Georgien: Veto und Proteste nach Gesetz über den „ausländischen Einfluss“

In Georgien gehen die Unruhen wegen eines neuen NGO-Gesetz weiter. Die EU übt Druck auf das Land aus, dieses nicht in Kraft zu setzen. Derweil heizt SPD-Politiker Michael Roth in Tiflis die Stimmung an.
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Die wochenlangen Massenproteste gegen das Gesetz über den „ausländischen Einfluss“ gehen weiter, nachdem die Abgeordneten das Gesetz am 14. Mai 2024 verabschiedet haben. Die Demonstranten befürchten, dass sich das Kaukasusland von einem pro-westlichen Kurs abwendet und Russland annähert. Foto. Vano Shlamov/AFP via Getty Images
Von 19. Mai 2024

Die Staatspräsidentin von Georgien, Salome Surabischwili, hat am Samstag, den 18. Mai, Veto gegen ein Gesetz eingelegt, das ausländische Einflussnahme im Land erschweren soll. Das Gesetz über den „ausländischen Einfluss“ hat beispiellose Proteste und Warnungen aus Brüssel ausgelöst.

Am Dienstag hatte das georgische Parlament dieses mit deutlicher Mehrheit verabschiedet. Die Präsidentin bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Das Parlament kann ihr Veto nun überstimmen.

Demonstranten befürchten, dass die ehemalige Sowjetrepublik von ihrem prowestlichen Kurs abrückt und sich wieder Russland annähert – was eine in der jüngeren Geschichte des Schwarzmeerlandes beispiellose Protestwelle auslöste.

Roth bringt deutsche Solidarität mit NGOs in Georgien zum Ausdruck

Das Gesetz richtet sich an Organisationen und Medien, die zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden.

Diese müssten sich in Georgien künftig als Organe registrieren lassen, welche die „Interessen ausländischer Mächte verfolgen“. Auch die Kontrolle der Geldflüsse und die Transparenzpflichten würden damit verschärft.

Gegen das Gesetz richten sich seit einigen Wochen Demonstrationen in den größeren Städten Georgiens. Diese sind zum Teil von feindseligen Parolen gegen Russland begleitet.

Unterdessen trat am Mittwoch der nicht mehr in den Parteivorstand gewählte SPD-MdB Michael Roth vor Demonstranten in Tiflis auf und erklärte, dieses sei nun „die Hauptstadt Europas“. Der Kampf der Gegner des Transparenzgesetzes für NGOs sei „auch unser Kampf“.

Antirussisches Ressentiment als Aufhänger

Vor allem in der EU scheint man das Gesetz als eklatante Verletzung eigener Interessen in der früheren Sowjetrepublik wahrzunehmen.

Georgien gehört zu jenen postsowjetischen Staaten, in denen die Dichte an NGOs gemessen an der Bevölkerungszahl am höchsten ist. Die überwiegende Mehrheit davon kommt aus dem Westen.

Auch deshalb zeigt man sich bemüht, die „russische Karte“ zu spielen. Da es unter anderem auch in Russland ein Gesetz gibt, das eine solche Registrierungspflicht vorsieht, erklären Gegner des Vorhabens es zum „russischen Gesetz“. Auch Präsidentin Surabischwili – selbst einst französische Botschafterin in Georgien – bezeichnete es als „im Wesen russisch“.

Das „russische Gesetz“ in Russland ist derweil selbst kein russisches, sondern dem „Foreign Agents Registration Act“ (FARA) der USA nachempfunden. Der sogenannte McCormack Act besteht dort seit 1938 und wurde 1966 überarbeitet.

In der EU gibt es bereits seit Längerem ähnliche Gesetze in Ungarn, Litauen und Bulgarien. Außerhalb der EU haben Israel, Kanada und Australien Kontrollgesetze über ausländische Agententätigkeit. Im Dezember 2023 regte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein solches Gesetz sogar für die EU selbst an.

Deutschland und Frankreich haben sich „zutiefst besorgt“ über die Lage in Georgien gezeigt. In einer Erklärung heißt es, beide Länder nähmen mit tiefem Bedauern die Entscheidung der georgischen Regierung und regierenden Partei zur Kenntnis, vom europäischen Pfad abzuweichen.

In der deutsch-französischen Erklärung heißt es: „Unsere beiden Länder haben den europäischen Pfad Georgiens stets befürwortet und die Entscheidung des Europäischen Rates vom Dezember 2023 zur Verleihung des Kandidatenstatus aktiv unterstützt.“ Die georgische Regierung und regierende Partei handelten gegen gemeinsame europäische Werte und Bestrebungen der georgischen Bevölkerung. „Georgiens europäischer Pfad ist vorgezeichnet – darüber, mit welcher Geschwindigkeit und Richtung vorangeschritten wird, entscheidet aber Georgien.“

Europäische Parlamentarier stellen Sanktionen für „falsches“ Abstimmen in Aussicht

EU-Parlamentarier Thijs Reuthen von der sozialdemokratischen Fraktion hat dem Parlament auf X ein Ultimatum gesetzt.

„Jetzt hat das georgische Parlament eine letzte Chance, das Richtige zu tun. Es sollte das Gesetz in seiner Gesamtheit aufheben. Ich habe die Hohe Vertreterin der EU gebeten, Sanktionen gegen alle Abgeordneten vorzubereiten, die dafür stimmen, das Veto des Präsidenten zu überstimmen“, so Thijs Reuten.

