheitskräfte vollen und absolut unkontrollierten Zugang erlangen. „Und wenn sie wirklich große Macht haben, ist das eine sehr gefährliche Sache.“
Klimarew glaubt, dass die „Blase der Überwachung“ in Zukunft weiter anwachsen werde. Er halte es auch nicht für einen Zufall, dass die Abschaffung der Maskenpflicht in der Moskauer Metro ausgerechnet kurz nach Beginn der ersten Anti-Kriegsproteste stattfand. „Nun können wir häufiger Ihr Lächeln sehen“, habe es damals auf einer großen Digitalanzeige geheißen. Gleich das nächste Bild sei eine Werbung gewesen – für „FacePay“.
Gesichtserkennung im Sommer 2021 getestet
Nach Angaben des „Urban Transport Magazin“ habe man in Moskau bereits im Sommer 2021 auf einer Metro-Linie das Face-Pay-System „Sfera“ getestet, zunächst mit Mitarbeitern der U-Bahn. Dann sei der Test auf Linie 4 auf 1.000 Freiwillige einer „Fokusgruppe“ ausgeweitet worden und es kamen weitere Linien hinzu. Zugleich wurde „Sfera“ den Angaben nach mit der Datenbank der Polizei verknüpft, was nicht nur „FacePay“-Teilnehmer betrifft. Im Juli 2021 sollen nach Angaben der Moskauer Verkehrsbehörde 221 Personen mit dem System aufgespürt worden sein: 35 Vermisste, davon zwölf Kinder – und gesuchte Kriminelle.
Bereits im Oktober 2021 wurde das Face-Pay-System mit der digitalen Verknüpfung von biometrischen Daten und Kreditkarte von rund 15.000 Freiwilligen an allen Metro-Bahnhöfen Moskaus getestet. Dazu mussten sich die Testpersonen mit Handynummer, Kreditkarte und einem Passfoto registrieren. Moskaus Verkehrsbehörde versicherte ihrerseits, dass die Daten sicher seien und nicht an Dritte weitergeben werde, berichtete die öffentlich-rechtliche Deutsche Welle.
In dem englischsprachigen Videobeitrag wurden auch Fahrgäste zum Einsatz der Gesichtserkennungskameras an den Fahrkartendrehkreuzen befragt. Für eine der Testpersonen stand die Vereinfachung im Vordergrund. Normalerweise müsse man die richtige Fahrkarte herausholen oder seinen Metropass oder seine Kreditkarte in seinem Rucksack finden, sagte der Mann. Hier müsse man nichts finden, nicht einmal die Maske abnehmen, man gehe einfach durch – „und das war’s“.
Eine ältere Frau erklärte, dafür zu sein, weil es die Gefahr terroristischer Anschläge gebe und eine andere Frau sagte, dass sie konservativ sei und das System beängstigend finde. Ein junger Mann meinte: „Wir verlieren die Kontrolle, während es für die Regierung immer einfacher wird, uns zu kontrollieren.“
Politische Kontrolle und soziale Überwachung
In dem Beitrag wurde auch auf die zahlreichen Gesichtserkennungskameras auf den Straßen Moskaus hingewiesen. Das Netz von Überwachungskameras wurde auch schon für die Identifikation und Festnahme von Demonstranten eingesetzt. Es wird berichtet, dass Datenschutzaktivisten davor warnten, dass die Behörden die Netzwerke zur Gesichtserkennung ausweiten könnten, um mehr politische Kontrolle zu erlangen.
Die russische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Alyona Popova sagte dazu, dass die Gefahr darin bestehe, „dass sie sagen, dass die 220.000 Gesichtserkennungskameras unserer Sicherheit dienen, aber eigentlich sammeln sie Daten“. Auch der Moskauer Bürgermeister habe bestätigt, dass aus der Datenbank klar werde, mit wem man und wie lange Zeit verbringe. „Ihre sozialen Kreise werden identifiziert“, so Popova. Solche Informationen könnten definitiv für politische Zwecke verwendet werden, bei Kreml-Kritikern etwa.
Wie zu dieser Zeit auch die „Tagesschau“ berichtete, verwies IT-Experte Michail Klimarew damals schon darauf, dass das Problem nicht darin bestehe, dass jemand Geld von der Kreditkarte abheben könne, sondern, „dass das System gegen mich verwendet werden kann“. Klimarew verwies darauf, dass besonders staatliche Unternehmen immer häufiger ihre Kunden dazu aufforderten, ihre biometrischen Daten zu hinterlegen – bis hin zu Stimmproben.
Angeblich soll es dabei um eine besonders gute Absicherung gegen Hacker und Betrüger gehen. Doch die neue Technologie habe das Potenzial zur umfassenden Überwachung der Menschen – insbesondere, wenn die Daten zudem von den Behörden in einem zentralen Register erfasst würden. Klimarew: „Aber ich denke, dass es allmählich, mit kleinen Schritten in diese Richtung geht. Wie George Orwells Roman ‚1984‘ – nur im richtigen Leben.“
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