Geheimoperation Den Haag: Niederländische Polizei verhaftet chinesischen „Kollegen“
Am 6. November veröffentlichte Wang Jingyu auf Twitter, dass er eine SMS bekommen habe. Der Absender gab sich als Mitarbeiter der Staatssicherheit der Kommunistischen Partei Chinas aus und drohte, ihn umzubringen. Der Vorfall ereignete sich jedoch nicht im KP-Staat. Denn Herr Wang lebt aktuell in den Niederlanden.
Der Absender der SMS teilte Wang mit, dass er sich derzeit in Aachen (Nordrhein-Westfalen) befinde und am nächsten Morgen noch vor sieben Uhr den Zug nach Den Haag nehmen werde. Dann werde er ihn töten, drohte der Mann. Anstatt sich einschüchtern zu lassen, alarmierte der 21-Jährige jedoch die niederländische Polizei über den Vorfall.
Polizei-Zugriff bei Starbucks
Am nächsten Morgen passierte aber nichts. Abends erhielt Wang eine SMS. Der Mann kündigte sein Kommen in einer halben Stunde an. Er wollte ihn am Hauptbahnhof Den Haag treffen, bei Starbucks. Er wolle mit ihm über sein Problem reden.
Wang alarmierte die Polizei, die Wang mit zehn Beamten zum Starbucks schickte. Dort rief Wang die Person zurück – die Polizei nahm ihn fest. Wang twitterte eine kurze Videosequenz dazu und kommentierte: „Der Kommunist ist gefunden! Auf ihn wartet das Gericht!“
Chinesische Internetuser applaudierten: „Du hast großartige Arbeit geleistet. Um mit grenzüberschreitenden kommunistischen Banditen fertig zu werden, solltest du die Polizei anrufen und sie verhaften lassen.“
Ein anderer User meinte: „In China ist er gewohnt, zu drohen: ‚Pass auf die drei Generationen deiner Familie auf‘ (Anm. d. Red.: Androhung, die ganze Familie wird Ärger bekommen) – arrogant und herrschsüchtig. Als er in dem Moment seine Maske vor der Polizei abnahm, wurde ihm wahrscheinlich klar, dass er nicht in China war!“
已经找到共匪!
等待他将是法律制裁! pic.twitter.com/TUnkkC0gx7— 王靖渝 WANG JINGYU (@WANGJINGYU2001) November 7, 2022
China-Agenten lösten Bombenalarm aus
Das ist nicht das erste Aufeinandertreffen zwischen Wang Jingyu und den KP-Männern des Pekinger Regimes im Ausland.
Erst vor einigen Monaten hatte er an einer Demonstration vor der chinesischen Botschaft in Den Haag teilgenommen. Wang wurde daraufhin von chinesischen Geheimagenten verfolgt. Man versuchte, ihn einzuschüchtern, rief ihn mehrfach an und forderte ihn zur Rückkehr nach China auf.
Am 10. September gab es einen falschen Bombenalarm, der ihm in die Schuhe geschoben wurde. In einer E-Mail an die niederländische Königliche Gendarmerie wurde von einer angeblichen Bombe in der Wohnung von Wang geschrieben und dass Wang das demokratische System hasse. Er wolle zum Gericht in Den Haag gehen, um Menschen zu töten. Die Polizei schickte daraufhin bis zu acht Streifenwagen, ein Einsatzkommando und einen Helikopter. Wangs Wohnung wurde durchsucht. Die Situation sei sehr beängstigend gewesen, so Wang.
Am 1. Oktober ging Wang Jingyu wieder zur Chinesischen Botschaft, um zu protestieren. Auf dem Weg dorthin hielt ihn ein Mann an und beleidigte ihn. Der Mann trug ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Chinesische Volksbefreiungsarmee“ und der KPC-Flagge auf dem Ärmel. Wang meldete den Vorfall bei der Polizei, die ein Strafverfahren gegen den Mann einleitete.
Als er an diesem Tag gerade vor der Botschaft Chinas ankam, machte eine Person in der Botschaft vor seinen Augen eine Falschmeldung bei der Polizei: „Er sagte, ich sei ein uigurischer Terrorist.“
Wang Jingyua erzählte den Reportern der chinesischsprachigen Epoch Times ein weiteres Ereignis, dass sein normales Leben auf den Kopf stellte. Am 7. und 8. Oktober schickte jemand unter seinem Namen, seiner Telefonnummer und seiner Passnummer kontinuierlich Nachrichten an viele Hotels in den Niederlanden, Belgien, Deutschland und Kanada mit Geldforderungen. Dieser Jemand drohte, bei Nichtbezahlung, eine Bombe zu zünden. Die belgische Polizei rief demnach plötzlich bei Wang an. Der Dissident nahm das Gespräch auf.
