Gericht in Moskau ordnet Auflösung von Menschenrechtszentrum Memorial an

Titelbild
Russische Polizisten vor dem Obersten Gerichtshof in Moskau am 28. Dezember 2021.Foto: NATALIA KOLESNIKOVA/AFP via Getty Images)
Epoch Times29. Dezember 2021

Ungeachtet internationaler Proteste setzt Russland die Zerschlagung der wichtigsten Menschenrechtsorganisation des Landes fort. Am Mittwoch ordnete ein Gericht in Moskau die Auflösung des Menschenrechtszentrums Memorial an – einen Tag, nachdem der Oberste Gerichtshof bereits ein Verbot der Dachorganisation Memorial International erlassen hatte. Kritiker werten die Memorial-Urteile als neuen Höhepunkt der zivilgesellschaftlichen Repressionen unter Präsident Wladimir Putin.

Das Gericht habe entschieden, „dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Auflösung des Menschenrechtszentrums Memorial und aller damit verbundenen Einrichtungen nachzukommen“, sagte der Richter Michail Kasakow. Die Anklage hatte dem Menschenrechtszentrum Verstöße gegen das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz sowie die „aktive“ Unterstützung von Extremisten vorgeworfen.

Demonstration vor dem Gerichtsgebäude

Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten trotz eisiger Temperaturen dutzende Unterstützer von Memorial gegen die Zwangsauflösung. Bereits am Dienstag hatte das Oberste Gericht Russlands die Auflösung von Memorial International angeordnet und dabei ebenfalls auf angebliche Verstöße gegen das Ausländische-Agenten-Gesetz verwiesen.

Das umstrittene Gesetz verpflichtet NGOs, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten, dazu, ihre Publikationen mit speziellen Kennzeichnungen zu versehen. Kreml-Kritiker sehen in dem Gesetz ein politisches Instrument, um Oppositionelle und zivilgesellschaftliche Gruppen zum Schweigen zu bringen.

Der Chef des Menschenrechtszentrums, Alexander Tscherkassow, hatte in der Anhörung am Mittwoch vor der öffentlichen Wirkung eines Verbots der Organisation gewarnt. Eine Zwangsauflösung sei „eine Bestätigung dafür, dass die Verfolgung aus politischen Gründen zu einer systemischen Realität in unserem Leben geworden ist“.

Die Vorwürfe gegen die Organisation wies Tscherkassow mit Nachdruck zurück: „Unsere Aktivitäten in den vergangenen drei Jahrzehnten zielten darauf ab, die russischen Bürger und die Interessen des russischen Staates zu schützen.“

Die Staatsanwaltschaft warf dem Menschenrechtszentrum vor, seinerseits „Rechte und Freiheiten“ russischer Bürger verletzt zu haben. Im Prozess gegen die Dachorganisation hatte die Anklage Memorial auch vorgeworfen, ein „falsches Bild der UdSSR als Terrorstaat“ entworfen und das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg „verunglimpft“ zu haben.

Memorial International will Zwangsauflösung anzufechten

Menschenrechtsaktivisten weltweit und westliche Regierungen verurteilten das Vorgehen gegen das Memorial-Netzwerk als eindeutig politisch motiviert. „Es ist ein absoluter Skandal, dass der Kreml jetzt Memorial schließt“, erklärte der Chef von Human Rights Watch, Kenneth Roth.

Die Bundesregierung nannte das Urteil gegen Memorial International „mehr als unverständlich“. US-Außenminister Antony Blinken sprach nach dem Verbot der Dachorganisation von einem „Affront gegen die Sache der Menschenrechte überall“.

Die unabhängige russische Nachrichten-Website Medusa bezeichnete die Zwangsauflösung von Memorial als „abscheulich“. „Selbst gemessen an den Standards von 2021 ist die Schließung von Memorial außergewöhnlich“, hieß es in einem Leitartikel, der damit indirekt auf die massive Verfolgung von Anhängern des inhaftierten Oppositionspolitikers Alexej Nawalny seit Jahresbeginn verwies.

Memorial International selbst kündigte an, die Zwangsauflösung „auf jede erdenkliche Weise“ anzufechten und „rechtliche Wege“ zu finden, um die bisherige Arbeit fortzusetzen. „Memorial ist keine Organisation, es ist nicht einmal eine soziale Bewegung“, hieß es in einer Erklärung. „Memorial ist das Bedürfnis der Russen, die Wahrheit über ihre tragische Vergangenheit und über das Schicksal von Millionen von Menschen zu kennen.“ (afp/dl)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion