Gefährlich und geächtet: Streubomben für die Ukraine?
Die Aufregung war groß, als der ukrainische Vizeregierungschef Olexander Kubrakow Mitte Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz von den westlichen Verbündeten die Lieferung von Streumunition forderte. Wie Russland wolle auch sein Land diese Art von Kampfmitteln nutzen. „Es ist unser Staatsgebiet“, betonte er. Die Munition könne dazu beitragen, den Angreifern standzuhalten.
Damals waren die Verbündeten noch sehr zurückhaltend. Das lag vor allem daran, dass einige Nato-Staaten – darunter Deutschland – den Einsatz dieser gefährlichen Waffen per internationalem Abkommen geächtet haben. Jetzt scheint es aber eine Kehrtwende zu geben. Die USA sind Medienberichten zufolge bereit, Streumunition zu liefern. Die Bundesregierung scheint nichts mehr dagegen zu haben. Es wäre wieder einmal ein qualitativ neuer Schritt bei der militärischen Unterstützung der Ukraine.
Was ist Streumunition und wie funktioniert sie?
Eine Streubombe ist ein Behälter aus Metall, der Hunderte kleiner Sprengsätze (Bomblets) enthält. Oft sehen sie aus wie bunte Getränkedosen oder Tennisbälle. Streubomben werden entweder von einem Flugzeug abgeworfen oder vom Boden aus abgefeuert. Sie öffnen sich in der Luft und setzen ihre Mini-Sprengsätze auf einem Gebiet frei, das von der Größe her mehreren Fußballfeldern entspricht.
Die Bomblets sollen beim Aufprall explodieren. Ihre Metallteile können Fahrzeuge durchschlagen, Menschen und Tiere töten oder schwer verletzen. Streubomben werden eingesetzt, um feindliche Bodenkräfte und Fahrzeuge großflächig anzugreifen, sie zurückzudrängen oder ihr Vorrücken zu verlangsamen oder zu stoppen.
Was macht Streumunition so gefährlich?
Ein Teil der Mini-Bomben explodiert oft nicht und bleibt als Blindgänger im Boden stecken. Ähnlich wie Landminen werden sie jahrzehntelang zur Bedrohung, weil sie auch nach Kriegsende durch Erschütterung explodieren können. Zu den Opfern gehören auch Bauern, die bei der Feldarbeit auf Blindgänger stoßen. Wenn Menschen überleben, erleiden sie oft Verstümmelungen, Verbrennungen und können erblinden.
Wo wurde Streumunition schon eingesetzt?
Moderne Streubomben wurden nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung zuerst im Zweiten Weltkrieg von deutschen und sowjetischen Streitkräften benutzt. Die Nothilfeorganisation Handicap International berichtet in ihrem jüngsten Streubomben-Monitor für 2022, dass mindestens 23 Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg Streumunition eingesetzt haben, darunter die USA, Frankreich, Großbritannien, Israel und Russland.
Sie sei seit 2010 neben der Ukraine in Kambodscha, Libyen, Sudan, Südsudan und Jemen eingesetzt worden. Russische Streitkräfte hätten im Jahr 2022 mindestens zwei neu entwickelte Typen in der Ukraine eingesetzt. Auch von ukrainischer Seite seien bereits Streubomben benutzt worden.
Was steht in dem Abkommen gegen Streumunition?
Das Übereinkommen über Streumunition (Convention on Cluster Munition oder Oslo-Übereinkommen) trat 2010 in Kraft. In dem Vertrag verpflichten sich Staaten, „unter keinen Umständen jemals Streumunition einzusetzen, zu entwickeln, herzustellen, auf andere Weise zu erwerben, zu lagern, zurückzubehalten oder an irgendjemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben“.
Wer ist dem Vertrag beigetreten und wer nicht?
Bislang haben 111 Staaten diesen Vertrag ratifiziert, darunter auch Deutschland. 74 Länder haben das bisher nicht getan. Dazu zählen neben der Ukraine, Russland und Belarus auch die NATO-Staaten USA, Estland, Lettland, Finnland, Türkei, Griechenland, Polen und Rumänien.
Wie verhält sich die Bundesregierung zu den US-Überlegungen?
Sie verweist zwar darauf, dass Deutschland dem Abkommen zur Ächtung von Streumunition beigetreten ist, äußert aber gleichzeitig Verständnis für die US-Entscheidung. In der Ukraine bestehe eine „besondere Konstellation“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag. „Die Ukraine setzt eine Munition zum Schutz der eigenen Zivilbevölkerung ein. Es geht um einen Einsatz durch die eigene Regierung zur Befreiung des eigenen Territoriums.“
Das UNO-Menschenrechtsbüro forderte hingegen, dass der Einsatz von Streubomben umgehend gestoppt wird. „Solche Munition tötet und verstümmelt Menschen lange nach dem Ende eines Konflikts“, sagte eine Sprecherin am Freitag in Genf.
Verfügt die Bundeswehr denn noch über solche Munition?
Nein. Bereits 2001 hat die Bundeswehr mit der Entsorgung ihrer Bestände begonnen und sie im November 2015 abgeschlossen. (dpa/dl)
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