Laut Wang habe die belgische Polizei ihm geraten, sofort zur Polizeistation in den Niederlanden zu gehen. Wenn er nicht gehe, werde er in große Schwierigkeiten geraten, sagte die Stimme am Telefon. „Ich war so erschrocken, als ich das hörte“, so Wang. Während des Telefonats rief dann auch noch eine niederländische Behördenstelle an, um sich nach ihm zu erkundigen.
Auf der niederländischen Polizeiwache wurden Wang und seine Freundin rund eine Stunde eingesperrt. Wang wusste, dass „diese Angelegenheit ernst war und mehrere europäische Länder mich verhaften wollten“. Ein höherer Polizeibeamter ließ die beiden später frei, sagte aber, dass er nicht garantieren könne, dass er in anderen Ländern nicht verhaftet werden könnte, falls man dort einen europäischen Haftbefehl beantrage. Die niederländische Polizei wüsste nun aber Bescheid und würde ihn wohl nicht verhaften, hieß es.
KP-Polizeistationen weltweit in Aktion
Der spanische Menschenrechtsorganisation „Safeguard Defenders“ gelang es kürzlich, ein weltweites Netz von chinesischen Polizeistationen in anderen Ländern aufzudecken und an die Öffentlichkeit zu gehen.
In einem Zeitungsbericht kommt ein KP-Beamter aus dem Amt für ausländische Angelegenheiten in Shanghai unter der Bedingung der Anonymität zu Wort: „Die bilateralen Verträge sind sehr schwerfällig und Europa zögert, an China auszuliefern. Ich sehe nicht, was falsch daran ist, Kriminelle unter Druck zu setzen, die vor Gericht gestellt werden …“, so der KP-Funktionär gegenüber der Zeitung „El Correo“. Spaniens Innenministerium bestätigte in jenem Bericht, dass eine Untersuchung dieser Aktivitäten eingeleitet worden sei.
„Safeguard Defenders“ erklärte zudem, dass auf der Grundlage der bisher gesammelten Open-Source-Informationen 54 sogenannte „Übersee-Service-Stationen“ der chinesischen Polizei in 30 Ländern auf fünf Kontinenten ermittelt worden seien. Man geht jedoch von einer noch höheren Gesamtzahl aus, da es sich hierbei nur um die von den chinesischen Kreisen Fuzhou und Qingtian eingerichteten Stationen handelt.
Außenminister der Niederlande besorgt
In den Niederlanden seien solche Polizeistationen in Rotterdam und Amsterdam, schrieb kürzlich die „Netherland Times“. Der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra sprach am 26. Oktober auf Twitter „über die sehr besorgniserregenden Signale chinesischer Behörden, die möglicherweise an Polizeiaktivitäten in den Niederlanden beteiligt sind“.
Hoekstra kritisierte die „ausländische Einmischung in unseren Rechtsstaat“ als „nicht hinnehmbar“. Der Sender RTL berichtete, dass Chinesen in den Niederlanden in den „Übersee-Servicestationen“ ihre chinesischen Führerscheine erneuern und Änderungen ihres Personenstands melden könnten. Auf chinesischen Regierungsseiten und Nachrichtenplattformen sei jedoch zu lesen, dass die Agenturen auch dazu dienen sollen, der chinesischen Polizei die Arbeit im Ausland zu erleichtern und Informationen zu sammeln.
Dem Bericht nach würden die Stationen in Amsterdam und Rotterdam von zwei Männern geleitet, die vor ihrer Auswanderung in die Niederlande Karriere bei der chinesischen Polizei bzw. Militär gemacht hätten.
Tijdens werkbezoek aan #Aruba ook bezig met de zeer zorgelijke signalen over Chinese bureaus die zich mogelijk bezighouden met politieactiviteiten in NL. De onderste steen moet boven komen. Want voor de helderheid: buitenlandse inmenging in onze rechtsstaat is onacceptabel. 1/2
— Wopke Hoekstra (@WBHoekstra) October 26, 2022
Die Nichtregierungsorganisation „Protection Guardian“ veröffentlichte am 7. November ein Dokument, in dem es heißt, dass neben den Niederlanden weltweit auch die Regierungen von mehreren anderen Ländern bereits gegen die „überseeischen Polizeistationen“ der KPC ermitteln, darunter Kanada, Chile, Nigeria, die USA und in Europa in Österreich, der Tschechischen Republik, in Irland, Italien, Portugal, Spanien, Schweden, den Niederlanden, in Großbritannien und auch in Deutschland.
Kürzlich berichteten deutsche Medien über Ermittlungen des hessischen Verfassungsschutzes und der hessischen Polizei zu einer möglichen chinesischen Polizeistation in Frankfurt. Das Landesinnenministerium habe dies auch bestätigt.