Andere erklären mögliche Sanktionen gegen alle georgischen Abgeordneten, die in ihrem eigenen Parlament demokratisch für ein Gesetz gegen ausländische Einmischung stimmen, für gänzlich unreal. Auf X lösten Äußerungen dieser Art Vorwürfe neo-kolonialistischen Gebarens vonseiten der Europäer aus:

Tatsächlich gibt es in Georgien kaum nennenswerte prorussische Bestrebungen. Das Land hatte unter der derzeitigen Regierung der Bewegung „Georgischer Traum“ und mit parlamentarischer Mehrheit am 3. März 2022 den Beitritt zur EU beantragt.

Gemeinsam mit der Republik Moldau setzte man diesen Schritt unter dem Eindruck der russischen Militärintervention in der Ukraine. Etwa 80 Prozent der Georgier würden einen EU-Beitritt des Landes begrüßen.

Ehemaliger Mitarbeiter von US- und Soros-Organisationen als „russische Marionette“?

Auch der amtierende Premierminister Irakli Kobachidse weist einen für einen vermeintlichen „russischen Statthalter“, als den ihn europäische Politiker und Medien framen, eher untypischen Lebenslauf auf. Anfang der 2000er-Jahre war er regionaler Koordinator für Bildung der United States Agency for International Development.

Von 2006 bis 2014 diente er als Experte und Projektmanager des UN-Entwicklungsprogramms UNDP. 2011 und 2012 war er georgischer Delegierter zum Europarat. Zudem war er Teil des „Expertenkomitees für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit“ in der „Open Society – Georgia Foundation“.

Die „Open Society“-Stiftungen sind in zahlreichen Ländern der Welt tätige Dachverbände für NGOs. Bis vor dessen altersbedingtem Rückzug standen sie lange Jahre unter der Schirmherrschaft des bekannten US-Milliardärs und Philanthropen George Soros.

Kobachidse, der aktuelle Premierminister, hatte stets Unterstützung für die Ukraine bekundet und Russlands Intervention verurteilt. Allerdings hatte er auch früh Kritik an einer Äußerung des Chefs des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, Oleksij Danilow, verurteilt. Dieser hatte 2022 erklärt, Georgien würde der Ukraine durch die Eröffnung einer zweiten Front gegen Russland über das abtrünnige Transnistrien „einen Gefallen tun“.

Daraufhin beschuldigte Kobachidse Kiew, den eigenen Vorteil auf Kosten der Georgier zu suchen. Es sei zwar zutreffend, dass eine solche „zweite Front“ die Ukraine entlasten würde. Allerdings würde dies Leid und Zerstörung über Georgien selbst bringen.

Westliche Einflussbemühungen in Georgien bereits seit Endphase der Sowjetunion

Als das Europäische Parlament im weiteren Verlauf des Jahres mehrere gegen Georgien gerichtete Resolutionen beschloss, argwöhnte Kobachidse, dass die Ukraine mit diesem Ansinnen nicht allein sein könnte. Er sprach in weiterer Folge von einer „Globalen Kriegspartei“, die das Land in den Ukrainekrieg ziehen wolle.

Kobachidse erklärte, Georgien werde nicht von seinem Kurs der Mitgliedschaft und Integration in der EU abweichen. Allerdings forderte er die USA und die EU dazu auf, sich „von Forderungen an Georgien, in den Krieg einzutreten, zu distanzieren“.

Bereits seit der Endphase der Sowjetunion hatten westliche Länder – wie auch in anderen Reformstaaten – proaktiv daran gearbeitet, den russischen Einfluss zurückzudrängen. In der Wahl der Bündnispartner war man auch dort nicht wählerisch.

Ein von westlichen Ländern stark unterstützter Politiker war beispielsweise der radikale Nationalist, Anthroposoph und Gründer des Bündnisses „Runder Tisch/Freies Georgien“, Swiad Gamsachurdia.

Dieser wurde 1991 zum Präsidenten gewählt. Er begann schon bald autoritär zu regieren und ethnische Minderheiten wie Abchasen und Osseten einer Zwangsassimilation zu unterziehen. Als auf diese Weise erstmals im multinationalen und multireligiösen Georgien bürgerkriegsähnliche Zustände auftraten, putschte das Militär.

Daraufhin übernahm lange Zeit der ehemalige sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse die politische Führung im Land – ehe von westlichen NGOs unterstützte Demonstranten ihn 2003 zum Rücktritt veranlassten.

Verurteilter Saakaschwili als Favorit der Wertegemeinschaft

Oppositionsführer ist derzeit der bereits in den 2000er-Jahren in Georgien regierende Micheil Saakaschwili, der später auch eine kurzlebige politische Karriere in der Ukraine in Angriff nahm. Im Jahr 2018 verurteilte ihn ein georgisches Gericht in Abwesenheit wegen Amtsmissbrauchs und Anstiftung zur Gewalt gegen politische Gegner zu sechs Jahren Haft.

Als Präsident ordnete er einen Einmarsch der georgischen Armee in das von Separatisten kontrollierte Südossetien an. Als dabei auch russische Friedenstruppen angegriffen wurden, griff die russische Armee ein und drängte die georgischen Truppen zurück.

Der Schritt Saakaschwilis stieß auch im eigenen Land auf scharfe Kritik. Allerdings scheint dessen damit bereits unter Beweis gestellte Bereitschaft, notfalls auch militärisch auf Konfrontationskurs mit Russland, unter Konfrontationspolitikern im Westen Sympathien hervorzurufen.



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