Ein Jugendlicher im Visier der Stasi
Als 17-Jähriger hatte Wang Jingyu 2019 die Demokratiebewegung in Hongkong im Internet unterstützt. Aus Sorge um seine Sicherheit organisierten seine Eltern seine Ausreise aus der südwestchinesischen Provinz Sichuan über Hongkong nach Europa. In Hongkong blieb Wang eine Weile und erlebte live, wie brutal die Polizei gegen die für Freiheit demonstrierenden Bürger vorging.
Er nahm mit seinem Handy Videos auf und postete sie in den chinesischen sozialen Medien. Wie Wang im Frühjahr 2021 der chinesischsprachige Epoch Times im Interview erklärte, hatte ihn ein Underground-Klassiker in China, ein verbotenes Buch, aufgerüttelt: „Ich bin immer noch tief beeindruckt von den ‚Neun Kommentaren‘ (über die Kommunistische Partei)“, erklärte Wang. Er habe es nicht nur einmal gelesen. Jedes Mal, wenn er es lese, bekomme er neue Eindrücke, ein tieferes Verständnis über das böse Wesen der KP Chinas – weil er zwischenzeitlich auch selbst manches erlebt habe.
Als Wang 2021, in Europa wohnend, die Nachrichtenfälschungen der Staatsmedien Chinas während des chinesisch-indischen Grenzkonflikts im Internet bloßstellte, geriet er endgültig ins Visier der chinesischen Staasi. Ein Haftbefehl gegen ihn wurde in den Sprachrohren des Regimes veröffentlicht, im Staatsfernsehen CCTV und der Staatszeitung „Peoples Daily“. Die Partei befahl ihm auch, innerhalb von drei Tagen nach China zurückzukehren. Gleichzeitig begannen Vorkehrungen, Wang im Ausland zu schnappen.
Chinas „schwarzes Gefängnis“ in Dubai
Wie die chinesischsprachige Epoch Times an anderer Stelle auch berichtet, wollte Wang im April 2021 von der Türkei aus über Dubai in die Vereinigten Staaten fliegen: „Sobald ich in Dubai ankam, wurde ich von der Polizei vor Ort festgenommen und erfuhr, dass ich nach China abgeschoben werden würde.“ Dreimal seien Beamte vom chinesischen Konsulat und der China-Botschaft in Abu Dhabi vorbeigekommen und wollten Dokumente in arabischer Sprache unterschrieben haben. Man sagte Wang nicht, was der Inhalt der Papiere war, erklärte ihm jedoch, er könne ohne Probleme nach China zurückkehren, wenn er unterschrieben habe. Aber er unterschrieb nicht.
Stattdessen rief Wang seine Freundin an, um nach Hilfe zu suchen. Sie kam nach Dubai, um einen Anwalt für ihn zu finden. Gleichzeitig veröffentlichte sie am 21. Mai 2021 auf Twitter einen Hilferuf. Das US-Außenministerium wurde auf den Fall aufmerksam.
Man erklärte der Nachrichtenagentur „AP“ gegenüber, dass es sich um einen Menschenrechtsfall handle und forderte von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Wang unverzüglich freizulassen. Am 27. Mai konnte Wang das Gefängnis verlassen. Er wurde in die Türkei ausgewiesen.
Kurz darauf kamen die chinesischen Konsulatsbeamten mit der Dubai-Polizei zum Hotel von Wangs Freundin und verhafteten die junge Frau. Sie wurde in eine Villa gebracht. Wang: „Diese Villa ist das schwarze Gefängnis der KPC.“ Dort habe man Wangs Freundin eine Woche lang unter Druck gesetzt, eine falsche Anklage gegen Wang zu unterschreiben.
Außerdem sollte sie die US-Regierungsbeamten und einigen in den Fall involvierten NGOs anrufen, um ihnen zu sagen, dass ihre Hilfe nicht mehr erwünscht sei, erklärte Wangs Freundin später. Schließlich schickten die US China Aid Association und das US-Außenministerium Personal nach Dubai, um die junge Frau wieder freizubekommen.
„Kriminelle Gangstergruppe in Staatsform“
Wang Jingyu ist der Ansicht, dass die „Einschüchterung, Belästigung und sogar Entführung von Dissidenten auf dem Territorium anderer Länder“ deutlich zeige, dass die Kommunistische Partei Chinas eine „organisierte kriminelle Gangstergruppe ist, die in Form eines Staates auf der ganzen Welt aktiv ist“.
Alle demokratischen Länder müssen sich dessen voll und ganz bewusst sein – und auch, „wie sehr die Aktionen der KPC dem Weltsystem, der Demokratie und dem Rechtssystem große Auswirkungen und Schäden zugefügt haben“.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion